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Leisach gedachte Nazi-Opfer Helene Delacher

Vor dem Gemeindeamt wurde ein Stolperstein verlegt und am Geburtshaus eine Gedenktafel angebracht.

Zahlreiche Anwesende gedachten am Montag, 13. November, im Leisacher Gemeindesaal der 1943 vom Nazi-Regime hingerichteten Zeugin Jehovas Helene Delacher. Unter dem Motto „EINFACH MUTIG“ wurde zu ihrem 80. Todestag bei einer Gedenkveranstaltung ein Stolperstein für sie verlegt – der erste überhaupt in Osttirol.

Europaweit erinnern bereits über 100.000 Stolpersteine an Schicksale von NS-Opfern. Eingeladen hatten die Gemeinde Leisach und der Verein „Lila Winkel“, eine Vereinigung zur Rehabilitierung und Unterstützung von Opfern der NS-Zeit. Helene Delacher gilt als einzige von der NS-Militärjustiz zum Tode verurteilte und hingerichtete österreichische Zeugin Jehovas.

Peter Stocker, Vorstand des Vereins Lila Winkel, sowie Gerti Malle (Mauthausen-Guide) und Alexandra Schmidt (Obfrau des Vereins „Erinnern Villach“) betonten in ihren Ansprachen die außerordentliche Wichtigkeit gelebter Erinnerungskultur. Natalie Hasslacher trug den Abschiedsbrief Helene Delachers an ihren damaligen Verlobten, Alois Hochrainer, vor.

Lena Huber übergab ihre vorwissenschaftliche Arbeit über Delachers Schicksal an die Gemeinde Leisach. Die Neukomposition „Da Helene z`liab“ von Walter Hasslacher war bewegender und musikalischer Höhepunkt der Veranstaltung. Als zweiter Erinnerungsakt wurde bei Delachers Geburtshaus in Burgfrieden bereits am Samstag im Beisein der Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik eine Gedenktafel enthüllt. Dort trug Andrea Delacher den Abschiedsbrief vor.

Helene Delacher war eine einfache Osttiroler Bauerntochter. An einem Novembertag wurde sie im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee enthauptet. Als Jüngstes von ursprünglich zwölf Kindern wurde Delacher 1904 in Burgfrieden bei Leisach geboren. Sie besuchte die Volksschule Leisach noch vor dem ersten Weltkrieg, arbeitete anschließend auf dem elterlichen Hof und später im Krankenhaus Hall als Küchenmädchen.

In den 1930er-Jahren herrschte Massenarbeitslosigkeit. Auch Delacher verlor ihre Anstellung und übersiedelte nach Innsbruck. Dort lernte sie 1936 ihren späteren Verlobten, den Südtiroler Alois Hochrainer kennen. Nach dem Kontakt mit Jehovas Zeugen traten beide aus der katholischen Kirche aus und ließen sich als Zeugen Jehovas taufen. Ein mutiger Schritt, denn unter dem NS-Regime war dies verboten.

Um zu heiraten, konnten sie nicht einfach vor dem Standesamt erscheinen, ohne eine sofortige Verhaftung zu riskieren. Deshalb gaben sie einander vor der Gemeinde der Zeugen Jehovas ein „Treueversprechen“. Wegen ihrer Religionsausübung wurde das Paar mit zehn weiteren Zeugen Jehovas aus Innsbruck im Jahr 1940 verhaftet und angeklagt. Delacher verbüßte acht Monate im Gefängnis Innsbruck. Hochrainer wurde nach der Haft in seine Heimat Südtirol ausgewiesen.

Helene Delacher. Foto: Verein Lila Winkel

Auch nach ihrer Freilassung hielten sie an ihrer Überzeugung fest. Nach einer langen Zeit der Trennung vereinbarte das Paar im Juni 1943 ein Treffen auf einer Alm im deutsch-italienischen Grenzgebiet. Delacher hatte einige Ausgaben der damals verbotenen Zeitschrift „Der Wachtturm“ bei sich, die sie an Hochrainer weitergeben wollte. Auf dem Weg zum Treffen wurde sie jedoch von der Grenzpolizei aufgegriffen, durchsucht und verhaftet.

Während ihrer erneuten Inhaftierung erklärte sie mutig, dass sie wusste, dass es strafbar war, Wachttürme und andere Schriftstücke der Bibelforscher weiter zu verbreiten. Sie werde aber nie und nimmer davon ablassen. Das genügte, um Helene im Oktober 1943 zum Tod zu verurteilen. Im Frauenstrafgefängnis Berlin-Barnimstraße bat sie schriftlich um Begnadigung – hauptsächlich wegen ihrer kranken Mutter, die sehr an ihr hing.

Dieses Gnadengesuch wurde abgelehnt. Am 12. November 1943 wurde Delacher vermutlich im Laufe des Tages vom Gefängnis in die Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee überstellt. Nur wenige Stunden vor der Vollstreckung verfasste sie einen liebevollen Abschiedsbrief an ihren Verlobten, in dem ihr unerschütterlicher Glaube zum Ausdruck kam. Unter anderem schrieb sie: 

„Ist halt doch besser dem Herrn treu bleiben. Also mein liebster Luis bleib mir treu für Gottes Königreich. Der Herr wird dir schon auch die Kraft und Stärke geben…. von deiner dich liebenden Lene“.

Delachers Abschiedsbrief.

Wie aus dem Vollstreckungsprotokoll hervorgeht, wurde sie um 17.00 Uhr von zwei Gefängnisbeamten mit auf dem Rücken gefesselten Händen dem Scharfrichter vorgeführt. Delacher war ruhig und gefasst und ließ sich ohne Widerstand auf das Fallbeilgerät legen. Sie war die einzige Österreicherin, die aufgrund ihrer Betätigung als Zeugin Jehovas zum Tod verurteilt und hingerichtet wurde.

Über Delachers Geschichte haben Historiker:innen viel recherchiert und geschrieben, davon zeugen Zeitungsartikel und Erwähnungen in verschiedenen Fachbüchern und Vorträgen. Man findet ihren Namen schon länger am Befreiungsdenkmal in Innsbruck und im „Buch der Namen“ in Lienz.

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