Alois Köll, 28 Jahre alter Wahl-Schweizer, ist in Matrei geboren und aufgewachsen und hat bis nach der Matura am Lienzer Gymnasium in der Osttiroler Marktgemeinde gelebt. Danach folgte ein Umzug nach Wien. „2019 habe ich meinen Bachelor in ‚Lebensmittel- und Biotechnologie‘ an der Universität für Bodenkultur abgeschlossen.“ Gleich anschließend begann Alois ein Masterstudium in Biotechnologie, das noch nicht ganz absolviert ist. Aber von Anfang an.
Alois‘ Familie lebt zum größten Teil in Osttirol. „Meine Eltern haben im Matreier Skigebiet lange das Berggasthaus Goldried geführt, mittlerweile hat es meine Schwester übernommen.“ Während seines Studiums war Alois im elterlichen Betrieb als Ferialaushilfe tätig, das ist seit seinem Vollzeitjob nicht mehr möglich. „Jetzt komme ich halt noch gerne zum Essen rauf“, sagt er und lacht.
Mal schnell zu Hause aushelfen würde sich schon alleine aufgrund seines neuen Wohnortes nicht ausgehen, wohnt er doch seit eineinhalb Jahren im Schweizer Wallis. „Ich bin bei einer Pharma-Firma als Manufacturing Specialist tätig und befasse mich mit der Produktion von klinischen Wirkstoffen.“ Seine Firma bearbeitet hauptsächlich Auftragsherstellungen im B2B-Bereich. „Ich bin nur für Produkte zuständig, die sich in der klinischen Phase am Beginn des Produktionsprozesses befinden, also keine kommerziellen Produkte.“
In Schicht-Systemen arbeitend ist Alois unter anderem für die Einhaltung der Produktionspläne zuständig. „Hierfür bekomme ich immer zwei bis drei Arbeiter:innen, sogenannte Operator:innen, zugeteilt. Mit ihnen gehe ich die Schritte durch, dabei kommt es oft vor, dass etwas nicht funktioniert oder Fragen aufkommen. Dann ist es meine Aufgabe zu entscheiden, ob wir diese Unklarheiten intern bzw. mit anderen Bereichen des Unternehmens abchecken.“ Lässt ein amerikanischer Pharma-Konzern Produkte in Alois‘ Unternehmen produzieren, ist er bei Vor-Ort-Besuchen des Kunden erste Ansprechperson und Dolmetscher zwischen den meist deutschsprachigen Operatoren und dem Auftraggeber.
Über die Jahre ist Alois der Bezug zur Osttiroler Heimat immer wichtiger geworden. „Als ich in Wien studiert habe, habe ich sehr viel unternommen und viele Freunde und Bekannte in meinem Umfeld gehabt. Im Masterstudium hat sich das geändert. Das hat mir dann nicht mehr so gefallen, es war einfach zu viel ‚zu Hause sitzen‘ – das war langweilig.“ So zog der Student im März 2022 nach Osttirol zurück. Die Pandemie kam ihm dabei zugute: „Man kann ja spätestens seit der Pandemie alle Prüfungen online machen – das wollte ich von daheim, von Matrei aus, erledigen.“
Doch es kam anders. Ein Jobangebot für seine jetzige Arbeitsstelle traf ein, das Alois kurzerhand annahm. Er machte sich auf den Weg in die Schweiz. Der junge Matreier fährt trotz der Distanz mindestens alle zwei Monate heim. Das zahlt sich dank seiner in Schichten organisierten Arbeit aus. „Wir haben vier Früh- und dann drei Nachtschichten hintereinander. Danach haben wir vier Tage am Stück frei. Diese Aufteilung ist ein wenig speziell, aber für das Heimpendeln ist das super.“ Die Strecke von seinem Wohnort in der Schweiz nach Matrei sei übrigens ungefähr gleich lang wie die Strecke von Osttirol nach Wien.
Die Position von Alois in seinem Unternehmen ist so konzipiert, dass man nach ein bis zwei Jahren in der Produktion, in denen man die Abläufe kennenlernt, zum Betriebschemiker aufsteigt. „Als solcher wechselt man vom Labor in ein Büro, bekommt ein Produkt zugeteilt und erstellt Protokolle für Mitarbeiter in der Herstellung.“ Bei Alois steht dieser Wechsel im kommenden November an. Besonders wichtig an der Arbeitsstelle ist dem Matreier sein Arbeitsumfeld. „Die Kollegen müssen einfach passen und das funktioniert hier super, auch wenn die ersten beiden Monate aufgrund des Dialektes ein wenig herausfordernd waren.“ In seinem Betriebsbereich werde viel Deutsch gesprochen, es gebe aber auch Abteilungen, in denen eher Englisch dominiert, erklärt Alois.
Für den Abschluss des vorhin bereits erwähnten Masters in Biotechnologie fehlen Alois noch einige wenige Noten. „Ich muss sagen, dass ich mir die schwierigsten Prüfungen für das Ende aufbehalten habe und wenn man so lange studiert, wird das einfach zäh.“ Seine Masterarbeit hat er bereits abgeschlossen. Im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit hat sich der Matreier mit der Krankheit Cholera beschäftigt. Kurz und knapp erklärt, handelt die Forschung von der Frage „wie man ein (Gegen-)Mittel entwickeln kann, das den Giftstoff bindet, so dass die Krankheit Cholera gar nicht ausbricht“.
In einem potenziellen Idealfall würden also Menschen, die in ein Cholera-Gebiet reisen, das Mittel präventiv zu sich nehmen. „Ich habe versucht, im Labor in einer klassischen Petrischale Moleküle zu finden, die solche bindenden Eigenschaften haben.“ Ein laut Alois spannendes und erfolgreiches Projekt, das bereits bestehende Forschungserkenntnisse seines Betreuers aufbaut. „Durch die gute Vorarbeit meines Betreuers, der zuvor an der ETH Zürich tätig war und das Projekt dort gestartet hatte, konnte man super damit arbeiten.“ Eine weitere Forschung auf diesem Gebiet ist laut Alois eine Frage der finanziellen Mittel und würde wohl eine Zusammenarbeit mit einer Firma voraussetzen.
In naher Zukunft möchte Alois in der Schweiz bleiben. „Mein Plan wäre, noch ein, zwei Jahre im Wallis zu bleiben. Das gefällt mir im Moment sehr gut und der Job macht sich auch gut im Lebenslauf.“ Ein langfristiges Ziel sei jedoch eine berufliche Rückkehr nach Tirol, denn „zwei meiner drei Schwestern und meine Eltern leben in Osttirol. Da wäre es schon ganz angenehm, näher bei ihnen zu sein.“ Gibt es berufliche Möglichkeiten seiner Ausbildung entsprechend in Osttirol? „Einen Job in einem Labor würde ich eventuell schon finden, aber gerade im Pharma-Bereich haben wir in Osttirol einfach wenig bis gar keine spezialisierten Firmen.“
In seiner Freizeit ist Alois auf schweizerischen und österreichischen Skipisten anzutreffen. Im Sommer schwimmt und wandert er gerne. Zweiteres hat er letztes Jahr mit einer Reise verbunden: „2023 haben wir zu siebt eine Alpenüberquerung vom bayrischen Oberstdorf über Tirol bis nach Meran in Südtirol unternommen. Das hat acht Tage gedauert.“
Rückblickend auf die vergangenen acht Jahre seit dem ersten Heimweh-Interview hat Alois einige prägende Entscheidungen getroffen. „Am wichtigsten war wohl der Entschluss, Wien wieder zu verlassen. Gerade während der Corona-Zeit und auch danach konnte ich mich mit der Stadt nicht mehr identifizieren. Meine Zeit in Osttirol danach hat mir sehr gutgetan, da man einfach die Menschen und die Umgebung dort kennt.“ Auch seinen Umzug in die Schweiz empfindet Alois als wegweisend. „Ich hätte ja auch die Option des Masterabschlusses in Wien gehabt. Es ist aber denke ich besser, auch mal in die Praxis einzutauchen, als nur vor Laptop und Büchern zu hängen.“
Allen jungen Osttiroler:innen, die sich gerade in Ausbildung befinden, möchte Alois einen Tipp mit auf den Weg geben. „Man muss sich wirklich gut überlegen, für welches Studium man sich entscheidet, wenn man später in Osttirol arbeiten möchte.“
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