Zuerst der Dornauer und dann der Rest von Tirol?

Nie wieder möchte ich vierzig sein. Das ist das Alter, in dem Frauen beginnen, all jene Vorzüge, die sie vorher so anziehend an dir fanden, als Mängel zu kritisieren: Das Sechsertragerl wird dir als Bierbauch, deine Ausgewogenheit und innere Ruhe als Faulheit, dein Humor als Zynismus und die einstige Lust, gemeinsam in die Fremde zu reisen, als die Lust, allein fremdzugehen, verübelt. Daran ist schlussendlich meine Beziehung zerbrochen. „Ein harter Kampf hat dich entzweigeschla-ha-gen.“ Die Trennung von Südtirol hätte ich allerdings leichter verschmerzt als die Trennung von meiner Frau!

Mit Südtirol verbinden wir jenes Gebiet, dessen Bevölkerung, trotz ausgiebiger Bemühungen der Faschisten, nie richtig Italienisch gelernt hat. Es gibt aber auch noch den anderen Teil, in dem man nie richtig Deutsch gelernt hat. Den hatte Italien schon während des Risorgimento beansprucht, ist aber an der Habsburgertreue des ehemaligen Fürsterzbistums Trient gescheitert. „Wir müssen viele zu Italienern machen, die nur der Sprache nach italienisch sind", sagte der Tiroler Abgeordnete Cesare Battisti, der 1916 wegen Hochverrats an Österreich hingerichtet wurde.

Ein österreichischer Sportreporter hingegen, der Alberto Tomba, Federica Brignone oder Sofia Goggia, bei entsprechendem Erfolg, zu Südtiroler:innen erklärt, bleibt am Leben. Umgekehrt geht das nicht. Aus Werner Grissmann wurde während seiner gesamten Karriere kein Italiener. In Italien hat der Sport eben einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. „Fratelli d'Italia, l'Italia s' è desta!“ Immer wieder bin ich ergriffen, wenn die italienischen Fußballer vor einem Länderspiel der ganzen Welt schwören, dass sie für den Sieg auch zu sterben bereit sind: „Stringiàmci a coòrte, siam pronti alla morte...“ Letztens war die italienische Nationalmannschaft allerdings bereits vor der Weltmeisterschaft tot.

Jetzt gibt es auch einen Österreicher, der für Italien sein Leben aufs Spiel setzt. Sein Berufsleben zumindest. Vor Kurzem hat die Trentiner Parlamentsabgeordnete Alessia Ambrosi ihre Liebe zum Tiroler Vizelandeshauptmann Georg Dornauer publik gemacht. Dornauer ist vierzig und hinsichtlich der oben beschriebenen Symptome, die dieses Alter so mit sich bringt, eine absolute Ausnahmeerscheinung. Bis vor wenigen Jahren hat er sich eine Frau ausschließlich senkrecht, Habt-Acht vor sich stehend vorzustellen vermocht. Und jetzt liegt ihm eine zu Füßen, noch dazu eine Schönheit! Kein Wunder, dass die beiden nun auch die Unkenrufe der Neider vernehmen.

Nicht nur die Sprache und die Nation, auch die gegensätzlichen politischen Bekenntnisse seien mit einer derartigen Liaison nicht verträglich. Menschen, die sich allen ideologischen Schranken und Interessenkonflikten zum Trotz ineinander verliebten, hat es auf der weltpolitischen Bühne aber schon immer gegeben: Cleopatra und Julius Cäsar, Gust Wöginger und Sigi Maurer, Andreas Köll und Elisabeth Blanik. Dabei sind Dornauer und Ambrosi entschlossen, das Einende über das Trennende zu stellen: Sprachlich hat man sich auf Englisch verständigt, und in Fragen der Migrations- und Asylpolitik passt zwischen die beiden kein Blatt. 

Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen! Anton Mattle ist jedenfalls froh, dass er nach mehr als einem Jahrhundert wieder einen Fuß in die abgetrennte Region setzen darf. Seinen linken Fuß. Oder die rechte Hand. In Verbindung mit Georg Dornauer bekommt der Begriff „rechte Hand“ eine ganz neue Bedeutung.

Es könnte aber auch sein, dass Italien gerade dabei ist, sich auch den Rest von Tirol einzuverleiben. „Fratelli d'Italia“ ist der Anfang der italienischen Hymne und möglicherweise das Ende Tirols. Noch weiß man es nicht so genau.