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„Volles Risiko“: Anna Felnhofer liest beim Bachmann-Preis

Die Wissenschafterin und Klinische Psychologin übersetzt diagnostische Verfahren in poetische Sprache.

Anna Felnhofer war schon Anfang Juni in Klagenfurt. Nicht, um im ORF-Theater das Terrain für ihre Teilnahme am Bachmann-Preis zu sondieren, sondern um an der Alpen-Adria-Universität auf der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu sprechen. "Conquer Catharsis: Evaluation eines virtuellen Realitäts-Biofeedbacks für Kinder und Jugendliche" lautete ihr Vortrag. Felnhofer ist Wissenschafterin, Klinische Psychologin - und Autorin.

Über eine Studienassistenz sei sie "eigentlich zufällig in die Forschung gekommen", erzählt die 1984 geborene Wienerin, die in Wien und Warschau Psychologie studiert hat, im Gespräch mit der APA. Schon ehe die ersten erschwinglichen VR-Brillen auf den Markt kamen, beschäftigte sie sich mit den Auswirkungen virtueller Realitäten auf Jugendliche - ein Thema, das durch die Corona-Lockdowns noch mehr an Aktualität gewonnen hat. Sie gründete und leitet ein VR-Labor und die wissenschaftliche Zeitschrift "Digital Psychology".

Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit veröffentlichte sie Texte in Literaturzeitschriften. "Ich habe schon als Kind geschrieben und immer davon geträumt, vielleicht einmal ein Buch zu schreiben." 2021 war es soweit: Ihr Debütroman "Schnittbild" erschien, stand beim Österreichischen Buchpreis auf der Shortlist für den Debütpreis und wurde mit dem Franz-Tumler-Literaturpreis ausgezeichnet. In ihrem Buch "werden diagnostische Verfahren in eine poetische Sprache übersetzt", befand Daniela Strigl in ihrer Laudatio. "Auf der Suche nach einer Wirklichkeit, die nie als eindeutige zu haben ist, beschreibt der Roman ohne zu urteilen und verbindet auf faszinierende Weise Analyse und Verständnis für Lebensläufe, die aus der Spur geraten sind."

Die Forscherin Anna Felnhofer erhielt viel Applaus für ihren Debütroman und steigt nun beim Bachmann-Preis in den Ring. Foto: APA

In den vier Episoden des Buches wurde mehr als deutlich, dass die Autorin Ausbildung und einige Erfahrung als klinische Psychologin hat - für Felnhofer ein ganz natürlicher Vorgang: "Natürlich greife ich Dinge aus meinem beruflichen Alltag auf." Außerdem hätten ihr Forschungsbereich und das literarische Schreiben viel miteinander zu tun: "Auch ein Buch zu lesen schafft ein Erlebnis der Inversion und ermöglicht einen Perspektivenwechsel, das Schlüpfen in eine Rolle." Ähnlich gingen etwa auch therapeutische Spiele vor, sagt sie.

Ingeborg Bachmann hat sie früher "sehr intensiv gelesen und rezipiert" und empfindet es als Ehre, nun um einen Preis mit dem Namen dieser Autorin antreten zu dürfen. Für ihre Teilnahme hat sie einen Text über "ein komplett anderes Thema" als bei "Schnittbild" geschrieben und "volles Risiko" genommen: Sie schickte das Manuskript an eine einzige Jurorin, nämlich an Brigitte Schwens-Harrant - und wurde von ihr eingeladen.

Persönlich war sie noch nie vor Ort, hat aber immer wieder die dort vorgestellten Texte gelesen und die Übertragungen auf 3sat verfolgt. Aus dem Archiv kennt sie jene Momente, die Geschichte schrieben - etwa den Rasierklingen-Schnitt von Rainald Goetz (1983) oder die vernichtende Kritik von Marcel Reich-Ranicki an Jörg Fauser im Jahr darauf. Auch Diskussionen der (heuer an zwei Positionen veränderten) jetzigen Jury hat sie sich zur Vorbereitung auf ihren eigenen Auftritt angesehen. "Ich hoffe, dass ich mit der Situation umgehen kann." Andererseits stehe man auch in der Wissenschaft ständig auf dem Prüfstand, wenn man etwa Veröffentlichungen zur Publikation einreiche oder seine Arbeit bei Kongressen zur Diskussion stelle.

Es gehe ihr bei ihrem Antreten "um Sichtbarkeit, um eine Chance, Kontakte zu knüpfen, dazuzulernen, weiterzukommen", meint die Autorin. Sie freue sich auf die Begegnungen, die Atmosphäre und darauf, sich einige Tage lang nur auf Literatur konzentrieren zu können - etwas, was in ihrem üblichen Alltag erst erkämpft werden muss. Wann das nächste Felnhofer-Buch erscheinen wird, ist daher noch ungewiss. Nur soviel: Es ist bereits am Entstehen.


Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA

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