Greenpeace übt mit einer neuen Recherche Kritik an den Behörden in Zusammenhang mit Bauprojekten in den österreichischen Gletschergebieten. Demnach seien 13 von 14 derartiger Vorhaben, wie eine neue Piste oder ein Schlepplift, ohne die Anordnung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgewunken worden.
Laut der NGO wurden alle eingereichten Projekte seit 2017 in den Umweltbundesamt-Datenbanken überprüft, bei denen eine UVP im Raum stand. Bei sieben Feststellungsbescheiden habe sich die Umweltanwaltschaft für eine UVP ausgesprochen, bei fünf seien Gutachten oder Einsprüche erhoben und gefordert worden, diese eingehend zu prüfen. Bei einem Verfahren sei die Umweltanwaltschaft nicht mit einbezogen worden.
„Trotz Einsprüchen und Anmerkungen der Umweltanwaltschaft entschieden die Behörden bei allen 13 UVP-Feststellungsverfahren gegen eine Umweltverträglichkeitsprüfung, elf Feststellungsbescheide betrafen Tirol und zwei Salzburg, darunter die Mega-Baustelle in Sölden“, erklärt Greenpeace-Sprecherin Ursula Bittner.
„Die Gesetze wurden zurechtgebogen und sind damit wirkungslos.“
Ursula Bittner, Greenpeace
Bei jenem Projekt, bei dem eine UVP angeordnet wurde, wurde dieses vom Projektwerber mittlerweile zurückgezogen, hieß es in einer Aussendung am Donnerstag. Zwar gebe es auf Bundes- sowie Landesebene verschiedene Gesetze, die Gletscher schützen sollen, doch es wurden diverse Ausnahmen gemacht. Etwa um Skigebiete vergrößern zu können. „Die Gesetze wurden zurechtgebogen und sind damit wirkungslos“, kritisiert Bittner.
Zudem wird bemängelt, dass im derzeitigen Bundesgesetz (UVP-Verordnung) nicht der gesamte Gletscher geschützt werde. Das Vorfeld sowie die Moränen, die zum Teil auch aus Gletschereis bestehen, seien von vornherein ausgeklammert. „Das ist ein fataler Fehler. Das Vorfeld und die Moränen sind nicht nur ein Lebensraum für viele gefährdete Arten. Wird hier gebaggert und gesprengt, wird damit auch ein natürliches Schutzschild vor Muren und Steinschlag zerstört“, argumentiert Biodiversitätsforscher Franz Essl.
Es müsse daher das gesamte Gletschergebiet gesetzlich unter Schutz gestellt werden. So ein umfassender Gletscherschutz wäre in der UVP-Novelle aus dem Jahr 2021 enthalten gewesen, wurde jedoch gestrichen. Greenpeace fordert gemeinsam mit Essl die Bundesländer dazu auf, den Gletscherschutz auszuweiten und Vorfeld sowie Moränen unter Schutz zu stellen.
„Gletscherschutz muss in Zukunft glaubwürdig sein, ohne Ausnahme. Bagger- und Sprengarbeiten auf Gletschern müssen verboten werden. Stattdessen muss dafür gesorgt werden, dass Skigebiete abseits der Gletscher erhalten bleiben. Dazu gehört ein umfassender Klimaschutz, den auch der Wintertourismus wahrnehmen muss“, so Bittner.
Das Land Tirol wies die Kritik in einer Stellungnahme zurück. Es gebe keine Mindestschwelle an Geländeveränderungen für UVP-Verfahren. Seien erheblich schädliche, belastende Auswirkungen auf Schutzinteressen wahrscheinlich, so unterliege das Projekt einer UVP-Pflicht, unabhängig von der Größe des Projekts.
„Jede Baumaßnahme auf einem Gletscher braucht eine behördliche Bewilligung. Das kann eine UVP sein, es kann aber auch ein Naturschutzrechtliches Verfahren sein. Daran müssten sich die Betreiber von Skigebieten halten“, konkretisierte der zuständige Landesrat, René Zumtobel (SPÖ), im Gespräch mit dem ORF Tirol.
Zudem weist das Land darauf hin, dass die in Österreich zugelassenen NGOs jeden Bescheid, der feststellt, dass ein Vorhaben keiner UVP zu unterziehen ist, anfechten und eine Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht erwirken können. Von den genannten Feststellungsbescheiden sei keiner von einer NGO angefochten worden.
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