Weihnachten ist jedes Jahr eine entscheidende Phase für das infektiologische Geschehen. In diesen Tagen ändert sich das Erregerspektrum durch die starke Reisetätigkeit, Familienzusammenkünfte und intensivere Freizeitkontakte. Nach Dreikönig lässt sich die Lage bis zu den Semesterferien im Februar bereits gut einschätzen. Die Zeit sei laut dem Osttiroler Virologen Gernot Walder daher „günstig“ für ein epidemiologisches Update zur Situation im Bezirk und in den angrenzenden Gebieten.
Ein Vergleich zu den letzten Saisonen sei nur eingeschränkt möglich. Heuer stünden erstmals leistungsfähige und kostengünstige Array- und Multiplexverfahren zur Verfügung, die eine rasche und umfassende Abklärung viraler und atypischer Erreger ermöglichen. Musste bis letztes Jahr gezielt nach einzelnen Erregern gefahndet werden, sei es laut dem Experten nun möglich, mehr als 30 Keime gleichzeitig aus einem Abstrich zu testen – und das innerhalb weniger Stunden, zum Preis einer Corona-PCR am Beginn der Pandemie.
„In rund 75 Prozent der Fälle konnte die Ursache der Infektion festgestellt werden.“
Gernot Walder, Virologe
Kleiner Wermutstropfen: Die Krankenkasse übernimmt die Kosten einer solchen fachärztlichen Abklärung weiterhin nicht. Das dürfte sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern, so Walder. Die Auswertung von mehr als 200 Abstrichen bei symptomatischen Patienten in und um Osttirol zeige seit 1. Dezember ein buntes Bild: „In rund 75 Prozent der Fälle konnte die Ursache der Infektion festgestellt werden, in Kombination mit einer Routinekultur erhöht sich die Aufklärungsrate auf gut 85 Prozent.“
Dabei werden auch Infektionen mit mehreren gleichzeitig aktiven Erregern erfasst – und das sei gerade bei schweren Verläufen „erstaunlich häufig“ der Fall. Demnach waren 28 Prozent aller abgeklärten Fälle, aber mehr als die Hälfte der vom Arzt als schwer eingestuften Verläufe auf Mehrfachinfektionen zurückzuführen. 15 Prozent gingen auf das Zusammenspiel von einem Virus und einem Bakterium zurück, sechs Prozent auf zwei Bakterien, drei auf zwei Viren und vier Prozent auf das Zusammenwirken von drei oder mehr Erregern.
„Dieses Ergebnis relativiert den diagnostischen Wert von Einzelschnelltests, mit denen solche Co-Infektionen zwangsläufig übersehen und somit in der Therapie nicht berücksichtigt werden können“, so Walder. Der bei symptomatischen Patienten in Osttirol derzeit am häufigsten nachgewiesene Erreger sei „Haemophilus influenzae“ – ein Bakterium, das trotz seines Namens nichts mit der Grippe zu tun hat.
Es kann bei Kindern eine schwere und früher gefürchtete Entzündung des Kehldeckels verursachen, die durch die Impfung in den letzten Jahren fast verschwunden ist. Walder: „Hier dürfte die Sechsfachimpfung heuer einiges an Leid verhindert haben. Vor einer klassischen Rachenentzündung mit Fieber schützt die Impfung aber nicht. Hier kommt hinzu, dass viele Personen den Keim auf der Schleimhaut tragen, er aber erst in Folge einer anderen, meist viralen Infektion aktiv wird.“
Der Keim lasse sich in der Routinekultur nur schwer anzüchten und werde gerade in der Anfangsphase von Infektionen leicht übersehen. Das gelinge mit den neuen Nachweistechniken wesentlich besser. Auf den Plätzen folgen Influenza (17,5%), Pneumokokken (17%), SARS-CoV2 (13,7%), Enteroviren (10,8%), Mycoplasma pneumoniae (5,7%) und klassische respiratorische Coronaviren, die es vor der Pandemie auch schon gab (3,3%).
Während die Zahl der Coronafälle seit Anfang Dezember abnimmt, steigt die Zahl der Infektionen mit Influenzaviren seit Weihnachten stark an. Es handelt sich überwiegend um Influenza A H1N1v – dieser Nachkomme der Schweinegrippe von 2009 zeichnet derzeit für 90 Prozent der Fälle verantwortlich. 10 Prozent der Fälle sind auf Influenza A H3N2 zurückzuführen. Influenza B trat bisher laut Walder nicht in Erscheinung.
Positiv sei, dass die Grippeimpfung heuer „recht verlässlich“ schütze, Impfdurchbrüche habe man bisher kaum registriert, so der Virologe. In der Gruppe der Enteroviren dominieren mit 95 Prozent humane Rhinoviren. Diese gelten im Allgemeinen als wenig pathogen und virulent, schwere Verläufe sind aber möglich – besonders in Kombination mit einem weiteren Erreger.
Deutlich zurückgegangen sind die Infektionen mit Keuchhusten. Das, so Walder, zeige, „dass die im Herbst gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung gegriffen haben.“ Am aufsteigenden Ast seien neben Influenza auch respiratorische Coronaviren, Parainfluenzaviren sowie Mycoplasma pneumoniae.
Insgesamt biete sich das Bild einer „normalen“ Wintersaison mit einem vielfältigen, von Interaktionen zwischen mehreren Erregern geprägten Bild, das im Einzelfall eine sorgfältige Abklärung erfordere. In den nächsten Wochen rechnet der Virologe mit einem weiteren Rückgang von SARS-CoV2 zugunsten von Influenza, humanem Metapneumonievirus, Adenoviren und klassischen respiratorischen Coronaviren.
„Bei schweren Verläufen sollte gezielt nach Coinfektionen, also nach mehreren Tätern gefahndet werden.“
Gernot Walder
„Die Bedeutung von Haemophilus influenzae wird noch eine Zeit lang anhalten, erst im späteren Frühling sollten grampositive Erreger wie Streptokokken wieder die Oberhand gewinnen. Bei schweren oder anhaltenden Verläufen sollte gezielt nach Coinfektionen, also nach mehreren Tätern gefahndet werden. Es empfiehlt sich also ein gewisses Maß an Vorsicht und verantwortlichem Verhalten, über den normalen Rahmen hinausgehende Maßnahmen sind jedoch nicht erforderlich“, so Walder.
Für Mitarbeiter:innen medizinischer Einrichtungen ist nun die Hauptexpositionsphase, daher sei im Umgang mit Infektionspatienten „ein umfassender Schutz“ erforderlich. „Wenn der Patient telefonisch anfrägt oder gleich beim Empfang angibt, dass er verkühlt ist oder Fieber hat, reduziert das das Übertragungsrisiko“, erklärt der Experte.
Fieber und Infekte sollten ärztlich abgeklärt werden, um das Infektionsrisiko für die Umgebung möglichst gering zu halten. Neben Maßnahmen wie Abstand, guter Händehygiene und – im Fall einer Erkrankung – korrektes Tragen einer Maske sei auch eine vorübergehende Tätigkeit im Home office sinnvoll. Walder: „Dass symptomatische Personen Menschenansammlungen vermeiden und keinesfalls Tätigkeiten an Risikopersonen ausüben sollten, versteht sich eigentlich von selbst.“
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