„Für mich war immer ganz klar, dass es Wien wird“, lacht die gebürtige Dölsacherin Maria Steiner über das Telefon im Heimweh-Interview mit Dolomitenstadt.at. Ihr erstes Interview gab sie uns bereits 2015, damals als Studentin. Was genau der ausschlaggebende Punkt war, von Osttirol in die Bundeshauptstadt zu ziehen, könne sie nicht sagen.
„Kunstunis hätte es auch an anderen Standorten in Österreich gegeben, aber ich glaube, es war die große Stadt, die mich angezogen hat“, meint sie rückblickend. Wie auch ihre jüngere Schwester Linda nach ihr, entschied sich Maria zunächst für ein Studium in Grafik- und Kommunikationsdesign, jedoch wurde ihr schon während der Ausbildung bewusst, dass dies nicht der Bereich ist, in dem sie einmal arbeiten möchte. „Die Ausbildung hat mir Freude bereitet, aber es hat mir einfach nicht eingeleuchtet, auf Druck etwas Kreatives produzieren zu müssen und gleichzeitig vielleicht für Firmen zu arbeiten, mit deren Ideologie ich vielleicht gar nicht klarkomme.“
Trotzdem schloss sie die Ausbildung ab und absolvierte im Anschluss auch noch die Meisterklasse für Grafikdesign. „Das war aber eher, um etwas Zeit zu gewinnen und zu schauen, in welche Richtung ich mich orientieren möchte“, schmunzelt sie. Als sie in etwa zur selben Zeit mit ihrem ersten Kind schwanger wurde, entschied sie sich, für ein Lehramtsstudium an der Akademie der Bildenden Künste zu inskribieren. Von nun an standen Bildnerische Erziehung und Werken auf ihrem Studienplan. „Für Außenstehende wirkte das damals vielleicht wie eine Notlösung, aber für mich habe ich die richtige Entscheidung getroffen und merke, dass das ein Beruf ist, der mir liegt und Spaß macht.“
Ein Kind erziehen, studieren und nebenbei an der Uni arbeiten – Maria jonglierte in dieser Zeit mehrere Lebensbereiche, es sei aber auf jeden Fall ein Vorteil gewesen, dass auch ihr damaliger Partner zu der Zeit ein Studium absolvierte. „So konnten wir die Zeiten der Seminare so abstimmen, dass sich die Betreuung unseres Sohnes gut ausging.“ Klar sei nicht immer alles einfach gewesen, „aber auch Kind und Beruf zu vereinbaren, kann zehrend sein“.
„Ich hatte damals Angst davor, etwas verpassen zu können, weil ich kein typisches Studentenleben mehr hatte und spontan nach den Seminaren etwas trinken gehen konnte oder so.“ Gleichzeitig wisse sie jetzt, dass sie sich darüber keine Sorgen hätte machen müssen: „Man verpasst nichts oder kann bestimmte Sachen ja auch noch später irgendwie nachholen.“ Auch die Befürchtung, als sehr junge Mama unter den anderen Eltern nicht so leicht Anschluss zu finden, habe sich als unbegründet erwiesen: „Alle anderen waren total nett und es sind viele schöne Freundschaften entstanden, die zum Teil bis heute bestehen“, freut sie sich.
Ein großes soziales Netzwerk zu haben, sei mit Kindern auf jeden Fall von Vorteil, insbesondere, wenn die eigenen Eltern nicht um die Ecke wohnen und einfach mal so vorbeikommen können. „Die externe Care-Arbeit wird dann halt von Freundinnen und Freunden übernommen und man wechselt sich ab“, erzählt die inzwischen dreifache Mama aus ihrem abwechslungsreichen Alltagsleben.
Ihr zweiter Sohn erblickte gegen Ende ihres Lehramtsstudiums das Licht der Welt. „Trotz meiner beiden Schwangerschaften hab´ ich die Mindeststudienzeit aber nur um zwei Semester überschritten“, schildert Maria. Sie bewarb sich direkt mit Abschluss des Studiums an mehreren Schulen. Der Start ins Berufsleben lief dann allerdings etwas chaotisch ab. „Ich habe – so wie viele andere – von der Bildungsdirektion nie eine Rückmeldung bekommen und begann schließlich selbst, einzelne Schulen zu kontaktieren.“ Als das neue Schuljahr bereits gestartet hatte, wurde Maria per Zufall darauf aufmerksam, dass an einem Gymnasium ganz in der Nähe ihres Wohnortes Lehrpersonen für Bildnerische Erziehung gesucht werden.
Unterrichten empfinde ich in der Schule oft eher als Nebentätigkeit, obwohl es eigentlich mein Hauptgeschäft ist.
Maria Steiner
„Ich rief an und die Direktion fragte sofort, wann ich vorbeikommen könne“, lacht sie. Am Freitag in der ersten Schulwoche fand das Bewerbungsgespräch statt und am darauffolgenden Montag stand sie bereits vor der Klasse. „Es ist schon zach, wie man junge Lehrpersonen ins kalte Wasser wirft. Schließlich ist am Anfang alles neu, du trägst die Verantwortung für die Schüler:innen, sollst den Stoff vermitteln und musst dich gleichzeitig um so viele andere Dinge kümmern, die gar nichts mit dem Unterrichten zu tun haben. Unterrichten empfinde ich in der Schule oft eher als Nebentätigkeit, obwohl es eigentlich mein Hauptgeschäft ist“, meint sie rückblickend auf ihr erstes Dienstjahr und auch hinsichtlich der Tatsache, dass viele ihrer jungen Kolleg:innen momentan „nebenbei" noch ihr Studium abschließen, aber auf Grund des Lehrpersonenmangels bereits im Berufsleben stehen.
„Wir waren auch der erste Jahrgang, in dem es das Unterrichtspraxisjahr nicht mehr gegeben hat“, erzählt Maria. Das neue Modell mit der Induktionsphase sei in ihrem Fall nur mäßig hilfreich gewesen: „Mir wurde eine Lateinlehrerin zur Seite gestellt, die zwar total nett war und meinen Unterricht spannend fand, aber fachlich nicht weiterhelfen konnte.“ Unterstützung bekam sie von ihren Fachkolleg:innen, „das erfolgte halt alles auf freiwilliger Basis".
Trotzdem habe ihr das Unterrichten vom ersten Tag an Spaß gemacht: „Ich arbeite total gerne mit Kindern und Jugendlichen, weil sie nicht so konformistisch sind und dir einfach sagen, was sie denken“, schildert Maria. Wichtig sei vor allem, einen guten Draht zu den Schüler:innen zu finden: „Wenn die Beziehung passt, funktioniert auch der Unterricht.“ Gleichzeitig sei ihr auch bewusst, dass Beziehungsarbeit in ihren kreativen Fächern etwas einfacher ist, als beispielsweise in Mathematik oder einer Sprache, wo Schüler:innen oft schon von vornherein angstbesetzt in den Unterricht hineingehen.
Im Feminismus geht es ja nicht darum, ein Matriarchat zu errichten, sondern ein gutes Leben für alle zu ermöglichen.
Maria Steiner
Viel mehr als die Ausbildung in den praktischen Fächern habe das Studium sie durch die Theorievermittlung geprägt: „Wir haben uns viel mit feministischen Theorien beschäftigt, die mich sowohl als Lehrperson als auch als Mama gestärkt haben.“ Es gehe im Feminismus ja nicht darum, ein Matriarchat zu errichten, sondern ein gutes Leben für alle in der Gesellschaft zu ermöglichen und insbesondere darum, bestehende Machtstrukturen zu hinterfragen.
„Auch zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen gibt es ein Machtgefälle, da kann die Beziehung noch so gut sein, am Ende bin ich die, die die Noten vergibt“, schildert Maria und meint, dass es immer wieder wichtig sei, sich selbst als Lehrerin immer wieder kritisch zu hinterfragen. „Ich empfinde einfach viele Dinge aus dem Feminismus für selbstverständlich und ganz normal und kann mir für den Umgang mit anderen Menschen sehr viel daraus mitnehmen.“
Hätte sie die Möglichkeit, am Schulsystem etwas zu ändern, wäre es wohl der Umstand, Noten vergeben zu müssen: „Ich kenne niemanden aus dem Kollegium, der das gerne tut“, meint sie. Außerdem plädiert sie für eine Gesamtschule: „Diese klassistische Trennung im Alter von zehn Jahren macht keinen Sinn und führt dazu, dass in erster Linie jene Kinder weiterkommen, deren Eltern gut informiert sind, die anderen bleiben auf der Strecke.“
Im Moment vermittelt Maria allerdings nicht Theorie und Praxis in ihren beiden kreativen Fächern, sondern ist seit der Geburt ihrer kleinen Tochter im Oktober in ihrem ersten Karenzjahr: „Es ist schon sehr angenehm, dass ich jetzt zum ersten Mal nicht mehr Studium, Job und Familie unter einen Hut bringen muss. Ich freue mich aber auch schon sehr, wenn ich dann im Herbst wieder unterrichten anfange.“
Zu diesem Zeitpunkt wird dann auch ihr mittlerer Sohn in die erste Volksschule einschulen. „Um dort hinzukommen, muss er nicht einmal eine Straße überqueren“, freut sich Maria über die Vorteile des Lebens in der Stadt. Generell sei es so, dass sämtliche Wege für alltägliche Besorgungen sehr kurz seien. „Man muss als Elternteil nicht erst seine Kinder ins Auto packen, um irgendwo hinzukommen, wie es meistens der Fall ist, wenn man am Land wohnt.“ Besonders ihr ältester Sohn verrichte viele seiner Wege selbstständig: „Damit meine ich nicht nur den Weg in die Schule und zurück, sondern auch seine Freizeitgestaltung.“
Klar sei nicht unbedingt ein Wald zum Spielen in der Nähe, so wie es Maria aus ihrer eigenen Kindheit kennt, „aber sie spielen dafür eben im Park. Und nur, weil man auf dem Land lebt, bedeutet das noch lange nicht, dass die Kinder dann auch in der Natur spielen“, lacht sie. Nach Osttirol kehrt sie mit ihrer Familie sehr gern zum Urlaub machen zurück: „Es ist ein Privileg, irgendwo herzukommen, wo es so schön ist.“
Von Wien wegzuziehen, kann sich Maria momentan dennoch nicht vorstellen: „Ich bin sehr gerne hier, hab mein soziales Netzwerk und mit Kindern ist es sowieso noch einmal ein bisschen anders: Du willst ihnen auf jeden Fall einen Schulwechsel ersparen und deswegen bleibt man meistens auch dort, wo man angefangen hat.“
Zwischen 2014 und 2016 befragten die Künstlerin Linda Steiner und das Redaktionsteam von Dolomitenstadt mehr als hundert Studierende mit Osttiroler Wurzeln nach ihren Zukunftsplänen und -träumen. Wir nannten die Interviewserie „Heimweh“. Jahre später laden wir die Gesprächspartner:innen von damals in der zweiten Staffel Heimweh 2.0 erneut zum Interview. Was hat sich seither getan in dieser besonders spannenden Phase des Lebens?
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