Toter Bub in Tiroler Ache: U-Haft über Vater verhängt
Der 38-Jährige bleibt bei seiner Darstellung eines Raubüberfalls. Ermittler zweifeln und sehen Verdacht für Mord.
Im Fall eines sechsjährigen Buben, der Ende August 2022 tot in der Kitzbüheler Ache in St. Johann in Tirol aufgefunden worden war, ist am Donnerstag über den dringend tatverdächtigen 38-jährigen Vater die Untersuchungshaft verhängt worden. Es würden Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr vorliegen, teilte die Staatsanwaltschaft Innsbruck die Begründung des Haftrichters mit. Der Mann war Montagfrüh festgenommen worden. Der 38-Jährige bestritt die Tat bisher.
Zuvor war man davon ausgegangen, dass der Vater des geistig beeinträchtigten Kindes zuvor auf einer Promenade neben der Ache von einem Unbekannten mit einer Flasche bewusstlos geschlagen und beraubt worden war. Danach soll der Sechsjährige selbstständig aus dem Kinderwagen gestiegen, in die Ache gestürzt und dort ertrunken sein. Dieser Raub soll laut Anklagebehörde aber nicht stattgefunden haben und stattdessen der dringende Verdacht bestehen, dass der Mann diese angebliche Tat vorgetäuscht hat und stattdessen für den Tod des Buben verantwortlich ist.
Zum Haftgrund der Tatbegehungsgefahr meinte Staatsanwaltschaftssprecher Hansjörg Mayr auf APA-Nachfrage, dass der Haftrichter offensichtlich davon ausgehe, dass die Gefahr besteht, dass der 38-Jährige wieder eine solche Tat begehen könnte. Den dritten U-Haftgrund der Fluchtgefahr nahm das Gericht offenbar nicht an. In zwei Wochen steht eine erneute Haftverhandlung an. Die Ermittlungen würden in der Zwischenzeit fortgesetzt und dabei werde weiterhin alles berücksichtigt, was den Mann entlasten und den Verdacht anders darstellen könnte, betonte die Staatsanwaltschaft.
Ins Visier der Ermittler kam der Vater offenbar vor allem deshalb, weil er die Flasche, eine handelsübliche Frizzante-Flasche, mit der er angeblich niedergeschlagen wurde, selbst im Kinderwagen mitgeführt haben soll, erfuhr die APA. Dies war offensichtlich bereits auf einem Videobild erkennbar gewesen. Außerdem habe er sein Handy in einen Abfallkübel geworfen. Auch seien die Verletzungen nicht mit der Tat in Einklang zu bringen gewesen. Zudem sei laut Medienberichten der Schrittzähler am Handy nicht zeitgerecht inaktiv gewesen und habe der Mann den angeblichen Räuber erst bei der zweiten Einvernahme genauer beschreiben können.
Die Staatsanwaltschaft wollte diese Ermittlungsergebnisse unter Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren nicht näher kommentieren. Die Ermittlungsergebnisse hätten sich jedenfalls so dargestellt, dass der angebliche Raub nicht stattgefunden haben dürfte und sich zu einem Bild zusammengefügt, das den dringenden Tatverdacht des Mordes erhärtet.
Der 38-Jährige stellte in bisherigen Vernehmungen den Mordverdacht in Abrede und blieb bei seiner bisherigen Darstellung. Gegenüber der APA teilte sein Anwalt Hubert Stanglechner mit, dass sein Mandant die Behauptung der Polizei, er habe seinen Sohn in die hochwasserführende Kitzbüheler Ache geworfen, "entschieden und als völlig absurd" zurückweise. Es gebe dafür keine Beweise, sein Mandant sei "schockiert und zutiefst bestürzt". Gerade in letzter Zeit habe sich bei dem Buben, der am Syngap-Syndrom erkrankt war, eine Besserung eingestellt. Auch die Stichhaltigkeit der Beweisergebnisse stellte der Anwalt in Frage. So gebe es etwa einen Bericht des Bundeskriminalamtes, wonach man keinesfalls feststellen könne, dass es sich bei der angeblichen Flasche in dem Kinderwagen tatsächlich um eine derartige handle. Auch Haftgründe würden nicht vorliegen.
Der Fall hatte im vergangenen Jahr wochenlang für Schlagzeilen gesorgt. Fieberhaft wurde monatelang nach dem mutmaßlichen Räuber gesucht, eine konkrete, heiße Spur gab es aber offenbar nie. Bisher war man jedenfalls von einem diametral entgegengesetzten Tatgeschehen ausgegangen: Der Vater soll mit seinem in einem Kinderwagen befindlichen Buben am 28. August, einem Sonntag, um 4.00 Uhr auf der Promenade in der Marktgemeinde im Bezirk Kitzbühel neben der Ache spazieren gegangen sein. Dass der Mann um diese Zeit mit dem Buben unterwegs war, sei ein "ganz übliches Verhalten" und nichts Ungewöhnliches gewesen, hatte es seitens des Landeskriminalamtes geheißen. Der Mann habe angegeben, dass er dies öfter gemacht habe, um sein geistig beeinträchtigtes Kind zu beruhigen.
Plötzlich soll sich der angebliche Täter dem Vater laut dessen Schilderungen im Bereich des Hauptschulsteges von hinten angenähert und ihm einen gezielten und wuchtigen Schlag mit einer Flasche auf den Hinterkopf versetzt haben. Der Einheimische blieb bewusstlos liegen. Handy und die Geldtasche wurden schließlich in unmittelbarer Nähe des Tatortes gefunden.
Schließlich soll der Sechsjährige selbstständig aus dem Kinderwagen geklettert und in die Ache gestürzt sein, so die ursprüngliche Version. Das Kind sei abgetrieben und schließlich rund 600 Meter flussabwärts tot geborgen worden. Letztlich wurde der Vater von einem Passanten bewusstlos aufgefunden.
Später erinnerte sich der Mann daran, eine Stunde vor dem Überfall einen Unbekannten gesehen zu haben. Die Eltern suchten nach möglichen Zeugen. Für entscheidende Hinweise boten die beiden eine Belohnung in Höhe von 30.000 Euro.
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