49 Prozent der Tiere in Kärnten haben eine erhöhte Aussterbewahrscheinlichkeit. Das zeigt die Rote Liste der gefährdeten Arten im südlichsten Bundesland, die am 25. Mai präsentiert wird. Besonders in Gefahr seien laut den Experten Endemiten, also jene Tiere, die ausschließlich in Kärnten vorkommen. Doch der Verlust der Artenvielfalt ist auch auf globaler Ebene ein wachsendes Problem. In den nächsten Jahrzehnten könnte eine Million Arten von der Erde verschwinden.
"An dem Buch mit über 1.000 Seiten haben 78 Autoren drei Jahre lang gearbeitet", sagt Christian Komposch vom Ökoteam, dem Institut für Tierökologie und Naturraumplanung, der die Arbeit an der Roten Liste der gefährdeten Tierarten in Kärnten koordiniert hat. So ein Werk sei nur möglich, wenn Wissenschafter zuvor intensiv über Jahrzehnte an den Themen gearbeitet hätten, verdeutlicht Komposch die Komplexität von dessen Erstellung. Insgesamt wurden 8.468 Tierarten aufgelistet, 4.179 davon gelten als Spezies mit erhöhtem Aussterberisiko. Darunter befinden sich vier Prozent Wirbeltiere, der Rest sind Weichtiere, Spinnentiere, Krebstiere oder Insekten. "Die meisten Tiere beachtet man nicht. Wir haben überhaupt keine Idee davon, was rund um uns herum lebt", so der Biologe Komposch.
Auch wenn diese Tiere sehr klein seien, so hätte jedes einzelne seine Aufgabe auf diesem Planeten. So auch die rund 45.000 Spinnenarten, denn gäbe es diese nicht, wären wir von einer Unzahl an Insekten genervt. Die von vielen Menschen weniger geliebten Tierchen fressen rund um den Globus 400 bis 800 Millionen Tonnen Beutetiere im Jahr, wie Martin Nyffeler von der Uni Basel und sein Kollege Klaus Birkhofer von der Uni Gießen herausgefunden haben. Zum Vergleich, der weltweite jährliche Fleischkonsum des Menschen liegt bei rund 400 Millionen Tonnen.
Das Artensterben ist natürlich nicht nur auf Kärnten beschränkt. 83 Prozent der Arten und 79 Prozent der Lebensräume in Österreich sind laut einem Bericht der European Environment Agency (EEA) in einem mangelhaften bis schlechtem Zustand. Dabei wären intakte Ökosysteme wichtige Verbündete bei der Bewältigung der Klimakrise. "Ein Ökosystem ist dann widerstandsfähig, wenn es möglichst auf einer breiten Basis agieren kann. Ein gesundes Ökosystem basiert darauf, dass wir eine Fülle an Arten haben. Je dünner die Basis wird, umso labiler wird das System", erklärt Komposch und verdeutlichte die Lage: "Irgendwann kippt dieses System, das ist wie bei dem Spiel Jenga. Im Kippen kann ich es nicht mehr abfangen, doch erst dann beginnen wir, zu begreifen was los ist. Daher sind die Roten Listen wichtig, um ein Bewusstsein für den Ernst der Lage zu schaffen."
Darum geht es auch in der Sonderausstellung zum Artensterben, die noch bis Oktober im Landesmuseum in Klagenfurt zu sehen sein wird und bei der auch die Naturschutzabteilung des Landes mitgearbeitet hat. Werner Petutschnig von der Abteilung Umwelt, Energie und Naturschutz betont die Bedeutung der Endemiten. Dabei handelt es sich um 369 Tierarten, die weltweit nur in Kärnten vorkommen. Die Gefältelte Schließmundschnecke zum Beispiel komme ausschließlich auf der Koralm vor, so wie viele andere Laufkäfer- und Spinnenarten. Die Koralm sei ein Hotspot für Endemiten, was wiederum laut seinem Kollegen Komposch ein kritisches Licht auf die Errichtung der Windkraftanlagen in diesem Gebiet werfe.
Weltweit sieht die Lage ebenfalls ernst aus. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES hat im Mai 2019 einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge innerhalb der nächste Jahrzehnte etwa eine Million Tier-, Pflanzen-, Pilz- und sonstige Arten aussterben könnten. Michael Kiehn, Tropenbiologe an der Universität Wien sieht diesen Anstieg der Aussterberate kritisch. "Zwar ist Aussterben ein normales Phänomen von Evolution, denn ohne Aussterben wäre die Erde von Arten überbevölkert", stellt Kiehn klar und fügt an: "Doch die Geschwindigkeit, in der dies jetzt passiert, bringt sehr viele Arten in eine Gefährdung". Als Beispiel nennt Kiehn Pflanzenarten, die sich im Gebirge um die Gipfelregionen etabliert haben. Mit den steigenden Temperaturen wandern Pflanzen aus tiefer gelegenen Regionen nach oben und verdrängen die Eingesessenen, die ihrerseits aber nicht mehr weiter nach oben wandern können und so verschwinden. Doch nicht nur die Klimaerwärmung, auch viele andere menschliche Aktivitäten, wie etwa die Versiegelung von Flächen oder eine monotone Land- und Forstwirtschaft gefährden die Artenvielfalt.
Durch die Veränderung der Lebensräume verschwinden viele Areale, über die Pflanzen oder Tiere ausweichen können. Doch es gibt Möglichkeiten, das Ausdünnen dieser Rückzugsräume einzuschränken. Kiehn empfiehlt die Renaturierung von Flächen und die Schaffung von Korridoren, die diesen Arten für Wanderungen oder als zeitweiser Lebensraum nutzen können. Daran arbeitet zum Beispiel auch das Bundesforschungszentrum für Wald. Im Projekt Trittsteinbiotope werden kleine Flächen privater Waldbesitzer außer Nutzung gestellt und sollen so dabei helfen, isolierte Lebensräume zu vernetzen.
Aber es muss nicht immer gleich ein ganzer Wald sein. "Jeder kann was tun", ist sich Petutschnig sicher. "Im eigenen Garten fängt es an. Man kann hier mit wenig Aufwand einer riesigen Anzahl von Tieren Lebensraum bieten." Die breite Palette an Möglichkeiten fange damit an, den Rasen wachsen zu lassen. Bei der Wahl der Sträucher sollten einheimische Gehölze bevorzugt werden und davon möglichst viele verschiedene. "Die Thujenhecke bringt der Artenvielfalt nichts", so der Biologe, der selbst einen Teich in seinem Garten hat, in dem zwei verschiedene Molcharten leben. Von den vielen Möglichkeiten, positive Dinge umzusetzen ist auch Kiehn überzeugt: "Alles, was wir tun können, um den Lebensraum einzelner Arten zu verbessern, ist sinnvoll, unabhängig davon ob wir das global drehen können", so der Tropenbiologe, der sich im Verein "Regenwald der Österreicher" für den Schutz des Regenwaldes in Costa Rica engagiert. Auch Komposch setzt auf die einfachen Dinge, die jeder Gartenbesitzer umsetzen könne: "Die verwilderte Ecke oder einen Totbaum belassen, selbst wenn es nur ein paar Quadratmeter sind, bringt das schon etwas." So würde schließlich das Bewusstsein in der Bevölkerung wachsen und am Ende auch die Politik dazu bewegen, die richtigen Maßnahmen zu setzen.
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Eigentlich müsste das bei allen die Alarmglocken läuten lassen, denn dann gibts keine Naturarena, keine unberührte Landschaft usw mehr. Unsere Tourismusplakate müssen also bald alle eingestampft werden.
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