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Das große Sterben im Reich der Frösche, Kröten und Salamander ging auch 2023 weiter. Foto: WWF

Das große Sterben im Reich der Frösche, Kröten und Salamander ging auch 2023 weiter. Foto: WWF

Weltweites Artensterben nimmt weiter dramatisch zu

Zum Jahreswechsel listet der WWF auch heuer ausgewählte „Gewinner“ und „Verlierer“ dieser Entwicklung auf.

Das weltweite Artensterben ging auch im Jahr 2023 rasant voran. „Weltweit ist mehr als ein Viertel der Tier- und Pflanzenarten auf der Roten Liste als bedroht eingestuft – das ist ein dramatisches Zeugnis”, sagt Georg Scattolin, Leiter des Internationalen Programms des WWF Österreich. Die Naturschutzorganisation warnt einmal mehr vor einer katastrophalen Zuspitzung des weltweiten Artensterbens und fordert deutlich engagierteren Einsatz der Politik.

Dort, wo Tiere und ihre Lebensräume aktiv geschützt und wiederhergestellt werden, registrieren Ökologen nämlich auch Erfolge. Daher fordern Umweltorganisationen, Umweltanwälte und viele Wissenschaftler die Umsetzung des ambitionierten EU-Renaturierungsgesetzes. In Österreich müssen vor allem der horrende Flächenfraß und die Verbauung wertvoller Natur gestoppt werden.

Besonderes Potenzial liegt nämlich in der Wiederherstellung bereits zerstörter Gebiete, wie beispielsweise verbauter Flüsse. „Amphibien wie Frösche und Kröten, aber auch zahlreiche Süßwasserfische sind stark bedroht. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass Österreich in Zeiten der Erderhitzung einen neuen Umgang mit Wasser lernen muss. Wir brauchen intakte Moore, Auwälder und Flusslandschaften, damit sie ihre unersetzlichen ökologischen Dienstleistungen erfüllen können”, sagt Georg Scattolin.

Auch heuer listet der WWF wieder stellvertretend für tausende Arten je eine Gruppe von „Gewinnern“ und „Verlierern“ aus der Liste zigtausender bedrohter Arten auf.

Die Verlierer des Jahres 2023

Flussdelfine: Alle sechs Flussdelfin-Arten gehören weltweit zu den am stärksten gefährdeten Säugetieren. Dieses Jahr war für die Tiere im Amazonas besonders hart: Weit über 200 Flussdelfine sind seit September im Lago Tefé im brasilianischen Bundesstaat Amazonas ums Leben gekommen – betroffen sind sowohl der Rosa Flussdelfin als auch der Tucuxi, der grau und etwas kleiner ist. Zehn Prozent der Flussdelfin-Population im Lago Tefé starben in nur einer Woche. Wahrscheinlich haben hohe Wassertemperaturen von bis zu 39,1 Grad Celsius zum Tod der Flussdelfine geführt. Neben Wasserkraftwerken oder Quecksilberverschmutzung sind die Süßwasserdelfine nun auch direkt von der Klimakrise betroffen. Der WWF startete eine Rettungsaktion vor Ort. Zugleich wurde im Oktober eine globale Erklärung unterzeichnet, um den Rückgang der Populationen in Südamerika zu stoppen und die Flussdelfinpopulationen in Asien zu verdoppeln.

Hohe Wassertemperaturen von bis zu 39 Grad Celsius führen zum Tod der Flussdelfine im Amazonasgebiet. Foto: Gustavo Carrasco/WWF

Amphibien: Das große Sterben im Reich der Frösche, Kröten und Salamander ging auch 2023 weiter: Über 40 Prozent aller Amphibienarten weltweit sind laut der Roten Liste akut bedroht. Vor allem aufgrund der Zerstörung ihrer Lebensräume und des Klimawandels. Damit sind sie die am stärksten bedrohte Wirbeltierklasse – noch vor Säugetieren, Reptilien oder Vögeln. Unter den Amphibien sind die Salamander die am stärksten bedrohte Gruppe. Mehr als jede zweite Salamanderart ist bedroht. Vier Amphibienarten wurden in den letzten drei Jahren für ausgestorben erklärt. 185 Amphibienarten werden nun als „möglicherweise ausgestorben“ geführt. 

Huchen: Der Huchen gehört zu den größten und attraktivsten Vertretern der lachsartigen Fische und kommt nur im Donau Einzugsgebiet vor. Die Art gehört zu den großen Verlierern des Biodiversitäts-Jahres. Schon seit Jahren sind die Bestände des Wanderfisches aufgrund der starken Verbauung unserer Flüsse rückläufig. Nunmehr ist ausgerechnet in der Flussstrecke an der Oberen Mur, die die allerletzte intakte Population beherbergt, ein neues Wasserkraftwerk geplant. Das ist fatal, weil ein Wasserkraftwerk durch den Aufstau, die Ableitung von Wasser und vor allem durch die Unterbrechung des Flusses massive Auswirkungen haben würde.

Atlantische Lachse: Der Atlantische Lachs gilt laut der neuen Roten Liste global als «potenziell gefährdet». Die weltweite Population ist in den vergangenen Jahren um 23 Prozent geschrumpft. Die Fischart, die in Flüssen schlüpft und dann ins Meer wandert, leidet unter vielen Bedrohungen: Dämme und andere Hindernisse versperren den Zugang zu den Laich- und Futterplätzen, während Wasserverschmutzung und Sedimentation, vor allem durch Holzeinschlag und Landwirtschaft, zu einer höheren Sterblichkeit der jungen Lachse führen. Zudem bedroht die Lachslaus, die oft Lachszuchten befällt, auch Wildbestände.

Afrikanische Löwen: Die Löwenpopulation in Afrika wird auf etwa 23.000 geschätzt. Bereits zwischen 2006 und 2018 brach die Population der afrikanischen Löwen um ein Viertel ein. Dank verstärkter Schutzmaßnahmen konnte der Abwärtstrend zwar verlangsamt, aber nicht aufgehalten werden. 2018 bis 2023 ging der Gesamtbestand um weitere 8 Prozent zurück, wobei die stärksten Rückgänge in West- und Zentralafrika vermutet werden. Der WWF arbeitet beispielsweise im KAZA-Schutzgebietskomplex zu Lebensraumschutz und Mensch-Löwen-Konflikten.  

Humboldt-Pinguine: Die Vogelgrippe fegte auch 2023 durch das Tierreich und kommt dabei selbst in entlegensten Weltregionen an. Infolge der aktuellen Vogelgrippekrise sind bis Oktober bereits ca. 3.000 der ungefähr 10.000 in Chile brütenden, gefährdeten Humboldt-Pinguine verendet sowie mehr als 18.000 Mähnenrobben. Nun fürchten Artenschützer:innen eine Ausbreitung des tödlichen Virus auch in der Antarktis und auf den Galapagos-Inseln, die viele Arten beherbergen, die nur dort vorkommen. 

Kabeljau in der Nordsee: Der Kabeljau gehört 2023 abermals zu den Verlierern. In den Übereinkommen der EU mit Norwegen und Großbritannien liegen die neuen, erlaubten Fangmengen über den wissenschaftlichen Empfehlungen. Der Kabeljau in der Nordsee wird damit weiterhin überfischt. Auch im dänischen Meeresgebiet Kattegat fehlt Raum zur Erholung. Die beschlossene Kürzung der Fangmenge um zehn Prozent wird wenig nutzen, da die Schollenfischerei im gleichen Gebiet um 19 Prozent angehoben wird. Dort landet der Kabeljau als Beifang im Netz. 

Luchse: Die maximal 40 heimischen Eurasischen Luchse leben in kleinen, voneinander isolierten Populationen und sind durch illegale Verfolgung, Flächenfraß und genetische Verarmung regional erneut vom Aussterben bedroht. Auch heuer wurde wieder in Kärnten ein Luchs gewildert.

Wölfe zählen ebenfalls zu den „Verlierern“ unter den Arten, zumindest in Österreich, wo ein gutes Dutzend aus einem Bestand von rund 70 Individuen getötet wurde. Foto: Ralph Frank/WWF.

Wölfe: Während der Herdenschutz weiterhin nur unzureichend gefördert und angewendet wird, setzen die meisten österreichischen Bundesländer auf EU-rechtswidrige Verordnungen, um Wölfe abzuschießen. Seit Inkrafttreten der ersten Verordnungen wurden bereits 13 Wölfe getötet, 12 davon im laufenden Jahr. Bei einem Bestand von etwa 70 Individuen bedeutet das eine erhebliche Schwächung der Population.

Die „Gewinner“ des Jahres 2023:

Saiga-Antilopen: Die in Zentralasien beheimatete Saiga-Antilope wird auf der Roten Liste nicht mehr als „vom Aussterben bedroht" geführt. Die Population in Kasachstan, wo 98 % aller Saigas leben, ist in den vergangenen Jahren dank intensiver Schutzbemühungen von knapp 40.000 auf rund 1,3 Mio Tiere gestiegen. Und auch in der Mongolei erholten sich die Bestände. Die Art ist sehr anfällig für Krankheitsausbrüche und war 2010, 2011, 2015 und 2016 von großen Massensterben betroffen. Auch illegale wie legale Jagd bleibt ein Problem.

Breitmaulnashörner: Die Zahl der Breitmaulnashörner ist nach zehn Jahren Rückgang zum ersten Mal wieder gestiegen – und zwar um gut fünf Prozent auf insgesamt rund 16.800 Exemplare. Zudem hat die Naturschutzorganisation African Parks 2023 das größte Nashornzucht-Projekt der Welt erworben. Mehr als 2.000 Breitmaulnashörner sollen ausgewildert werden. Die Dickhäuter bleiben damit zwar weiterhin durch Wilderei bedroht, die positiven Nachrichten sind trotzdem mutmachend, denn 2022 hat der WWF die Breitmaulnashörner noch als Verlierer gewertet.

Wisente im Kaukasus: Vor genau 100 Jahren startet ein Rettungsprogramm für die, in freier Wildbahn damals ausgestorbenen Wisente. Mit Erfolg: Inzwischen streifen wieder über 8000 europäische Bisons durch die Wälder. Und auch 2023 sind es wieder mehr geworden: Zehn Wisente verließen im November den Tierpark Berlin und den Wildpark „Alte Fasanerie“ Hanau in Richtung Aserbaidschan, wo sie im Shahdag Nationalpark ein neues Zuhause finden werden. Im Rahmen des WWF-Wiederansiedlungsprojekts wurden dort bislang 36 Wisente ausgewildert. Die Tiere haben sich bereits vermehrt und der Bestand ist auf 50 angewachsen. Bis 2028 sollen insgesamt 100 Tiere ausgewildert werden.

Schneeleoparden in Bhutan: Bei einer Erhebung in Bhutan konnten 134 Schneeleoparden gezählt werden. Im Jahr 2016 waren es nur 96 Individuen. Im Rahmen der nationalen Schneeleopardenstudie wurden über 300 Wildtierkameras auf einer Fläche von 9.000 km² platziert. 

Tiger: Die Zahl der Großkatze ist in einigen asiatischen Ländern erfreulich nach oben gegangen: In Bhutan hat sie sich seit 2015 von 103 auf 131 erhöht. Indien vermeldete 2023 über 3600 Tiger – und vereint damit in seinen Landesgrenzen zwei Drittel des globalen Bestands. Hoffnung, dass auch in Südostasien die Tiger trotz kleiner Bestände nicht verloren sind, machen zudem Aufnahmen aus Wildtierkameras in Malaysia. 

Die majestätischen Sarus-Kraniche gelten in Nepal als Symbol für Liebe, Glauben und Hingabe. Foto: WWF

Sarus-Kraniche in Nepal: Dank intensiver Schutzbemühungen hat sich mit über 700 Exemplaren die Zahl der Sarus-Kraniche in Nepal seit 2010 verdoppelt. Damals gab es in dem Land nur noch 350 der majestätischen Vögel. Das Wort "Sarus" stammt eigentlich vom Sanskrit-Begriff "Saras" (Kranich) ab. In der nepalesischen Gesellschaft und Kultur symbolisieren die Vögel Liebe, Glauben und Hingabe. Die Art gilt weltweit allerdings weiterhin als „gefährdet“.

Heuschrecken in den March-Thaya-Auen: Seit der Einführung der Beweidung im Auenreservat Marchegg durch den WWF Österreich hat sich das Artenspektrum der Heuschrecken markant erweitert. Es umfasst inzwischen auch eine Reihe von Arten, die zuvor nicht aus dem Gebiet bekannt waren. Mittlerweile sind hier 40 unterschiedliche Arten von Heuschrecken sowie die Gottesanbeterin zu finden. Auch die Individuendichte hat bei den Heuschrecken zugenommen – und davon profitieren wieder Vogelarten, die auf Großinsekten als Nahrung angewiesen sind, wie Störche oder Neuntöter. Damit gehört die Weidefläche im WWF-Auenreservat zu den artenreichsten Gebieten Niederösterreichs, mit auffällig vielen gefährdeten und spezialisierten Arten von Heuschrecken. 

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