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Bildhauer Matthias Karré arbeitet bevorzugt mit Holz, für den "Denkraum" als Erinnerungsort an die "Weiße Rose" ließ er sich etwas anderes einfallen. Foto: Dolomitenstadt/Huber

Bildhauer Matthias Karré arbeitet bevorzugt mit Holz, für den "Denkraum" als Erinnerungsort an die "Weiße Rose" ließ er sich etwas anderes einfallen. Foto: Dolomitenstadt/Huber

„Weiße Rose“: Matreier gestaltet Erinnerungsort

Matthias Karré entwarf einen „Denkraum“ gegenüber dem Ehrengrab der Geschwister Scholl in München.

Ein Projekt, das nicht nur optisch von seinen anderen Kunstwerken abweicht, sondern auch einen gänzlich anderen Hintergrund hat, setzte der Matreier Bildhauer Matthias Karré vor kurzem auf dem Perlacher Friedhof in München um. Dort sollte gegenüber dem Ehrengrab von Mitgliedern der „Weißen Rose“ ein neuer „Ort zum Verweilen und Reflektieren“ entstehen.

Hintergrund waren mehrmalige Versammlungen und Ausschreitungen von Menschen aus der Querdenker-Szene rund um das Grab der Geschwister Scholl und Christoph Probst, weil sich diese in ihrem Ansinnen auf „Freiheit“ während der pandemiebedingten Lockdowns mit dem Einsatz der „Weißen Rose“ im zweiten Weltkrieg vereint sahen.

Die Städtischen Friedhöfe beschlossen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, und riefen gemeinsam mit dem Münchner Kulturreferat, der Stiftung „Weiße Rose“ und dem NS-Dokumentationszentrum einen Wettbewerb zur Gestaltung eines "Denkraumes" aus.

Ausgeschrieben wurde der Wettbewerb an der Berufsfachschule für Bildhauerei in München, wo der Matreier Matthias Karré derzeit eine zweijährige Meisterklasse besucht. Gemeinsam mit seinem Kollegen Fridolin Bär tüftelte er an einem Entwurf für den Denkraum und so setzten sie sich schließlich gegen acht weitere Einreichungen durch.

Für die Recherche, die Planung und die Entwürfe hat Karré zwei dicke Skizzenblöcke gefüllt: „Wir haben uns zunächst über den historischen Hintergrund informiert, waren unter anderem im NS-Dokumentationszentrum, haben mit den Verantwortlichen von der Stiftung ‚Weiße Rose‘ gesprochen,  das Buch von Sophie Scholl gelesen und waren an dem Ort, wo die Geschwister hingerichtet wurden. Dann galt es zu überlegen, was auf den freien Platz am Friedhof am besten hinpasst“, erklärt er.

Eigentlich ist die Holzbildhauerei Karrés Spezialgebiet, die Gestaltung des Denkraumes stellte ihn vor neue Herausforderungen: „Der Denkraum muss witterungsbeständig sein, weshalb Holz als Material nicht in Frage kam“, erklärt er. Außerdem sei es ohnehin spannend, mit verschiedenen Materialien zu experimentieren. Die minimalistische Ausführung des Denkraumes hat praktische wie künstlerische Hintergedanken: Der Verweilort sollte Vandalenakten, wie sie am Ehrengrab immer wieder vorkommen, standhalten, gleichzeitig aber so zurückhaltend gestaltet sein, dass das gegenüber liegende Grab nicht untergeht.

Der Denkraum selbst ist etwas tiefergelegt als das umliegende Friedhofsgelände, sodass man, wenn man dort sitzt, das Gefühl hat, mit dem Grab auf Augenhöhe zu sein und sich „auch gedanklich auf eine andere Ebene begibt“, erklärt Karré. Die u-förmige Sitzgelegenheit ist aus alten Grabsteinen gefertigt, „da stand auch ein Recycling-Gedanke dahinter, die alten Grabsteine wären sonst geschreddert worden“. Ansonsten ziert die Gedenkstätte nicht viel, außer einer Schale, in der Geschenke und Briefe abgelegt werden können. Ein QR-Code aus Metall verlinkt auf die Webseite der Stiftung „Weiße Rose“, wo die Besucher:innen weiterführende Informationen erhalten.

Die beiden Künstler Fridolin Bär und Matthias Karré in ihrem Denkraum. Durch die Vertiefung sollen sich die Besucher:innen auch "gedanklich auf eine andere Ebene begeben", so die Idee. Foto: Privat

Ungewohnt war für den jungen Bildhauer, bei der Ausführung nicht selbst Hand anzulegen: „Wir haben den Entwurf gezeichnet und dann ein Modell angefertigt, gestaltet wurde der Denkraum aber dann in Zusammenarbeit mit einer Firma, die auf Steinbearbeitung spezialisiert ist. Da kam uns eher die Bauaufsicht zu“, lacht er.

Überrascht hat ihn das große Medieninteresse bei der Einweihung des Denkraumes Mitte November. Für Karré war es das erste Projekt in dieser Größenordnung: „Ich hab‘ mich schon gefreut, als vergangenes Jahr eine meiner Skulpturen im SOS-Kinderdorf aufgestellt wurde, aber das ist noch einmal etwas ganz anderes“, meint der Bildhauer, dem das Handwerk schon in die Wiege gelegt wurde: Sowohl sein Urgroßvater als auch sein Großonkel waren begeisterte Larvenschnitzer.

Seinem Talent möchte Karré auf jeden Fall treu bleiben und nach seinem Abschluss der Meisterklasse in München im nächsten Jahr irgendwann den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.

Anna Maria Huber schreibt als freie Autorin nicht nur für dolomitenstadt.at sondern auch für die Straßenzeitung 20er. Annas Stärken sind penible Recherchen und die Fähigkeit, komplexe Inhalte in klare und verständliche Artikel zu verwandeln.

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