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VWA auf dem Prüfstand: Wieviel schreibt die KI? 

Lehrervertreter bezweifeln den Sinn der vorwissenschaftlichen Arbeit. Soll sie auf freiwilliger Basis angeboten werden?

Seit 2012 ist die vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) in den allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) fixer Bestandteil der Zentralmatura. Mit Beginn des Sommersemesters haben die Maturantinnen und Maturanten des Jahrgangs 2023/24 ihre Arbeiten abgeben müssen. Hinter ihnen liegen Monate mit Zeitdruck, Schreibblockaden und quälenden Fragen wie „Habe ich richtig zitiert?“ oder „Habe ich alle Internetquellen angegeben?“. Was jetzt noch auf die jungen Erwachsenen zukommt, sind die mündliche Präsentation ihrer Verschriftlichung sowie eine Frage-Antworten-Runde mit ihren Professorinnen und Professoren. 

In Zeiten von Online-Recherche und digitalen Tools wird die Rolle der VWA zunehmend in Frage gestellt. Die Diskussion ist in vollem Gang. Einerseits ist laut Landesschüler:innenvertretung Tirol die VWA ein wichtiger Bestandteil der akademischen Ausbildung und Schüler:innen bekommen wertvolle Fähigkeiten wie Recherche, Analyse und Präsentation vermittelt. Andererseits argumentieren ÖPU-Vorsitzende Eva Teimel und FCG/AHS Vorsitzender Herbert Weiß, dass „Jugendliche aus bildungsferneren Haushalten weniger Unterstützung bekämen“ und daher eine soziale Ungerechtigkeit bestehe. Zusätzlich fürchten manche Lehrervertreter die Künstliche Intelligenz (KI) als Ghostwriter und in der Folge einen größeren Betreuungs- und Korrekturaufwand für das Lehrpersonal. 

Weg mit der verpflichtenden VWA! Freiwillig gerne, aber verpflichtend schafft die VWA soziale Ungerechtigkeit und öffnet der KI als Ghostwriter Tür und Tor.

Matthias Hofer, Vorsitzender der ÖPU Tirol

Die beiden stärksten Fraktionen der Personalvertretung bzw. der Gewerkschaft der AHS-Lehrer schlagen daher eine Wahloption für Maturant:innen vor. Die Schüler:innen sollen sich zwischen der freiwilligen Abhandlung der VWA oder einem zusätzlichen Prüfungsgebiet im Rahmen der Matura entscheiden. Eine Debatte die Silvia Ebner, sie unterrichtet am Gymnasium Lienz, teilweise für sinnvoll hält. Die Sprachenlehrerin empfindet das Schülerprojekt als gute Erfahrung im selbstständigen Arbeiten, ist aber grundsätzlich gegen alle Aufgabenstellungen, die enormen Stress mit sich bringen. Daher befürwortet sie den Lösungsansatz von ÖPU und FCG/AHS. 

Dass ChatGPT und weitere KI-Modelle in Zukunft als Auftragsschreiber von Maturant:innen eingesetzt werden, kann sich die Englisch-Professorin allerdings nicht vorstellen. „Man kann mit KI arbeiten, aber die selbstgeschriebenen Texte nicht ersetzen.“ Ihre Einschätzung beruht auf eigenen Erfahrungen im Umgang mit KI-Systemen im Unterricht. Gemeinsam mit ihren Schüler:innen der fünften, siebten und achten Klassen hat Ebner Texte von KI-Algorithmen schreiben lassen. Fazit? „Das Vokabular ist so exklusiv, dass es nicht schülergerecht ist. Außerdem waren die Texte nicht der erforderlichen Form entsprechend.“

Lea Seifter hat den ersten Schritt in Richtung Matura bereits hinter sich. Foto: Dolomitenstadt/Hassler

Lea Seifter, angehende Maturantin am Gymnasium Lienz, ist von der umstrittenen Thematik nicht mehr betroffen. Am Donnerstag, 22. Februar, hat sie ihre VWA zum Thema „Hornhauterkrankung Keratokonus und deren Behandlungsmöglichkeiten“ abgegeben. KI-Technologien zu verwenden, ist ihr während der Verschriftlichung nie in den Sinn gekommen. Fakten zur Erkrankung – von der sie selbst betroffen ist – und zur Therapierung hat sie von ihren Ärzten der Kepler Universitätsklinik in Linz eingeholt und zusätzlich eine medizinische Suchmaschine verwendet. 

Aufgrund ihres Interesses am behandelten Thema sowie der Ansicht, dass die Verschriftlichung ein erster Einblick in die akademische Welt ist, würde Lea sich im Falle der Wahlmöglichkeit, wieder für die VWA entscheiden. Dieser Meinung ist auch Anna Fürhapter. Sie besucht den Sportzweig im BORG Lienz und befasste sich in ihrer Abschlussarbeit mit Hypnosetherapien bei Essstörungen. Neben Recherchen im Internet und Wissen aus zwei Büchern hat Anna auch ein Interview mit einer Psychologin geführt.

Anna Fürhapter würde sich im Falle einer Wahloption für die VWA entscheiden. Foto: Dolomitenstadt/Hassler

Das Schreiben und Analysieren der Daten sind in Annas Augen nicht das Problem, eher die unzureichende Vorbereitung seitens der Schule. Im Gymnasium gibt es beispielsweise ein eigenes Schulfach, in dem den Schüler:innen die wichtigsten Bestandteile wie Zitierregeln oder Formatierung erlernen. Im BORG Lienz fanden zwei Kurse statt, die laut Anna zwar informativ waren, aber nicht auf alle auftauchenden Fragen eingingen. Antworten hat sie im Internet und in ihrem Bekanntenkreis gefunden. 

Einen weiteren Unterschied stellt die Verwendung von ChatGPT und Co. dar. Während Professorinnen wie Silvia Ebner die Systeme im Unterricht austesten und mit den Jugendlichen den richtigen und sinnvollen Umgang besprechen, wurde KI im BORG Lienz noch nicht wirklich thematisiert. Was sich aber geändert hat: „Texthausübungen machen wir nicht mehr zu Hause, sondern in der Schule, da die Professoren nicht mehr kontrollieren können, ob wir die Texte selber schreiben. Auch relativ häufig in letzter Zeit sind handgeschriebene Abgaben.“

„Man kann mit KI arbeiten, aber die selbstgeschriebenen Texte nicht ersetzen.“

Silvia Ebner, Professorin am Gymnasium Lienz

Lehrpersonen probieren also bereits neue beziehungsweise altbekannte Methoden im laufenden Unterricht aus, um die Verwendung von künstlicher Intelligenz zu verhindern. Bezüglich der VWA schreibt Renate Hölzl, Professorin am Gymnasium, den Betreuungslehrern ebenfalls die Verantwortung zu, neue Fragestellungen zu entwickeln, welche die KI nicht beantworten kann. Als Beispiele nennt Hölzl selbstgeführte Interviews oder lokale Umfragen. 

Aspekte, die nach Hölzls Meinung für eine verpflichtende VWA sprechen, sind die Präsentation und anschließende Diskussion. Erstens lernen angehende Maturant:innen wie man Inhalte in Kürze präsentiert. Hinzu kommt, dass sie in der anschließenden Disputation ihre Arbeit gegenüber dem anwesenden Prüfungskomitee „verteidigen“ müssen. Spätestens hier fällt auf, ob der Prüfling das Thema versteht und sich im Rahmen der VWA damit auseinandergesetzt hat oder – wie ÖPU und FCG/AHS befürchten – alle Kapitel nur von KI schreiben hat lassen. 

Alexandra Hassler stammt aus Irschen, hat die HAK Lienz absolviert und ist als junge Redakteurin auf lebendige, multimediale Reportagen und Videos spezialisiert.

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