Gibt es schützenswerte Pflanzenpopulationen in einem Gebiet? Kommen dort seltene, geschützte oder gar vom Aussterben bedrohte Pflanzen vor? Jedes Jahr gibt es in Tirol rund 1.300 Naturschutzverfahren. Diese reichen von der Genehmigung von Bauprojekten über abfallwirtschaftliche Verfahren bis hin zur Ausweisung von neuen Schutzgebieten.
Ein wesentlicher Teil der Prüfung ist aus naturschutzrechtlicher Sicht dabei meist die Beurteilung der Vegetation vor Ort. Für diese Beurteilung durch Expert:innen kann nun die neu erschienene „Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen Nord- und Osttirols“ herangezogen werden, die am 16. September im Rahmen eines Medientermins im Botanischen Garten in Innsbruck vorgestellt wurde. Die erste und bisher einzige „Rote Liste der Gefäßpflanzen“ für Tirol stammt aus dem Jahr 1997 und wurde zwischenzeitlich nur geringfügig adaptiert. Eine Neuauflage war daher dringend notwendig. Seit 2014 haben führende Botaniker:innen in Tirol und Österreich an der Aktualisierung der Datensätze gearbeitet.
Im Gegensatz zur alten Publikation enthält die neue Liste nicht nur gefährdete Arten, sondern bietet einen gesamthaften Überblick über alle in Tirol verbreiteten Farn- und Blütenpflanzen, deren Verbreitung und Gefährdungsstatus. Von A wie Abies alba (Weißtanne) bis Z wie Ziziphora acinos (Gewöhnlicher Steinquendel) wird auf 300 Seiten das Vorkommen, die Bestandsentwicklung und die Gefährdung von mehr als 3.000 Arten genau aufgelistet.
„Was wir heute in Händen halten ist das Resultat langjähriger Arbeit von zahlreichen Expertinnen und Experten“, so der wissenschaftliche Leiter Konrad Pagitz vom Institut für Botanik der Universität Innsbruck. Bis zur Fertigstellung des nun vorliegenden Datenkatalogs waren umfangreiche Vorarbeiten notwendig. Bestehendes Wissen aus der Naturwissenschaftlichen Sammlung der Tiroler Landesmuseen, dem Institut für Botanik und aus der floristischen Kartierung Mitteleuropas in Wien wurden nach einem einheitlichen Schema aufbereitet und in der Datenbank der Tiroler Landesmuseen zusammengeführt.
Auch privat gesammelte Informationen, insbesondere aus Osttirol, flossen in die Datenbank ein. Im nächsten Schritt wurde erhoben, zu welchen Pflanzen Informationen fehlen, welche als extrem selten gelten oder schon lange nicht mehr gesichtet wurden. Vier Jahre lang wurde in ganz Tirol eine „Nachsuche“ für hunderte Pflanzenarten in geeigneten Lebensräumen durchgeführt.
„Die Floren von Nordtirol und Osttirol unterscheiden sich stark – deshalb werden auch in der Roten Liste entsprechend beide Regionen getrennt aufgeführt“, erklärt Pagitz. Über 3.000 Arten umfasst die neue Datenbank nun und diese wurden nach internationalen Standards, den IUCN-Kriterien (International Union for Conservation of Nature), ausgewertet. „Kriterien sind etwa die Entwicklung und Verteilung von Pflanzen und die Gefährdung ihres Lebensraumes – daraus ergibt sich die Aussterbewahrscheinlichkeit in einem bestimmten Zeitraum“, erläutert Pagitz.
Walter Michaeler von der Abteilung Umweltschutz des Landes Tirol erklärt die Bedeutung für naturschutzrechtliche Verfahren: „Für Bewilligungsverfahren ist die neue Rote Liste ein Meilenstein. Bisher wurde neben dem Werk von 1997 vor allem die österreichweite Rote Liste für Pflanzen zu Rate gezogen. Und auch das Wissen von einzelnen Expertinnen und Experten in der jeweiligen Region floss entsprechend in Entscheidungen ein. Nun haben wir ein aktuelles Gesamtwerk für ganz Tirol.“
Kennzahlen Nordtirol:
Heimische Arten: 1952
Neophyten: 865
Gefährdete Arten: 438
Ausgestorbene Arten: 64
Kennzahlen Osttirol:
Heimische Arten: 1655
Neophyten: 623
Gefährdete Arten: 300
Ausgestorbene Arten: 73
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