„Ich muss erst noch schauen, wie ich das mit der Bezahlung organisiere“, meint die Mutter einer Schülerin zur Nachhilfelehrerin, als diese zur Familie nach Hause kommt, um das Volksschulkind in Deutsch und Mathematik zu unterstützen.
Auf Grund ihrer begrenzten Deutschkenntnisse schaffe sie es nicht, ihren Kindern in schulischen Belangen entsprechend weiterzuhelfen, sie wisse aber, wie wichtig Bildung für die Zukunft ihrer beiden Töchter sei, erklärt die Mutter.
Dass Bildungschancen in Österreich in einem hohen Maße vom sozioökonomischen Hintergrund der Kinder abhängen, ist kein Geheimnis, das Leisten oder Nicht-leisten-Können bezahlter Nachhilfe ist nur ein Aspekt, bei welchem die Auswirkungen sichtbar werden.
Bedarf an Nachhilfe beläuft sich auf 23.000 Schüler:innen
Vor dem Hintergrund der Inflation streicht die Arbeiterkammer Österreich nun hervor, dass die steigenden Kosten auch die Ausbildung der Kinder betreffen: Beliefen sich die durchschnittlichen Gesamtausgaben für Nachhilfe im Jahr 2021 in Tirol noch auf 590 Euro sind es 2022 680 Euro. Unter Berücksichtigung der Schwankungsbreite schätzt man, dass in Tirol insgesamt zwischen 4,9 und 8,3 Milliarden Euro für Nachhilfestunden ausgegeben werden.
Die AK erfasst seit mehreren Jahren die Häufigkeit der Inanspruchnahme von Nachhilfe und den finanziellen Aufwand, der dafür aufgebracht werden muss, im Rahmen von repräsentativen Studien, bei welchen Eltern bzw. Erziehungsberechtigte von Schulkindern (1. bis 13. Schulstufe) befragt werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass fast jede:r vierte Schüler:in im laufenden Schuljahr 2022/23 bzw. im vergangenen Sommer 2022 externe Nachhilfe in Anspruch genommen hat – bezahlt oder unbezahlt durch andere Personen als die Erziehungsberechtigten.
Den größten Teil machen Schüler:innen von Mittelschulen sowie weiterführenden Schulen (AHS und BHS) aus: Jede:r dritte Schüler:in in diesem Alter nimmt bezahlte oder kostenlose Nachhilfestunden. Externe Lernunterstützung wird jedoch auch schon in der Volksschule in Anspruch genommen, der Anteil macht hier zehn Prozent der Kinder aus.
Insgesamt zwölf Prozent aller Schüler:innen haben das Angebot einer bezahlten Nachhilfe genutzt, hier verzeichnet die Studie der Arbeiterkammer im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von vier Prozentpunkten. In so gut wie allen Fällen handelte es ich dabei um eine konventionelle Nachhilfe (durch Student:innen oder Lehrpersonen bzw. an Instituten, die Lernbegleitung anbieten). Kostenpflichtige Online-Nachhilfe wird selten in Anspruch genommen.
Die Hälfte der Befragten gibt an, durch die Nachhilfe finanziell spürbar oder sogar stark belastet zu sein. In Bezug auf die finanziellen Möglichkeiten zeigt sich jedoch, anders als im Vorjahr, dass das Haushaltseinkommen weniger entscheidend für die Inanspruchnahme einer bezahlten Nachhilfe ist. Diese wird zwar eher mit steigendem Haushaltseinkommen nachgefragt, die Quoten insgesamt (alle Formen der Nachhilfe) sind hingegen zwischen den verschiedenen Einkommensstufen sehr ähnlich.
Die Studie zeigt jedoch auch auf, dass der Bedarf an bezahlter Nachhilfe noch deutlich höher wäre: Die Eltern von rund 13.000 Schüler:innen hätten sich Nachhilfestunden bzw. noch mehr Nachhilfe für ihr Kind gewünscht. Bei 45 Prozent dieser Schüler:innen war dies auf Grund der finanziellen Lage der Familie nicht möglich, in vier von zehn Fällen wurde kein fachlich geeignetes Personal gefunden.
Berücksichtigt man sowohl die in Anspruch genommene Nachhilfe, als auch jene Schüler:innen, für welche sich die Eltern bezahlte Nachhilfe gewünscht hätten, beläuft sich der Gesamtbedarf an Nachhilfe auf 28 Prozent aller Schüler:innen – das sind in Tirol 23.000 Kinder und Jugendliche. Im Vorjahr war der Anteil mit 32 Prozent noch etwas höher.
Gründe, Nachhilfe in Anspruch zu nehmen, gibt es mehrere: Die Hälfte jener Schüler:innen, die Nachhilfe in Anspruch nehmen, tun es, um Noten zu verbessern, ein Drittel um eine negative Note im Zeugnis zu verhindern bzw. einer Nachprüfung zu entgehen.
Indes geben rund ein Drittel der Eltern an, fachlich mehr oder weniger überfordert zu sein, wenn es darum geht, ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. 75 Prozent der Eltern führen die zeitliche Belastung als Grund an, ihre Kinder nicht entsprechend unterstützen zu können, mehr als die Hälfte schildert, dass es bei der Unterstützung zu Konflikten und Ärgernissen komme.
AK fordert mehr Personal und Entlastungspaket
Um den Bedarf an Nachhilfe zu reduzieren und damit Familien mit Schulkindern finanziell zu entlasten, fordert die Arbeiterkammer eine Personaloffensive, damit mit ausreichend Lehrenden ein zeitgemäßes Unterrichten möglich ist. In den Schulen sollte außerdem ausreichend Zeit zum Üben zur Verfügung stehen, damit die Lerninhalte nicht zu Hause wiederholt werden müssen.
Des weiteren schwebt der AK ein Budget für Schulmaterialien vor, das Lehrpersonen unbürokratisch verwenden können, um Schüler:innen mit allen notwendigen Materialien auszustatten und die Familien zu entlasten. Zudem sollten Arbeitslosengeld und Sozialhilfe angehoben und Unterstützungsangebote wie Ferien- und Lerncamps ausgeweitet werden.
Kostenlose Nachhilfe-Angebote
Für die eingangs beschriebene Familie wurde gemeinsam mit der Nachhilfe-Lehrerin eine Lösung gefunden, wie die Lernzeit durch Zuschüsse abgegolten werden kann. Auch von Seiten der AK gibt es seit mehreren Jahren eine kostenlose Lernbegleitung während des Schuljahres und auch während der Sommerferien können Lernangebote im Rahmen der Sommerschule Plus von der AK und dem Land Tirol kostenlos genutzt werden.
Seit der Pandemie gibt es außerdem eine vom Bund finanzierte Lernhilfe, weitere Informationen gibt es auf www.weiterlernen.at.
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