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Ist der Zug abgefahren? Gailtalbahn in der Kritik

Rechnungshof hinterfragt Erhaltungs­kosten und empfiehlt Auflassung. Nun reagieren Land und Betreiber.

Im Jahr 2016 hat das Land Kärnten mit ÖBB und Bund das „Kärntenpaket“ vereinbart. Dieses sah unter anderem vor, dass die ÖBB die Eisenbahnstrecken von Hermagor bis Kötschach-Mauthen (Gailtalbahn) und von Weizelsdorf bis Rosenbach (Karawankenbahn) dauerhaft einstellt und das Land diese übernimmt. Das Übereinkommen und die Nachnutzung der Strecken wurden nun vom Landesrechnungshof geprüft. In ihrem Abschlussbericht übt die Kontrollinstanz Kritik an der Vorgehensweise des Landes.

So sei etwa die Übernahme ohne Bewertung des Erhaltungszustands und der folgenden Kosten erfolgt. Erst Ende 2017 seien drei Bewertungen vorgenommen worden, um die Kosten abzuschätzen. „Alle drei waren unvollständig und die ausgewiesenen Kosten waren teilweise zu niedrig und nicht plausibel. Insbesondere die explizit vorgesehene Nachnutzung als Anschlussbahn blieb bei allen Kostenbewertungen unberücksichtigt“, so die Kritik des Rechnungshofes.

Das Land hatte somit auch im Jänner 2018 keinen Überblick über die aus der Übernahme resultierenden Kosten. Zudem war im Jahr 2016 die Höhe des Kostenbeitrages der ÖBB im Kärntenpaket nicht festgelegt. Erst im Jahr 2018 habe die ÖBB aufgrund einer Zusatzvereinbarung einen Kostenbeitrag von 6,6 Millionen Euro zur Übernahme geleistet.

Doch auch bei der Nachnutzung ortet die Kontrollinstanz Optimierungspotential. Ebenfalls schon im Jahr 2016 gab es für die Nachnutzung beider Strecken je einen Interessenten. Geplant war neben einer touristischen Nutzung mit Draisinen auch ein Bahnbetrieb. Weitere Nachnutzungsszenarien seien vom Land nicht überprüft worden.

2018 hat das Land mit beiden Interessenten eine Nutzungsvereinbarung abgeschlossen, laut der das Land keine Investitionen in die Streckenerhaltung zu tätigen habe. Die Nutzer waren für Betrieb und Erhaltung der Bahnstrecken selbst verantwortlich, lediglich die Sicherung von Schlüsselbauwerken war davon ausgenommen.

Die Anzahl der Draisinenfahrten reichte zur Kostendeckung bei weitem nicht aus.“

Bericht des Landesrechnungshofes

„Bei beiden Eisenbahnteilstrecken gab es bisher keinen regelmäßigen Fahrbetrieb und auch keine oder eine nur geringfügige touristische Nutzung“, bemängelt der Rechnungshof. Bei der Gailtalbahn richtete der gleichnamige Verein für eine Teilstrecke einen Betrieb mit Fahrraddraisinen ein. Die Anzahl der Fahrten habe zur Kostendeckung aber „bei weitem nicht ausgereicht.“ Der Rechnungshof empfiehlt dem Land daher, „das Projekt Fahrraddraisinen zu evaluieren.“

Dagegen wehrt sich nun der Betreiber. Das Genehmigungsverfahren habe bis Juli 2020 gedauert, der Draisinenbetrieb konnte erst im August 2020 gestartet werden, beteuert der Verein „Gailtalbahn“ in einer Stellungnahme. Der Rechnungshof habe nicht berücksichtigt, „dass wegen Hochwasserschäden an der Strecke ein Draisinenbetrieb in den Jahren 2018 und 2019 nicht möglich war.“

Fahren die Gailtal-Draisinen in die Endstation ein? Das Land entscheidet über eine weitere Nachnutzung der Bahntrasse. Foto: Dolomitenstadt/Wagner

Die Hochwasserschäden führen zu einem weiteren Kritikpunkt der Prüfer:innen. Für die beiden Bahnstrecken habe das Land bis Dezember 2022 insgesamt 1,1 Millionen Euro für bauliche Erhaltungsmaßnahmen, Vegetationspflege sowie für Gutachten und Versicherungen ausgegeben. Für die Gailtalbahn tätigte das Land – laut Rechnungshof entgegen der Nutzungsvereinbarung – Erhaltungsausgaben von 467.000 Euro.

Diese Summe rechtfertigt der Verein mit der Sanierung von Hochwasserschäden, „welche nicht der Gailtalbahn angerechnet werden sollten, sondern über das Budget des Katastrophenfonds abgewickelt werden müssten.“ Wesentliche Einnahmenausfälle habe man aufgrund der Pandemie im Mai 2021 und in der Zeit von August 2020 bis Oktober 2021 erlitten, als die Draisinenfahrten wegen der anhaltenden Pandemie nur in geringem Ausmaß gebucht wurden.

Auf Anfrage von dolomitenstadt.at erklärt das Büro von Landesrat Sebastian Schuschnig, dass von den 467.000 Euro an Erhaltungsausgaben für die Gailtalbahn 372.000 Euro auf die Unwetterschäden in den Jahren 2019, 2020 und 2021 entfallen. Für die Sanierung von Eisenbahnkreuzungen, Brücken und Durchlässen wurden 2019 und 2020 insgesamt 90.000 Euro ausgegeben.

Hinzu kommen Versicherungen von rund 5.000 Euro pro Jahr. Die Unwetterschäden bezeichnet das Land als „nicht vorhersehbare Maßnahme.“ Maßnahmen zur Abwehr von Schäden an Dritten seien „unverzüglich umzusetzen. Dies ist Aufgabe des Liegenschaftseigentümers, dem Land Kärnten.“

Vereinsobmann Andreas Mühlsteiger verweist auf mehrere Gutachten, die der 30 Kilometer langen Strecke einen „guten Zustand“ attestieren würden. Der Trägerverein ortet im Gailtal zudem großes Potenzial für Güterzüge. Zehn Güterzüge pro Jahr würden 600 Lkw-Fahrten auf der B111 verhindern und dadurch 132 Tonnen CO2 einsparen.

Im Winter 2022/2023 rollten zwei Testzüge mit Schadholz aus dem Gailtal. Foto: Verein Gailtalbahn

Im vergangenen Winter wurden auf der Strecke erste Holztransporte getestet. Vom Bahnhof Kötschach-Mauthen aus werden laut Mühlsteiger „dringend notwendige Absatzmärkte für über eine Million Festmeter Schadholz aus der Region erschlossen.“ Rund 1.000 Festmeter Schadholz könne man pro Testzug auf der Schiene transportieren. Die jährlichen Investitionskosten in die Bahnstrecke beziffert der Verein mittlerweile auf rund 300.000 Euro. Demgegenüber stünden – etwa durch Güterzüge – Einsparungen im Straßenerhalt und sonstigen externen Kosten von über einer Million Euro.

„Aktuell wird ein Abschlussbericht zum Projekt geprüft. Dies stellt die Grundlage für weitere Entscheidungen dar.“

Volker Bidmon, Straßenbauleiter Kärnten

Das Land Kärnten habe dem Verein Gailtalbahn für die Zukunft „einhellige Zustimmung“ signalisiert. Darauf angesprochen, betont jedoch Volker Bidmon, Leiter der Straßenbauabteilung des Landes, dass noch keine Entscheidung über eine weitere Nachnutzung gefällt wurde: „Es liegt aktuell ein Abschlussbericht zum Projekt vor, welcher derzeit auch extern geprüft wird. Dies stellt die Grundlage für weitere Entscheidungen dar.“

Auf die Frage, warum das Land bei der Übernahme nicht weitere Nutzungsmöglichkeiten prüft, entgegnet Bidmon, dass für die regelmäßige Nutzung der Trasse die baulichen Anlagen „umfangreich und sehr kostenintensiv“ zu sanieren seien. Dies ist laut Rechnungshof vor allem bei der Karawankenbahn demnächst der Fall. Größere anstehende Investitionen, wie die Behebung von Korrosionsschäden an mehreren Brücken, habe das Land bisher nicht in Angriff genommen.

„Damit besteht ein Investitionsrückstau von mehreren Millionen Euro. Diese Erhaltungskosten ließen sich bei einer wie vom Landesrechnungshof vorgeschlagenen Auflassung gemäß Eisenbahngesetz größtenteils vermeiden“, so der Prüfbericht im Wortlaut. Die abschließende Empfehlung an das Land laute daher, „an der Entscheidung festzuhalten, dass das Land selbst keinen Bahnbetrieb durchführt oder für einen Nutzer finanzieren sollte.“

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7 Postings

Leon Wolf
vor 2 Jahren

Die Bahnstrecke Hermagor -Kötschach/Mauthen, Weizelsdorf - Rosenbach und Weizelsdorf gehören für den Güter und Personenverkehr schnellst möglich zu reaktivieren (und zu elektrifizieren). Busse werden grundsätzlich immer schlechter angenommen als Züge. Fahrzeiten werden duch Züge auch reduziert. Lästiges Umsteigen im "Nirgendwo" entfällt auch. Aber das Land Kärnten spart wohl an allen Ecken und Enden bei den Öffentlichen Verkehrsmittel. Sieht man auch an der Fehlenden Straßenbahn in Klagenfurt oder dem Takt des Stadtbus in Villach....

 
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    wolf_C
    vor 2 Jahren

    Österreich sei ein Autoland, sagte der Kanzler, und Kärnten ist das im Besonderen. Schaut schlecht aus für moderne Mobilität

     
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      Leon Wolf
      vor 2 Jahren

      Österreich ist nicht überall ein Autoland. In den meisten regionen funktioniert der ÖPNV recht gut wenn man das mal mit anderen Ländern verglicht. Hierzulande scheitert es wenn dann nur an (wenigen) Politikern.

       
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steuerzahler
vor 2 Jahren

Bahnstrecken gehören eigentlich zur ÖBB und nicht irgendeinem Verein. Die Bahn braucht Nebenstrecken als Zubringer. Nur mit ein paar wenigen lukrativen Hauptstrecken wird das nichts. Wenn die Verantwortlichen bei der Bundesbahn es nicht schaffen, auch Nebenstrecken zumindest kostendeckend zu betreiben, dann muß man sie austauschen. Ein Testzug für Schadholz, geht's noch? Gerade im Güterverkehr muß die Bahn besser werden. Offensichtlich wird dieses Feld völlig ideenlos dem LKW überlassen.

 
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    bergfex
    vor 2 Jahren

    Genauso wird es mit dem brennerbasistunnel verlaufen. deutschland baut keine Zulaufstrecken , der Tunnel wird wieder 1 Milliarde teurer , und dann wird wohl nix mehr geschehen. Als Alternative bleibt immer noch aus dem Tunnel ein Käselager zu machen.

     
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      wolf_C
      vor 2 Jahren

      Bei den Kostensteigerungen werden die Kartellstrafen wohl eingepreist sein; etwas blöderes wie diesen Tunnel haben die VerkehrsPlaner selten zsammbracht.

       
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      steuerzahler
      vor 2 Jahren

      Der BBT ist nur eine halbe Lösung, denn er hört in Innsbruck auf. Richtig wäre es, den Tunnel bis Bayern weiterzubauen, mit gleichzeitiger Reduktion des LKW Transitverkehrs. Deutschland hat genug Potential um rechtzeitig Zulaufstrecken zu bauen. Aber auch dort gibt es leider jede Menge Verhinderer, die gegen jedes Bauvorhaben eine Bürgerinitiative gründen, ob es Sinn macht oder nicht.

       
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