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Unterwegs auf der Sonnseite, wie Gott mich schuf!

Dolomitenstadt hat mich zum Bare-Plastic-Wandern inspiriert. Leider traf ich keine Gleichgesinnten. 

Dreimal im Jahr werden bei Dolomitenstadt Scherzartikel verkauft: am Faschingsdienstag, zur Versteigerung des Lienzer Adventskalenders und am 1. April. Gestern war es wieder soweit. Um Fake News von echten zu unterscheiden, habe ich mir angewöhnt, jeden Beitrag zunächst einmal so zu verstehen, als sei er wahr. Den mit dem Schlafgefühl der Villgrater Natur beispielsweise.

Als erstes habe ich mich aber in die Traueranzeigen vertieft, in der Erwartung, dort auf mein eigenes Bildnis zu stoßen. Zwillingsbruder habe ich, soviel ich weiß, keinen, und wenn, wäre dort vermutlich ein anderer Name gestanden. Jedoch war in den Traueranzeigen diesmal überhaupt kein Name zu finden. Wenn nun aber doch? Wie hätte ich dann herausfinden sollen, ob die Nachricht der Wahrheit entsprach?

Zum Glück gab es noch einen anderen Beitrag, einen, der das hüllenlose Wandern im Gebirge empfahl. „Das Erlebnis in der Natur ist viel intensiver. Ich werde ein Teil davon und nehme Eindrücke wie Wind, Sonnenstrahlen oder Regen viel stärker wahr.“ Gut, ein Teil der Natur wirst du auch, wenn du tot bist, das Wetter schert dich dann allerdings nicht mehr. Das solltest du ausprobieren, sagte ich mir und machte mich, wie Gott mich schuf, auf den Weg.

Um weiteren Irrtümern vorzubeugen: Das ist ein Symbolfoto! Foto: Unsplash

Es war in den frühen Morgenstunden, da ist in Lienz tote Hose, metaphorisch gesprochen, du weißt schon, ich hatte überhaupt keine Hose, und die scharfe Brise war das einzige, das außer mir um die Häuser zog. Wie man um diese Zeit, noch dazu an einem Samstag, einen so penibel recherchierten Artikel ins Netz stellen kann? Vor dem Dolomitenstadt-Team muss man den Hut ziehen! Aber ich hatte keinen Hut auf. Die paar Regentropfen auf meinem Kopf ließ ich als Bestätigung gelten, dass ich noch lebte.

Jetzt wurde mir auch klar, warum man sich nicht mit dem Hintern auf den nassen Asphalt kleben soll.

Da es doch noch ein wenig frisch war, peilte ich die Sonnseite an. Dort würde ich bestimmt nicht lange allein sein. „BarePlastic“-Wandern schont nämlich die Umwelt, und als aufmerksamer Dolomitenstadtleser war ich gefasst, bald auf Heerscharen von Klimaschützern zu treffen. Bei den Osttirolern rangiert der Klimaschutz an vorderster Stelle – noch vor dem Herdenschutz und dem Wolf! Apropos Wolf: Jetzt wurde mir auch klar, warum man sich nicht mit dem Hintern auf den nassen Asphalt kleben soll. Wegen des Abriebs.

Zwei Stunden später begegnete ich einer jungen Bergsteigerin, die hatte den Dolomitenstadtbeitrag offenbar immer noch nicht gelesen. Sie trug enge Hosen, dazu einen Anorak, sogar einen Helm – und alles aus Plastik. Solche Kleider sind das reinste Gift für die Umwelt, da sie synthetische Fasern enthalten, die sich nur langsam zersetzen und über die Luft bis zu den Gletschern gelangen. Auch das stand in besagtem Artikel, den sich die Dolomitenstadt-Redaktion gewiss nicht selbst ausgedacht hat. Aber wenn es ums Klima geht, lässt die junge Generation jeden Anstand vermissen. 

Mein strenger Blick taxierte die Dame von oben bis unten. Jetzt schien sie sich doch ein bisschen zu schämen. Ob sie ihre Funktionsklamotten nicht besser ablegen wollte, versuchte ich sie zu überreden, mein Adamskostüm hätte schließlich auch eine Funktion. „Das funktioniert bei mir nicht!“ gab sie entrüstet zurück. Dann machte sie kehrt, nicht ohne einen klimaschädlichen Abrieb ihrer Schuhsohlen zu hinterlassen.

Kopfschüttelnd machte ich mich auf den Heimweg. Ich war müde geworden und ein wenig desillusioniert, doch war mir jetzt wenigstens bewusst, warum mein individuelles Schlafsystem auf präzise Handarbeit bauen sollte. Aus Villgraten! „Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit“, sprach Zarathustra.

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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