Innsbrucks Politik ist im Dauerwahlkampf. Im April 2024 wird der neue Gemeinderat gewählt. 2018 gaben nur 52.000 der 130.000 Innsbrucker:innen ihre Stimme ab. Am Wochenende hat die SPÖ auf ihrem Parteitag Stadträtin Elisabeth Mayr mit überwältigender Mehrheit zur Spitzen- und Bürgermeisterkandidatin erkoren. Sie beschwört nicht nur das rote Wunder herauf, auch im Kampf um den Bürgermeister:innen-Sessel will sie ein gewichtiges Wort mitreden. Im Interview spricht sie über den respektlosen Umgang im Gemeinderat und die Pläne wie man die Wähler:innen gewinnen will.
Frau Stadträtin, der Wahlkampf in der Landeshauptstadt ist bereits in vollem Gange. Nicht Wenige sprechen davon, dass der Wahlkampf bereits mit dem Bruch der Koalition im Frühjahr 2021 begonnen hat. Wie sieht denn Ihr Fazit der letzten fünfeinhalb Jahre Gemeinderat aus?
Aus Sicht meiner Ressortverantwortung habe ich sehr viel gelernt, auch was man vielleicht anders angehen sollte, als es bisher getan wurde. Vom Kommunikationsstil im Gemeinderat und dem Umgang miteinander war leider viel weniger möglich, als Potenziale da gewesen wären. Das ist schade. Es war eine sehr konfliktgeprägte Zeit, mit wenig sachlicher Arbeit. Ich stelle auch eine Verrohung der Sprache fest. Bürgernah zu sein bedeutet nicht, dass das Niveau auf ein Stammtischlevel hinabsinkt. Sowohl von der Sitzungsführung als auch von der Wortwahl entspricht es nicht mehr dem, was es sein sollte. Es geht um einen respektvollen Umgang und Themen, die in der Stadt auftauchen. Respekt war Mangelware und da braucht es viel Arbeit, dieses Vertrauen wieder herzustellen.
Die Innsbrucker SPÖ geht mit der Ausgangslage des historisch schlechtesten Ergebnisses von 10 Prozent Stimmenanteil im Jahr 2018 in die Gemeinderatswahl im kommenden April. Das sind gerade einmal 5.472 Wähler:innen. Wie will man jetzt die Trendwende schaffen?
Wir haben ein neues Team und in den letzten vier Jahren an der Beteiligung in der Partei gearbeitet. Wir haben viele Neumitglieder bekommen und die Stadtteilorganisationen neu aufgestellt. Außerdem konnten wir Personen, die sich früher nicht mehr engagiert haben, zurückgewinnen. Der Parteitag war ein sichtbarer Höhepunkt und man sieht, dass die Partei wieder geschlossen dasteht. Wir wollen aus Innsbruck eine sozial starke Stadt machen und das Miteinander betonen. Soziale Sicherheit und Solidarität sollen keine Worthülsen sein. Wir wollen Innsbruck für den großen Teil der Innsbrucker Bevölkerung wieder zu einem guten Ort machen.
Stichwort Beteiligung: Viele Projekte sind in den vergangenen fünf Jahren nicht umgesetzt worden und wenn doch, dann standen auch Bürgerbeteiligungsprozesse im Fokus. Sollte die Bevölkerung mehr eingebunden werden, damit die Politik gar nicht an den Bürger:innen vorbei kann?
Es muss einen klaren Fahrplan geben, wo es Phasen gibt, bei denen die Wünsche der Bevölkerung aufgenommen werden. Dabei muss klar kommuniziert werden, was davon umgesetzt wird und was aus welchem Grund nicht umsetzbar ist. Das ist Demokratie im Kleinen. Auf der anderen Seite hilft ein Bürgerbeteiligungsprozess nichts, wenn es keine Aussicht auf eine Mehrheit zur Umsetzung im Gemeinderat gibt. Es muss schon auch klar sein, dass es eine breite Zustimmung braucht, um Projekte anzugehen.
In Städten und Ländern hat die SPÖ in der Vergangenheit im linken politischen Spektrum ein Vakuum hinterlassen, das Parteien wie die KPÖ ausgenutzt haben. Sie haben sich im Duell um die bundesweite SPÖ-Spitze frühzeitig zu Andreas Babler bekannt. Kann man das als aktive Flucht nach links verstehen?
Auch Doskozil macht eine sehr linke Arbeitnehmer:innenpolitik im Burgenland. Eigentlich geht es aber um etwas anderes. Babler ist Kommunalpolitiker und hat es in Traiskirchen, einer Gemeinde mit einem Erstaufnahmezentrum, geschafft, dass die FPÖ keine Rolle spielt. Trotz Schwierigkeiten gibt es dort eine breite Solidarität. Er ist bürgernah und die Menschen merken, dass er authentisch ist. Das Bekenntnis zu Menschenrechten und, dass man diese nicht in Frage stellt, sollte ein breiter Konsens sein. Ich habe das Gefühl, dass für die FPÖ unter Kickl, Ängste und Sorgen wie nützliche Haustiere sind, damit sie das in Stimmen verwerten können. Sie hegen und pflegen diese Ängste und wollen ihnen auf keinen Fall die Grundlage entziehen, indem sie soziale Sicherheit schaffen. Investition in soziale Sicherheit ist eine Investition in die Sicherheit von uns allen. Klar, unter dem Strich ist das eine Mitte-Links-Politik, aber auch eine Politik, von der die Mehrheit der Bevölkerung profitiert.
"Auch Elisabeth Blanik steht für Sachpolitik und hat die Stadtpolitik in Lienz zum Positiven verändert."
Sie wurden vergangenen Samstag mit 96 Prozent Zustimmung zur Spitzen- und Bürgermeisterkandidatin der SPÖ gewählt und haben von einem "roten Wunder" gesprochen, das Innsbruck erleben soll. Wie realistisch sehen Sie denn tatsächlich die Chance, Bürgermeisterin zu werden?
Ich sage immer und das glaube ich auch: Wenn ich es in die Stichwahl schaffe, dann ist alles möglich. Es ist jetzt schon sichtbar, dass es nicht der prognostizierte Zweikampf zwischen Georg Willi (Anm: Grüne) und Lassenberger (FPÖ) wird. Es hat sich geöffnet und daher wird es wichtig sein, dass mich und uns die Leute mit sachlicher und solidarischer Politik spüren, so wie das in Lienz Elisabeth Blanik gelungen ist. Sie steht für Sachpolitik, bringt Mehrheiten zusammen, gleicht Interessen aus und hat die Stadtpolitik in Lienz zum Positiven verändert. Ich hoffe, das gelingt auch uns.
Sie sind sehr engagiert im Bildungs- und Kinderbetreuungsbereich. Provokant gesagt, wird das alleine nicht reichen, um Bürgermeisterin zu werden. Was sind denn abseits davon Baustellen, die Sie in Innsbruck angehen würden?
Ein ganz wichtiges Thema ist die Verkehrspolitik zusammen mit dem Lebensraum. Ich bin der Meinung, dass eine breite Mehrheit in der Bevölkerung für Verkehrsberuhigung ist. Egal wo man hingeht, die Mehrheiten für eine flächendeckende Geschwindigkeitsreduktion liegen auf der Straße. Es geht aber darum, einzubinden und nicht zu polarisieren. Wir bringen auch im Klimabereich mehr weiter, wenn wir nicht mit dem erhobenen Zeigefinger arbeiten. Ich merke, wenn wir Anträge beispielsweise zum Thema Verkehrsberuhigung in Amras (Anm: Stadtteil von Innsbruck) einbringen, dass es eine breite Zustimmung gibt. Es würde also schon funktionieren, es ist aber im Moment so eine unfruchtbar geführte Debatte, dass am Ende des Tages nichts weitergeht. Das können wir uns einfach nicht mehr leisten, egal ob es um die Klimawende oder die Lebensqualität in der Stadt geht. Wir könnten da auf alle Fälle Mehrheiten schaffen.
Gibt es noch andere Themen?
Im Bereich Wohnen müssen wir dem Mitte-Rechts-Block endlich den Schlüssel aus der Hand nehmen, den sie den Investoren auf einem goldenen Kissen servieren. Der Platz in der Stadt wird weniger und daher will ich diesen Schlüssel in Sicherheit bringen. Solche Ausreden, dass solche Bauten doch eine schöne Fassade hätten oder es sich um einen renommierten Architekten handeln würde, will ich nicht mehr hören. Klar geht es um ein Miteinander und Respekt, aber es gibt eine ganz klare rote Linie wo wir gesagt haben, bei so schwindligen Dingen machen wir nicht mit.
Und in der Wirtschaftspolitik?
Wir wollen beispielsweise die kleinen Unternehmen und Betriebe fördern. Klimaförderungen, die es von Bund und Land gibt, wollen wir auch noch verstärken. Da geht es beispielsweise um die Gestaltung von Gastgärten oder die Unterstützung von Lastenrädern. Für Personen, die ein Unternehmen gründen wollen, muss es sehr viel niederschwelliger sein und Bürokratie abgebaut werden. Wir haben uns auf Antrag von Helmut Buchacher für das Konzept "sicheres Vermieten" starkgemacht. Es geht dabei neben Wohnungen auch um leerstehende Geschäftsflächen, die bereitgestellt werden, wo die Innsbrucker Immobilien Gesellschaft als Vermittlerin auftritt.
"Eine Koalition mit der FPÖ wird es mit uns sicher nicht geben."
Die Chancen auf das Bürgermeisteramt für ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky sind durch die Abspaltung von Parteikollegen, Vizebgm. Johannes Anzengruber nicht größer geworden. Glauben Sie, dass die Parteiführung, sollte Tursky nicht Bürgermeister werden, wieder von Christine Oppitz-Plörer übernommen wird.
Ich will nicht darüber spekulieren, was Personen von anderen Parteien in unterschiedlichen Fällen tun werden. Es steht fest, dass hinter Tursky, Oppitz-Plörer ist und er wenig Erfahrung in der Stadtpolitik hat. Jedem ist aber bewusst, dass, wer Tursky wählt, auch Oppitz-Plörer wählt und jeder kann sich sein eigenes Bild davon machen, was das heißt. Bisher habe ich mit Tursky noch nicht gesprochen, ich will aber in den Austausch gehen, um herauszufinden, wo seine Schwerpunkte liegen und wie er die Stadt sieht. Das Gespräch muss man mit allen suchen. Was ich jetzt schon sagen kann ist, dass es eine Koalition mit der FPÖ mit uns sicher nicht geben wird.
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