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Martin Stuchtey: „Es ist zu spät, um Pessimist zu sein“

Ein Podcast-Gespräch über endende Ressourcen und eine neue Sicht auf das Naturkapital unseres Planeten. 

„Ich glaube, es würde uns als Gesellschaft gut tun, mit Optimismus in die Zukunft zu schauen. Im Augenblick sind wir irgendwo verortet zwischen Pessimismus und Nihilismus. Die großen, quälenden Fragen drücken uns so, dass wir ihnen aus dem Weg gehen und uns auf das Kleine werfen. Ich glaube, wir sollten überzeugte und widerborstige Optimisten sein.“

Diese Passage aus meinem Gespräch mit Martin Stuchtey fasst gut zusammen, warum der deutsche Unternehmer, Autor, Wissenschaftler und hochkarätige Berater zu den aktuell spannendsten Persönlichkeiten mit direktem Bezug zu Osttirol zählt. 

Martin Stuchtey ist Universitätsprofessor für Ressourcenmanagement, Sachbuchautor, global agierender Berater und CEO der Landbanking Group. Foto: privat

Martin Stuchtey ist hochkarätiger Experte in Sachen Kreislaufwirtschaft, er berät Konzerne und Regierungen und verfasste vor einigen Jahren gemeinsam mit Per Anders Enkvist und Klaus Zumwinkel ein viel beachtetes Sachbuch mit dem Titel „A Good Disruption – Redefining Growth in the Twenty-First Century“. 

Kurz nach dem Erscheinen des Buches im Jahr 2016 traf ich Martin zum ersten Mal. Er und seine Frau Sonja, sie ist ebenfalls Unternehmensberaterin und Autorin naturwissenschaftlicher Jugendbücher, bewohnen gemeinsam mit ihren sechs Kindern den Kollreiderhof in Anras, den das Ehepaar neben einem Wohnsitz am Starnberger See als zweite Heimat für die Großfamilie entdeckte. 

Die großen, quälenden Fragen drücken uns so, dass wir ihnen aus dem Weg gehen und uns auf das Kleine werfen.

Martin Stuchtey, Unternehmer und Professor für Ressourcenmanagement

Stuchteys Grundthese schon damals: Unser Wirtschaftswachstum wird falsch gemessen, nämlich unter weitgehender Vernachlässigung des gigantischen Ressourcenverbrauchs, mit dem dieses Wachstum bezahlt wird. Die Natur wird falsch eingewertet und mit rasender Geschwindigkeit verbraucht. Geht diese Entwicklung ungebremst weiter, brechen ausgerechnet jene Wirtschaftszweige in sich zusammen, die für den Wohlstand mitverantwortlich sind.

An dieser Einschätzung hat sich auch sieben Jahre nach unserer ersten Begegnung nichts geändert, das wird im Podcast-Gespräch schnell klar. Im Gegenteil. Die „Good Disruption“ kommt nicht schnell genug in die Gänge, das kritisiert der an der Uni Innsbruck lehrende Professor für Ressourcenmanagement und bringt auf den Punkt, wo wir stehen: „Unser produziertes Kapital und Finanzkapital hat sich vermehrt, unser Humankapital hat sich vermehrt, unser Sozialkapital hat sich vermehrt, und die Tatsache, dass das jetzt über 200 Jahre seit Beginn der industriellen Revolution möglich war, ist damit zu begründen, dass wir in dieser ganzen Zeit Naturkapital verbraucht haben – und die Bank ist jetzt leer.“ 

Wie leer, das schildert Stuchtey drastisch und aufrüttelnd. In ihrer gesamten Entwicklungsgeschichte stand die Menschheit vor keiner vergleichbaren Herausforderung. Ist das Unheil, das durch Erderwärmung, Klimawandel und Artensterben mittlerweile zum Greifen nahe scheint, überhaupt noch abzuwenden? Und wenn ja, wie? Um diese Fragen dreht sich dieser Podcast, in dem Martin Stuchtey auch seine jüngste Firmengründung vorstellt: die Landbanking Group, ein Unternehmen, das Naturkapital mit einem messbaren Wert versieht. Ein neuer Anlauf, um das Ruder herumzureißen, denn: „Es ist zu spät, um Pessimist zu sein.“


Der Dolomitenstadt Podcast ist ein akustisches Magazin, das die Redaktion von dolomitenstadt.at in Lienz zusammenstellt. Das Themenspektrum ist breit und beschränkt sich nicht nur auf die Region. Wir stellen spannende Projekte vor, widmen uns den Künsten und der Kunst des Lebens, schauen in Kochtöpfe und über den Tellerrand, greifen heiße Eisen an und diskutieren die Themen unserer Zeit mit Menschen, die etwas zu sagen haben. Zu finden auch auf Spotify, bei Apple Podcasts und Google Podcasts.

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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Ein Posting

r.ingruber
vor einem Jahr

Ein Vorschlag für Dolomitenstadt: Wie wäre es, die meistgelesenen Beiträge im Ranking der letzten vier Wochen unter der Kategorie "Umwelt – Ist unsere Erde noch zu retten?" zu rubrizieren?

 
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