Seit acht Monaten steht an der Innsbrucker Franz-Gschnitzer-Promenade ein Zaun. Hinter diesem Zaun befindet sich Innsbrucks beliebtester Treffpunkt für Studierende und Jungebliebene - die Innmauer. An sonnigen Tagen sitzen dort oft mehrere hundert Menschen mit Buch, in Gruppen, mit oder ohne Getränk. Unter dem Titel "Sonnendeck" begannen Innsbrucks Kulturschaffende auch damit, den Platz mehrmals im Jahr musikalisch zu bespielen. Aus anfangs 30 wurden tausende Besucher. Der Name der Veranstaltung wurde auch ohne Veranstaltung kurzerhand zum Namen des Promenadenabschnitts.
Aus "treff ma uns hinter der Uni" wurde ein "treff ma uns am Sonnendeck". Der Erfolg der Veranstaltung wiederum lag vor allem an der Tatsache, dass es sich beim Sonnendeck um einen konsumfreien Raum handelte. Mitgebrachte Getränke waren nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Damit ist jedoch schon seit geraumer Zeit Schluss. Die Veranstaltungen, die ohne Absperrungen auskamen, wurden bis vor rund einem Jahr von der Stadt geduldet, wobei mit der Zeit auch Wolken über dem Sonnendeck aufzogen. Beschwerden wegen liegengebliebenem Müll folgten erste Auflagen. Im vergangenen Jahr wurde das Sonnendeck dann erstmals polizeilich aufgelöst. Bei den Veranstaltern kamen erste Zweifel auf, ob man den Platz hinter der Innsbrucker Universität weiter bespielen könnte. Im Frühling folgte dann die Sperre der Mauer, was auch das Ende der Veranstaltungen bedeutete.
Stein des Anstoßes war nicht nur sprichwörtlich der Fall eines Teils der Mauer. Unbekannte Täter hatten Ende März am östlichen Teil der Innmauer einen der Abschlusssteine, auf dem zuvor das Sitzen möglich war, gewaltsam ausgebrochen. Der Stein stürzte auf das rund sieben Meter tieferliegende Innufer. Bei einer Begehung der Mauer stellten Mitarbeiter:innen des Landes, das für die Erhaltung der Mauer zuständig ist, fest, dass auch weitere Teile der Mauer sanierungsbedürftig sind.
Seitdem verhindert ein Bauzaun das Betreten der Mauer. Innsbrucks Politik versprach nicht nur eine schnelle Sanierung, sondern auch, dass nach dieser das Sitzen auf der Mauer weiterhin möglich sein soll. Sonnentag folgte auf Sonnentag, doch an der Mauer geschah nichts. Mehrere Monate verstrichen, bis mit den Arbeiten begonnen wurde. Die Abschlusssteine auf der gesamten Länge der rund 300 Meter langen Mauer wurden nach dem Sommer abgetragen und durch neue ersetzt. Zum Erstaunen von Bürgermeister Georg Willi handelte es sich bei den Steinen aber um deutlich schmälere als die vorherigen, die zudem mit einem zusätzlichen Gitter versehen werden sollten. An einem kleinen Abschnitt der Mauer ist das bereits geschehen und führte umgehend zum Protest von Seiten der Kulturtreibenden und der Studierenden.
Der Bürgermeister verteidigte noch vor wenigen Tagen den Zaun, da dieser aus Haftungsgründen notwendig sei. Das Versprechen an jene, die die Mauer gerne weiterhin zum Sonnenbaden genutzt hätten, schien gebrochen. Eine Petition, die den Baustopp des Gitters forderte, wurde binnen weniger Tage von mehr als 10.000 Menschen unterstützt. Das blieb nicht ohne Folgen.
Nahezu alle Innsbrucker Parteien zeigten sich, im Angesicht der anstehenden Gemeinderatswahlen, mit den Studierenden solidarisch. Auch der Bürgermeister schien plötzlich nicht mehr allzu begeistert vom Zaun zu sein. Im Rahmen einer Pressekonferenz Anfang dieser Woche, erklärte er den Medienvertretern, dass er einen Vertrag aus den 1970er Jahren gefunden habe, der der Stadt mehr Mitsprache bei der Mauergestaltung einräumen würde. Um die gesetzlich vorgeschriebene Höhe der Mauer zu erreichen, schlug er vor, den Bereich vor der Mauer um 15 bis 20 Zentimeter abzusenken. Dadurch wäre die Mauer dann einen Meter hoch. Eine Erhöhung der Mauer um denselben Bereich, mit breiteren Steinen, sei hingegen aus Hochwasserschutzgründen nicht möglich.
Ungeachtet des neuen Vorschlags machten diese Woche mehrere hundert Kulturbegeisterte ihrem Unmut Luft. Im Rahmen einer Protestkundgebung äußerten auch zahlreiche Kulturschaffenden, was sie von der Kultur-Politik des Innsbrucker Gemeinderates hielten. Dieser hatte in ihren Augen nicht nur im Fall der Innmauer ein Totalversagen an den Tag gelegt. Denn die politische Förderung der Innsbrucker Subkultur ist seit Jahren kaum der Rede wert.
Zahlreiche Clubs mussten in der Vergangenheit, zum Teil wegen dauerhafter Beschwerden von Einzelpersonen zusperren. Erst vergangenes Wochenende sperrte mit dem "Dachsbau" erneut ein Innsbrucker Szenelokal zu. In Ermangelung an Alternativen wich man für Feiern in die an die Stadt angrenzende Sillschlucht aus. In Folge einer Rave-Veranstaltung in dieser Schlucht forderten manche Politiker, die Schlucht nachts mit einem Zaun zu sperren. "Wir wollten den Leuten in Innsbruck eine geile Zeit bescheren, einen Begegnungsort schaffen, wo Freude, Austausch und Spaß möglich sind. Dafür wurde ich auch als Krimineller dargestellt. Das einzig Kriminelle ist es, einen Zaun auf das Sonnendeck zu stellen", so Robert Stefan, der den Rave mitorganisiert hatte.
"Die Clubs in der Stadt machen diese Stadt lebenswert und auch der öffentliche Raum gehört uns allen. Seit Jahren wird nicht anerkannt, dass wir wichtige Arbeit für die Stadt leisten", erklärt David Prieth, der selbst seit Jahren in Innsbrucks Kulturszene aktiv ist. Er verweist auf "den Hafen", den "Weekender", "Dachziegelflow" und die "junge Talstation". Diese Clubs mussten in den letzten Jahren zusperren. "Man kann mir nicht erzählen, dass Menschen den Kopf zusammengesteckt haben und so ein Zaun am Sonnendeck herauskommen soll. Jetzt mit einer kurzfristigen Pressekonferenz eine Lösung zu präsentieren, kann nicht davon ablenken, dass in den letzten Jahren ganz viel versäumt wurde und man sich nicht darum gekümmert hat, was die junge Bevölkerung braucht", ergänzt Prieth bei der Protestveranstaltung.
Eine schnelle Lösung, wie es mit dem Sonnendeck weitergeht, ist noch nicht in Sicht. Der Bürgermeister war sich im Rahmen der Pressekonferenz nicht einmal sicher, ob der Gemeinderat mit der neuen Lösung betraut werden müsse. Während einzelne Parteien vorsichtige Zustimmung signalisiert haben, fordern andere Bürgermeister Willi auf, endlich Unterlagen vorzulegen, damit der Vorschlag überprüft werden könne. Während der Bürgermeister eine Chance sieht, dass das Projekt bis zum Anfang des Frühlings abgeschlossen werden könne, befürchten andere, dass auch das komplette nächste Jahr niemand auf der Mauer sitzen wird.
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