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Es gibt nur eine Handvoll Experten, die sich mit dem Permafrost in Gebirgen beschäftigen. Fotos: Permasense Project/UIBK/Jan Beutel

Es gibt nur eine Handvoll Experten, die sich mit dem Permafrost in Gebirgen beschäftigen. Fotos: Permasense Project/UIBK/Jan Beutel

Permafrost in den Alpen: „Eingeheizt ist schon!“

Es taut im Gebirge und das mit gravierenden Folgen. Forscher und Bergführer Jan Beutel im Gespräch.

Herr Beutel, laut Schätzungen sind rund zwei Prozent der Staatsfläche Permafrost. Was wissen wir noch nicht über ihn?

Wir wissen sehr wenig. Es beginnt mit der Frage: Wo ist Permafrost? Wir können ihn nur indirekt über Langzeit-Temperaturmessungen im Untergrund feststellen. Diese passieren nicht flächendeckend. Es gibt Verteilungskarten, die aber auf Wahrscheinlichkeiten basieren. Hier gibt es viel Ungewissheit. Historisch waren wir dem Phänomen Permafrost wenig ausgesetzt. Er liegt hoch oben und weit draußen, meist zudem auf der Nordseite. Das älteste Bohrloch für Gebirgspermafrost ist am Corvatsch im Schweizer Engadin. Es liefert seit über dreißig Jahren Daten. Wir wissen über den Permafrost in Polarregionen mehr als über jenen in den Gebirgen. Diese Gebiete waren und sind strategisch relevanter und es gibt dort Bodenschätze. Da geht es um Raketenbasen und die Umsätze von Esso, Shell und Gazprom.

Es gibt nur eine Handvoll Experten, die sich mit dem Permafrost in Gebirgen beschäftigen. In der Schweiz sind es um die 20, in Österreich weniger. Auch mit Messstellen und -netzwerken ist Österreich sehr weit hinten. Es gibt nur zwei staatlich gemanagte Messstellen im gesamten Land. Das hatte man in der Vergangenheit nicht im Blick. Auch der Wasserhaushalt ist im Detail sehr wenig erforscht. Die Frage des Wasserkreislaufes über den Jahresverlauf und die Dekaden ist der Schlüssel zum Verständnis des Permafrostes – und zur Projektion wie er sich weiterentwickelt und welche Risiken sich daraus ergeben.

Permafrost-Forscher müssen auch gute Bergsteiger sein.
Um die Bewegung im Fels zu messen werden drahtlose Sensor-Netzwerke angebracht.

Was geschieht aktuell im heimischen Permafrost?

Extremwetterlagen nehmen zu. Es ist einmal zu trocken und dann gibt es zunehmend Starkregenereignisse. Dazu kommt eine Erwärmung. Das bedeutet, dass Eis, gefrorener Boden und Schnee auftauen. Das hat extreme Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. Auch im Permafrostboden ist Wasser enthalten. Dadurch ändert sich nicht nur der Aggregatzustand. Das gefrorene Material wird „glibberig“, etwa so, wie wenn man den Kühlschrank abtaut. Es wird sich saisonal immer mehr verflüssigen und dann anders auf Reize von Temperatur und Feuchtigkeit reagieren als im gefrorenen Zustand. Der Zusammenhalt und die Reibung ändern sich. Ein komplett gefrorener Körper ist wasserundurchlässig. Ist etwa der Fels um einen Gletscher sehr warm und kommt dazu noch warmer Niederschlag, dann erwärmt sich dieser und flüssiges Wasser fließt in den gefrorenen Untergrund. So taut der Permafrost und der Gletscher noch mehr von innen und Wasserdruck baut sich auf.

Welche Gefahren ergeben sich dadurch?

Wenn es die Gegebenheiten zulassen kann das zu Felssturz oder Murenabgängen kommen. Dazu kommt: im steilen Gelände fehlt immer mehr die Eisbedeckung. In Österreich sind die steilen Eis-Nordwände fast ganz weg. Dort sind mehr Felssturzaktivitäten zu erwarten. Wenn Felspartien oder Sedimentpartien über einem Gletscher abbrechen, fällt das Material auf das Eis. Dieses schmilzt dann durch die Energie des Aufpralls. Das kann zu einer Naturgefahren-Kaskade führen. So etwas ist im Jahr 2017 passiert. Damals sind an der Nordflanke des Piz Cengalo im Schweizer Kanton Graubünden rund drei Millionen Kubikmeter Gestein abgegangen. Solche Kaskadeneffekte sehen wir auch in außereuropäischen Gebirgsregionen, wo ihre Folgen bis zu 50 Kilometer das Tal hinunter merkbar sind. Das wäre die Entfernung vom Großglockner nach Zell am See. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis so etwas nicht mehr in den Anden oder im Karakorum passiert, sondern auch in den Alpen.

Wie schätzen Sie die aktuelle Gefahrenlage in Österreich ein?

Es gibt eine gute Nachricht: So große und so akute Gefährdungslagen wie sie derzeit in der Schweiz bestehen, haben wir in Österreich nicht gefunden. Dort sind Siedlungsräume akut bedroht. Es gibt etwa die Gemeinde Kandersteg im Berner Oberland, die akut gefährdet ist. Dort hat jede Familie einen Evakuationsplan in der Tasche. Solche Szenarien sind hier nicht bekannt. Das kann ich über die Bereiche, die in staatlicher Obhut liegen, sagen. Es gibt auch Bereiche wie Gletscherskigebiete die privatwirtschaftlich betrieben werden. Da ist es schwerer an Informationen zu kommen. In den Ostalpen ist der Rückgang der Kryosphäre schon sehr viel weiter fortgeschritten als in den Westalpen. Das passiert analog zum Rückgang der Gletscher. Hier sehen wir, was den Westalpen in mehreren Jahrzehnten blüht.

Wenn wir unsere Emissionen nicht drastisch reduzieren, was bedeutet das für die Zukunft?

Die Wärme, die bereits im Boden ist, ist schon unterwegs. Das ist wie ein Kachelofen. Eingeheizt ist es schon. Wir sehen das erst in ein paar Jahren in unseren Messdaten. Dass ich in meiner Berufskarriere eine Änderung des Trends erlebe, dazu müsste sich heute schon etwas ändern. Wir werden erleben, dass alpine Infrastruktur in Zukunft rückgebaut oder aufgegeben wird. Auch um uns darauf vorzubereiten, müssen wir ein Forschungsnetzwerk aufbauen. Und dazu braucht es eine bessere Finanzierung von staatlicher Seite und eine gewisse Priorisierung von politischer Seite.

Laura Anninger (27) ist freie Journalistin. Sie arbeitet zu den Themengebieten Umwelt, Ökosysteme und Landwirtschaft sowie darüber, wie diese durch die Klimakrise beeinflusst werden. Laura Anninger lebt in Salzburg.

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7 Postings

e-mission
vor 2 Jahren

als volksschüler sind wir anfang der 60-er jahre in der früh um sechs über die raine regen beten gegangen. wie jetzt die franzosen.

 
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so ist es vielleicht
vor 2 Jahren

In ein paar Jahrzehnten wird sowieso alles anders sein, nur wollen das viele nicht sehen oder gar glauben. Wenn es heute noch Parteien (wie die FPÖ) gibt, die den Klimawandel für ein Hirngespinst halten, dann sieht man, wo es hingehen könnte. Denn nicht ohne Grund werden solche Parteien gewählt, die Probleme einfach negieren oder wegschieben. Doch das mag bei Corona und Flüchtlingen funktioniert haben/funktionieren, doch das Klima wird auch diesen ewig Gestrigen zeigen, wer stärker ist. Der Mensch sicher nicht!!!!

 
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    F_Z
    vor 2 Jahren

    warte noch ein paar Jahre, dann werden diese "Verschieber" Geoengineering als die Lösung propagieren - weil der Mensch zeigen muss das er stärker ist 😖

     
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      iwases@
      vor 2 Jahren

      Träumen Sie weiter ("warte noch ein paar Jahre ...") - Geoengineering passiert schon längst, nur gibt es keiner offen zu.

       
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      wolf_C
      vor 2 Jahren

      bei uns in Lienz heißen die Geoingenieure 'Baumpaten' und die Lienzer Unverantwortlichen halten noch die Hand auf dafür

       
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    defregger
    vor 2 Jahren

    Frage mich ernsthaft, welch Geistes KInd man sein muss um "so ist es vllt".: nicht zuzustimmen....

    Es ist bereits 5 nach 12, weltweit! Die Folgen eine noch NIE bekannte Größe für Mensch/Tier/Umwelt und deren Lebensraum...

     
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Osti
vor 2 Jahren

1987 habe ich die Lehrabschlußprüfung zum Gärtner gemacht. Dazu brauchten wir genaue Wetteraufzeichnungen der letzten 3 Jahre. Herr Josef Temesel war zu dieser Zeit Wetterwart in Tristach von dem ich genaue Daten von Sonnenscheindauer u. Niederschlagsmenge erhielt. Einen Satz den ich mein Leben nie vergessen werde hieß, LAUT DIESEN WOLKENKONSTELLATIONEN HABEN WIR IN 20 bis 25 Jahren Wetterkapriolen. Unter anderem fiel auch das Wort Permafrost. Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst was er damit meinte. Heute sieht man die Auswirkungen wenn man täglich durchs Land fährt.

 
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