„Als mein Vater mit meinem Großvater am offenen Grab seines Großvaters stand, durchkreuzte ein feiner Kondensstreifen das Firmament. ‚Das ist dein Großvater, der fliegt in den Himmel‘, sagte mein Großvater zu meinem Vater. Auf diese Weise hat mir dein Großvater den Glauben an die Engel vermittelt.” Das waren die Worte, die ich meinem Sohn aufgetragen hätte, seinem Sohn weiterzugeben, auf dass dieser sie einst an meinem eigenen Grab vortragen sollte. Als es dann soweit war, hat mein Sohn meinem Enkelsohn den Glauben an die Chemtrails vermittelt.
Die Geschichte ist selbstverständlich reine Fiktion, denn seit ich vor ein paar Jahren begonnen habe, meinen eigenen Nekrolog zu verfassen, sind die Dinge wesentlich simpler geworden, ist das kunstvolle Spiel mit den vielen Generationen auf deren ultimativ letzte zusammengeschrumpft. Ihre Vertreter sind heute so um die zwanzig, also in einem Alter, in dem wir uns erste Gedanken um unseren damals noch ungeborenen Nachwuchs gemacht haben. Offensichtlich nicht ernsthaft genug, muss ich gestehen, nachdem ich mir neulich im deutschen Fernsehen eine wissenschaftlich grundierte Talkshow über die gesellschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels angeschaut habe.
Der Talkmaster, dessen Erscheinung an den jüngsten Spross jener sozial geächteten amerikanischen Fernsehfamilie erinnert – den Namen habe ich vergessen, aber die Waltons waren es jedenfalls nicht – die uns während der 1970er Jahre im Samstagvorabenprogramm unterhielt, der Talkmaster also hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Zuseher vor dem Meinungsdiktat der Coronaverweigerer, Putinversteher und Klimaterroristen zu schützen. Zu Gast war eine Studentin aus Sachsen, die sich zum Zeitvertreib mit ihren Gesinnungsgenossinnen und -genossen mit Superkleber auf Autobahnen befestigt, nur um der deutschen Bundesregierung die Einsparung von fünf Millionen Tonnen CO2 abzupressen.
Milliarden Menschen seien entlang des Äquators vom Verhungern bedroht, so ihr Argument. Im Stau steckende Autofahrer, die wegen solcher Aktionen zu spät zur Arbeit kommen, deshalb entlassen werden und ihre Existenzgrundlage einbüßen, aber auch, so der Konter. Der saß! Ebenso wie der Vorwurf der mutwilligen Zerstörung wertvoller Kunstgegenstände. Andererseits möchte ich gar nicht wissen, wie gerne etwa Vincent van Gogh ein Gemälde gegen Tomatensuppe oder Kartoffelpüree eingetauscht hätte, nur um den eigenen Hungertod zu vertagen. „Kunst hat etwas unheimlich Tröstendes“, wandte der Talkmaster ein, und sie werde uns auch nach der Klimakatastrophe überdauern. Notfalls in einem Bunker in den Südtiroler Dolomiten.
„Unsere ganze Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte der Anpassung. Unsere Spezies ist erfolgreich, weil wir uns angepasst haben. Immer wieder“, verlangte er von seiner jungen Gesprächspartnerin mehr Zutrauen und Optimismus. Die Klimakleber sollten von der symbolischen auf die politische Ebene steigen, kam Jürgen Trittin dem Talkmaster zu Hilfe. Er musste es wissen, hatte er doch zu einer Zeit, als sein späterer Parteifreund Joschka Fischer noch Polizisten vermöbelte, Häuser und Bauplätze für Atomkraftwerke besetzt. Erfolg war dem „Vater des deutschen Atomausstiegs“ allerdings erst als Umweltminister beschieden.
Das eigentliche Problem dieser Aktivistinnen aber liegt darin, dass sie nicht, wie sie vorgeben, gegen den Klimawandel, sondern gegen das Strafgesetz kämpfen. Das haben sie wiederum mit etlichen Repräsentanten einer österreichischen Regierungspartei – es gilt die Unschuldsvermutung – gemeinsam. Mit dem Unterschied, dass sich letztere nicht auf der Straße, sondern auf ihren Sesseln festgeklebt haben. Und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass auch sie der letzten Generation angehören.
Keine Postings
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren