Anita Rosatis Wurzeln liegen in Schlaiten, dem Geburtsort ihrer Mutter. „Meine Mama ist gebürtige Osttirolerin aus dem Haus Forcher, der Musiker Gabriel Forcher ist mein Onkel.“ Ihr klingender Nachname ist italienischer Herkunft. „Mein Papa ist Italiener, aus Rom. Dort haben meine Eltern vor dem Hausbau in Schlaiten gelebt.“ Nach vielen Jahren in Schlaiten, wo Anita mit ihren zwei Schwestern aufgewachsen ist, sind ihre Eltern schließlich und nach langen Überlegungen wieder nach Rom zurückgekehrt. „Dadurch, dass meine Eltern beide in Pension sind und wir Kinder etwas außergewöhnliche Berufe haben, war schnell klar, dass unser großes Haus in Schlaiten nicht mehr gut genutzt wird.“
Auf die Frage, ob die große Distanz eine Herausforderung in puncto Familientreffen darstellt, schmunzelt Anita. „Tatsächlich ist es jetzt sogar leichter, meine Eltern zu sehen, da die Flugverbindungen von meinem Wohnort Wien nach Rom sehr gut sind. Die Strecke Osttirol-Wien war früher ja auch kein Katzensprung.“ Ihre Schwestern und mittlerweile auch ihre kleinen Nichten trifft sie regelmäßig, da mittlerweile alle Geschwister in Wien leben.
Ab dem Beginn ihres Bachelorstudiums ist Wien Stück für Stück zu Anitas Heimat geworden. „Nur von 2015 bis 2016 habe ich, wie im ersten Heimweh-Interview angekündigt, ein Opernstudio im deutschen Weimar absolviert, danach bin ich aber für meinen Master und berufliche Engagements nach Wien zurückgekehrt und habe mir die Stadt als Lebensmittelpunkt behalten.“
Seit sie im Oktober 2023 eine Fixanstellung als Sopranistin am Salzburger Landestheater erhalten hat, pendelt Anita zwischen Wien und Salzburg. „Im Herbst 2023 habe ich von meinem Agenten einen Anruf erhalten, dass das Salzburger Landestheater eine Ensemble Sopranistin sucht. Ich war daraufhin dort zum Vorsingen und habe direkt im Oktober mit dem Stück „AIDA“ von G. Verdi in der Felsenreitschule mitwirken dürfen.“ Ein großes Debüt für Anita. Die Osttirolerin ist in Salzburg vorerst für drei Produktionen engagiert. „Die ersten beiden haben schon Premiere gefeiert, das dritte Stück, eine zeitgenössische Oper, folgt im Mai.“
Festanstellungen an Theatern und Opern sind meistens für ein Jahr vorgesehen und in den meisten Fällen weiß man nicht, ob der Vertrag verlängert wird. „Für ein Jahr ist diese Pendelei auf jeden Fall machbar. Sollte sich ein weiteres Engagement in Salzburg ergeben, wird die Wohnsituation zwar nicht einfacher, aber da wird mir schon was einfallen (lacht).“
Der Bezug zu Osttirol hat sich mit den Jahren verändert. „Mittlerweile bin ich schon 30 Jahre alt, aus der Studienphase draußen und Heimat hat für mich vor allem mit Familie und Freunden zu tun. Der Großteil meines engen Umfelds ist derzeit in unmittelbarer Umgebung, das ist wichtig für mich.“ Ob sie für immer in Wien bleiben möchte, kann Anita heute nicht sagen, denn: „Grundsätzlich zieht es mich schon eher in ländliche Regionen und zu Bergen.“
Wir werfen einen gemeinsamen (Rück-)Blick auf die Highlights auf Anitas beruflichem Weg seit dem Abschluss ihres Bachelors im Fach Gesang an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. „Ich war für ein Jahr in Weimar und habe dort vier Theater bespielt: Weimar, Erfurt, Gera und Nordhausen.“ Darauf folgte ein Abschluss des Masterstudiums in „Lied und Oratorium“ im März 2019. Während ihres Studiums trat Anita bereits aktiv in Theatern und Opern auf. „Meinen größten Sprung habe ich wohl 2018 gemacht. Damals habe ich am „Theater an der Wien“ in der Rolle des Jemmy in ‚Wilhelm Tell‘ debütiert.“ Eine große Chance für die Osttirolerin: „Dort bin ich in den darauffolgenden fünf Jahren immer wieder engagiert worden und die Zusammenarbeit war toll!“ Einen sich schließenden Kreis hat Anita auch in Salzburg erlebt: „2017 habe ich schon einmal ein Projekt bei den Salzburger Festspielen gemacht – jetzt, sieben Jahre später darf ich am Landestheater singen.“
Im Laufe ihrer Karriere tauchen immer wieder Projekte mit Kindern auf. Eine Herzensangelegenheit Anitas. Nach ihren Debüts im weltbekannten Wiener Musikverein und im Wiener Konzerthaus hat sie bei einer Kinderoper im "Theater an der Wien" mitgearbeitet. „Das war im Rahmen von 'Kinder an der Wien – ein Opernprogramm für ein junges Publikum'. Heutzutage ist ja das große Thema ‚Wer geht eigentlich noch in die Oper und wer hat vielleicht sogar Abos?‘. Meistens eine eher ältere Generation.“ So setzt sich Anita als aktives Mitglied der Opern- und Theaterszene für die Vermittlung der Opernkultur ein. „Ich denke ganz oft, wie wichtig es ist, Kindern und Jugendlichen das Besondere unserer Bühnenwelt zu zeigen und auf eine Erhaltung auch für die nächsten Generationen zu achten.“ Im Verlauf ihres Pädagogik Studiums, das sie seit 2020 teilweise neben ihren Anstellungen als Sängerin absolviert, hat Anita die elementare Musikpädagogik, also die Arbeit mit (Klein-)Kindern für sich entdeckt. „Dabei geht es wirklich um die Anfänge und erste Berührungspunkte mit der Musik“, erklärt sie.
Im Sommer 2022 trat die Sopranistin bei den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck auf. „Für die Rolle, die ich damals verkörpert habe, bin ich auch für den österreichischen Musiktheaterpreis in der Kategorie ‚Bester Nachwuchs‘ nominiert worden.“ Diese Nominierung war nicht ihre erste. Bereits einige Jahre vorher wurde sie für die Verkörperung einer Rolle in einer zeitgenössischen Oper von Bernhard Lang bei den Bregenzer Festspielen für denselben Preis in der Kategorie ‚Beste weibliche Nebenrolle‘ nominiert. Vergangenes Jahr war auch sonst einiges los. Ein besonderes Highlight war eine Anstellung bei der Kärntner Trigonale.
„Ich war hin und weg von den wahnsinnig tollen Musiker:innen und hatte das Glück, mit einer Pianistin zu arbeiten, die auf einem Hammerklavier gespielt hat.“
Anita Rosati über ihr Engagement am Kärntner Musikfestival "Trigonale"
Auch auf einem renommierten Barockfestival in Polen durfte Anita auftreten. Ihre Leidenschaft für die Barockmusik begann während der Pandemie im Jahr 2020, erzählt sie. „Vorher habe ich viel Mozart Opern gesungen und vor allem zeitgenössische Musik gemacht.“ Ich habe mit einem Barockorchester in Stuttgart zusammengearbeitet und im Jahr danach wurde ich bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik und die Rolle der Idalma engagiert. Mit Innsbruck verbindet Anita auch eine weitere besondere Erinnerung: „Ich habe mich vor einigen Jahren bei dem internationalen ‚Cesti-Wettbewerb‘ beworben und im dortigen Finale einen Sonderpreis gewonnen.“
Auf die Frage, ob sie thematische oder stilistische Schwerpunkte in ihrem Schaffen setzt, antwortet sie: „Ich habe mich nie für eine spezielle Sache entschieden, sondern immer nach dem Motto ‚Je bunter und vielfältiger, desto besser‘ gearbeitet.“ So konnte und kann sich Anita selbst besser kennenlernen. 2019 wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit und ist seither als freischaffende Opernsängerin tätig.
„Besonders erwähnenswert sind Stücke, in denen ich sogenannte ‚Hosen-Rollen‘ gespielt habe. Dabei bin ich immer in die Rolle eines jungen Burschen oder Mannes geschlüpft.“ Etwas, das in Opern eher außergewöhnlich ist, da diese Rollen laut Anita meist eher an Mezzo-Sopranistinnen vergeben werden. „Irgendwie habe ich es aber geschafft, in insgesamt vier Produktionen diese Hosen-Rollen zu interpretieren. Das hat mir richtig gut gefallen, denn ich habe dabei die androgyne Seite an mir finden können.“ In ihrem aktuellen Engagement in Salzburg spielt sie derzeit wieder feinere Damen und generell Frauenrollen aus verschiedenen Epochen. Ein Beispiel ist „Lucio Silla“, in dem klassisches, altes Rollendenken thematisiert wird. „Dabei hat die Regisseurin mit mir die Stärken meiner Rolle herausgearbeitet. Es ist einfach schön, wenn man eine Rolle entfalten kann und in eine Richtung geht, die man gerne interpretiert.“ Eine gewisse Offenheit gegenüber geringen Anpassungen von Stücken findet Anita wichtig. Man könne an jedem Projekt wachsen, ist ihr Resümee.
Bei so vielen, verschiedenen Rollen stellt sich die Frage nach Lieblingscharakteren. „Jede meiner bisherigen Rollen war sehr speziell. In den burschikoseren Rollen habe ich beispielsweise das Gefühl, dass ich das Kindliche in mir herauskitzeln kann. Auch von der Körperlichkeit her.“ An ihrer derzeitigen Rolle in Salzburg gefällt Anita der neue Zugang zu einer manipulativen Charakteristik einer fiktiven Persönlichkeit. „Nicht unbedingt auf eine negative Art, sondern einfach dieses jemand-anderem-eigene-Interessen-einflößen“. Mit leuchtenden Augen erzählt sie auch von einer Aufführung von „Orpheus und Eurydike“ von C.W. Gluck in der Wiener Kammeroper. „Damals bin ich in die Rolle des Amor geschlüpft. Der Regisseur beschloss kurzerhand, dass Amor weder Mann noch Frau ist, sondern etwas androgynes hat. Das war genau meins, ich habe mich damit sehr gut identifizieren können.“
Für ihre beruflichen Engagements reist Anita viel. Neben zahlreichen Auftritten in Deutschland war sich auch bereits in Opern- und Theaterhäusern in Luxemburg, Italien, Frankreich, England und Russland zu Gast. „Jedes Land mit seinem Publikum ist anders und es werden andere Schwerpunkte gesetzt – von den Theatern bis hin zum Spielbetrieb.“
Abgesehen von ihren beruflichen Reisen ist Anita auch privat gerne unterwegs. „Mit zwei meiner liebsten Freundinnen – beide Osttirolerinnen – reise ich einmal im Jahr irgendwo hin. Letztes Jahr waren wir beispielsweise in Marokko, das war sehr schön!“ Auch mit ihrem Partner ist sie gerne unterwegs. Wenn es mal Entspannung sein soll, besucht Anita gerne Thermen. „Auch das Wandern, Spazieren, Schwimmen oder Radfahren taugt mir. Im Winter bin ich heuer leider wenig dazugekommen, aber an sich gehe ich sehr gerne Skitouren.“
Eine Rückkehr nach Osttirol stand für Anita kurz im Raum, als das Thema rund um den Verbleib des Elternhauses aktuell war. „Für mich ist allerdings schon klar, dass ich meinen Beruf weiter ausleben möchte, vor allem, wenn es gut läuft.“ Das ist in Osttirol alleine von den Reisezeiten zu den nächsten Opern und Theatern leider schwierig. Somit ist eine Rückkehr nach Hause laut Anita derzeit eher unwahrscheinlich. „Ganz ausschließen möchte ich es aber nicht, vor allem in der Pension könnte ich mir das gut vorstellen.“ Eine professionelle Gesangskarriere kann man nicht bis zur Pension ausüben. „Wenn man es bis ins Alter von 40 Jahren schafft, hat man bereits eine lange Karriere hinter sich.“ Ihr Pädagogik Studium an der Uni Wien ist für Anita eine Art von Plan B. „Ich habe ja ein rein künstlerisches Studium abgeschlossen, bei dem keine Pädagogik enthalten war. Um an einer Musikschule unterrichten zu können, benötigt man aber eine Ausbildung in diesem Bereich. Derzeit habe ich mich beurlauben lassen, da ich es mit der aktuellen Arbeit einfach nicht schaffe. Mein Plan ist aber, dieses Bachelor-Studium der Pädagogik abzuschließen, um auch eine zweite Karriere-Tür offenzuhalten.“
Was sich Anita für ihre Zukunft wünscht, liegt auf der Hand: Menschen mit Musik Freude bereiten. „Mich würde es sehr freuen, weiterhin als freischaffende Sängerin Projekte zu machen und Liederabende zu geben. In den Kirchen weiterhin Messen zu singen und geistliche Musik zu machen, taugt mir. Mit kleineren Orchesterbesetzungen Konzerte planen – es gibt viele Dinge, die mich reizen!“
"Auf den eigenen Körper hören und dazu stehen, egal wieviel Druck auf einem liegt – das solle man sich zu Herzen nehmen."
Anita Rosati im Heimweh-Interview
Wenn sie der damals 21-jährigen Anita einen Ratschlag geben könnte, wäre dieser, dass man sich nicht ausnutzen lassen darf. „Ich habe gelernt, auf mich zu hören. Vor allem wenn man krank ist darf man auch mal nein sagen. Man muss mit sich selbst im Reinen sein und klare Grenzen setzen, dann nehmen es auch andere besser auf.“ Absagen von und für Aufführungen aufgrund von Krankheit sind laut Anita besonders schwierig. „Dem Theater ist das natürlich nicht recht, da das Finden eines Ersatzes sehr kompliziert ist. Meine Professorin an der Uni und sonst auch jeder sagt aber: ‚Man hat nur ein Paar Stimmbänder. Die hat man das ganze Leben, also muss man besonders gut auf sie aufpassen.‘“
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