Karin Seiler: „Die Chinesen und die Inder sind zurück“
Die Tirol Werbung forciert Ganzjahrestourismus. Bis 2030 sollen 15 Prozent der Gäste mit Öffis anreisen.
Die Tirol Werbung forciert den Ganzjahrestourismus. Die Saisonen würden wegen der Klimaveränderung mehr und mehr verschwimmen, daher sollte die Politik notwendige Gesetzesänderungen auf den Weg bringen, erklärte Geschäftsführerin Karin Seiler im APA-Interview. Dies betreffe etwa das Mountainbiken, das länger als bisher möglich gemacht werden solle. Auch trat sie für eine Änderung der Ferienzeiten ein. Indes warnte Seiler vor einem "Gastrosterben" in den Tourismusgebieten.
"Wir in Tirol setzen auf den Ganzjahrestourismus. Und wollen vor allem auch eine Destination für die Zwischensaisonen werden, um damit Reiseströme zu entzerren und die Monate Mai/Juni sowie September/Oktober zu stärken. Hier verzeichneten wir zuletzt ein tolles Plus", gab die Tirol Werbung-Geschäftsführerin die Marschrichtung vor. Die Politik müsse hier nachziehen und die Voraussetzungen für Ganzjahrestourismus erleichtern - weil nicht zuletzt Urlauber während jeder Jahreszeit sehr viel Verschiedenes gleichzeitig machen wollen.
So laufe etwa jedes Jahr mit 1. November das sogenannte "Mountainbikemodell" aus - das heißt, dass ab diesem Zeitpunkt auf den Bike-Strecken nicht mehr gefahren werden dürfe - unabhängig davon, wie die tatsächlichen Verhältnisse sind. "Die Regierung sollte nachziehen und das ändern", so Seiler in Richtung Land Tirol. Man sollte das gesamte "Freizeitangebot durchforsten" und flexiblere, gesetzliche Regelungen finden, richtete die Geschäftsführerin einen entsprechenden Appell.
Aber nicht nur die Politik sei gefordert, auf verändertes Angebot sowie Nachfrage zu reagieren. "Es braucht auch das Verständnis der Hütten und Seilbahnen, länger offen zu lassen, etwa nach dem Sommer, im September und Oktober", erklärte Seiler. Natürliche Gegebenheiten zu respektieren, bedeute automatisch "Angebotsanpassungen und mehr Flexibilität", betonte sie. Und wies auf einen weiteren Vorteil der Veränderung hin: "Wir haben die Möglichkeit, Ganzjahresarbeitsplätze zu schaffen."
Auch in Richtung Bundesregierung machte die Tourismusmanagerin einen Vorstoß. Dieser betraf die Ferienzeiten. Sie fragte: "Kann man diese nicht verändern, entzerren. Beispielsweise statt neun Wochen im Sommer sechs Wochen. Und die restlichen drei Wochen dafür im Mai oder Juni hinzugeben." Dies hätte nicht nur positive Effekte im Sinne des Ganzjahrestourismus. Sondern auch für viele andere Lebensbereiche. So wären auch weniger Staus die Folge, weil sich nicht das gesamte Ferien- und Urlaubsgeschehen quasi geballt auf eine bestimmte Zeit fokussiere bzw. zuspitze.
Die Tirol Werbung, die schon lange keine klassische Vermarktungsplattform mehr sei, beschäftige sich in ihren eingesetzten Teams wie "Future Lab" und "Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit" aber nicht nur mit dem Trend hin zum Ganzjahrestourismus, sondern auch mit konkreten, kurzfristig drängenden Problemstellungen. "Wir wollen ein Vermittler sein zwischen den verschiedenen Playern", meinte Seiler. Ein "großes Problem" sei das zunehmende Sterben bzw. Verschwinden von Gastronomiebetrieben in den Tourismusgebieten. "Bestehende Hotels nehmen oft keine À la carte-Gäste mehr. Traditionelle Gasthäuser finden oft keine Nachfolger", listete die Geschäftsführerin zentrale Gründe dafür auf.
Immer wieder bekomme sie dahingehend Rückmeldungen aus den Regionen. Hinzu komme der Arbeitskräftemangel - wenngleich sich etwa die Arbeitskräftesuche nach Köchen in Tirol "leicht entspannt" habe. Und wenngleich es einen Trend zu Ferienwohnungen gebe - die Gäste würden trotzdem zu einem Gutteil die jeweils lokale Gastronomie aufsuchen wollen. Bis September kommenden Jahres solle eine Projektgruppe jedenfalls "Konzeptideen" sowie "konkrete Hilfestellungen" für die Regionen aufsetzen, kündigte Seiler an. Konkret gehe es auch darum, ein Netzwerk mit den Gemeinden aufzubauen, aber auch etwa um Essenslieferungen zu Konsumenten in die Ferienwohnungen.
All diese Arbeiten würden sich aus dem viel zitierten "Neuen Tiroler Weg" im Tourismus ableiten, den das Land vorgegeben habe, wehrte sich Seiler gegen mitunter auftauchende Vorhaltungen, wonach dieser Weg nur Schall und Rauch bzw. ein reines Marketingtool sei.
Zu diesem "Neuen Tiroler Weg" gehöre auch die Forcierung der Gästeanreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. "Unser Ziel ist es, dass bis 2030 15 Prozent der Gäste mit Öffis anreisen. Das wäre eine Verdoppelung. Derzeit sind es sieben Prozent", sagte die Tirol Werbung-Chefin. Um das Ziel zu erreichen, müsse aber auch die "Infrastruktur nachziehen." Denn klar sei: "Die Züge sind voll. Zudem bräuchte es einen Ausbau der Infrastruktur." Und die Erfahrung zeige: Der Gast ist nur dann bereit, auf die Öffis umzusteigen, wenn die "Convenience passt", also die Bequemlichkeit und der Komfort. Das Gepäck müsse etwa pünktlich beim Hotel ankommen, die Ticketbuchung müsse einfach vonstatten gehen. "Wichtig wäre, dass die Gäste ein Ticket buchen können, also für alle in Anspruch genommenen Öffis bis zum Urlaubsort", so Seiler. Dies habe man bis dato noch nicht erreicht, sei aber in "so engem Austausch mit der Deutschen Bahn und der ÖBB wie kein anderes Alpenland."
Hinsichtlich der Gästemärkte zeigte sich Seiler optimistisch. "Der Individualtourismus aus China ist bereits zurück. Der Gruppentourismus kommt diesen Winter. Wir erwarten, dass es wieder so sein wird wie vor Corona. Auch die Inder sind zurück." Und was im Sommer sicher Zuwächse in Tirol zeitigen werde, sei der arabische Raum.
Im vergangenen Winter hatte Tirol hinsichtlich Ankünften und Nächtigungen noch nicht ganz das Vor-Corona-Niveau erreicht, man war aber relativ nah dran. In diesem Sommer verzeichnete man zudem die beste Saison in den vergangenen 30 Jahren. Es gehe aber nicht mehr in erster Linie um quantitatives Wachstum, betonte die Tirol Werbung-Geschäftsführerin einmal mehr. Was zähle, sei Qualität und Nachhaltigkeit.
4 Postings
"..., dass bis 2030 15 Prozent der Gäste mit Öffis anreisen. ..." Das nenn ich einmal ein abitioniertes Ziel.
Das Flugzeug ist ja auch quasi ein öffentliches Verkehrsmittel....
Wieweit Gäste aus China, welche eher selten Individualreisende sind, nach Osttirol finden wird man ja sehen.
Aus meiner Kenntnis möchte ein Tourist:in aus China immer Hotspots sehen.
Österreich - Wien 1-2 Tage, Salzburg max. 1 Tag, verbunden mit Hallstatt, Innsbruck Goldenes Dachl, dann kurz Schloß Schwanstein oder Abstecher nach Venedig. Grundsatz ist, in 1 - 2 Wochen möglichst viel Europa zu sehen
Es bräuchte auch die gesetzlichen Voraussetzungen für Camper-/Wohnmobilstellplätze - wie z. B. in Italien oder Frankreich ("Area Sosta Camper" gibt es in Tourismus-Regionen in vielen Gemeinden und auch von privat, oft auf Bauernhöfen). Die zunehmend große Gruppe der Wohnmobilreisenden ist immer mehr auch im Herbst und Frühling unterwegs (wo Campingplätze meist geschlossen haben) und brauchen legale Stellplätze - idealerweise in Nähe der Stadt-/Ortszentren oder Sehenswürdigkeiten, sodass man mit dem Rad oder zu Fuß hin kann. Toiletten und Duschen haben die Fahrzeuge selbst, für Zelte sind diese Plätze nicht gedacht. Eine Möglichkeit, Grauwasser abzulassen oder Frischwasser zu tanken bzw. ein Stromanschluss ist fein, aber nicht erforderlich. Die Tiroler Touristiker täte gut daran, sich mit diesem Thema zu befassen anstatt diese Touristen zu kriminalisieren (wie es etwa in einem schaurigen Artikel im Osttiroler Boten vor ein paar Wochen geschehen ist). Wurde bis jetzt völlig verschlafen. Auch Winter-Camping boomt...
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