„Ich hatte damals die Chance, die Struktur neu aufzubauen, ein ‚Start-up‘ innerhalb der Uni, würde man heute sagen“, erinnert sich Uwe Steger schmunzelnd an seine Anfangszeit in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit an der Universität Innsbruck vor rund 30 Jahren.
Ursprünglich war der gebürtige Deutsche für ein Medizinstudium nach Innsbruck gekommen. Kinderarzt wollte er werden, doch es kam anders und so verschlug es ihn nach einem Studium der Politikwissenschaften dorthin, wo es ihn bis heute hält: In die Kommunikationsabteilung der Universität: „Die gab es 1994 in dieser Form noch gar nicht, sondern bestand eher aus mehreren einzelnen Posten.“
Inzwischen ist die Kommunikationsabteilung der Uni Innsbruck auf 50 Mitarbeiter:innen angewachsen und nicht nur für die Kommunikation nach außen, sondern auch für die interne Kommunikation mit fast 5.000 Angestellten und rund 27.000 Studierenden verantwortlich.
Was Steger an seiner Arbeit so fasziniert? „Mir ist es wichtig, zu zeigen, was Wissenschaft leisten kann und welche Beiträge die Wissenschaft für die Gesellschaft bereithält. Es ist einfach eine spannende Arbeit, man kommt immer wieder mit neuen Leuten zusammen und es ist selten ‚more of the same‘.“
Dolomitenstadt.at hat Uwe Steger in seinem Büro am Innrain in Innsbruck getroffen und mit ihm über die Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation sowie dem schwindenden Vertrauen in Forschung und Wissenschaft gesprochen.
Die Pandemie hat eindrücklich gezeigt, dass Wissenschaft – und die Kommunikation von Wissenschaft – kein Nischenbereich ist, sondern unseren Alltag in jeder Hinsicht beeinflusst. Wie hat sich die Wissenschaftskommunikation während der und durch die Pandemie verändert?
Sie hat sich in zweierlei Hinsicht verändert. Zum einen gab es viel mehr Wissenschaftskommunikation. An der Universität Innsbruck betraf das naturwissenschaftliche, aber auch sozialwissenschaftliche und psychologische Fragen. Je nach Situation in der Pandemie und der gesellschaftlichen Diskussion waren die Bereiche unterschiedlich stark präsent. Wissenschafter:innen waren plötzlich im Fernsehen, in den Zeitungen, auf den sozialen Netzwerken. Das ist die positive Seite: In Österreich spielte Wissenschaft vor der Pandemie vordergründig nicht so eine große Rolle – obwohl das durchaus differenzierter zu sehen ist - das hat sich jetzt stark verändert.
Frau Von Laer ging eine Zeit lang nur mehr mit Perücke und Sonnenbrille durch die Stadt.
Uwe Steger, Öffentlichkeitsarbeit Uni Innsbruck
Was sich auch verändert hat, und zwar gesamtgesellschaftlich, ist diese Radikalität der gegensätzlichen Ansichten: Alles ist Fake, alles wurde von dunklen Mächten vorbereitet usw. Das hat man in der öffentlichen Diskussion stark gemerkt, aber auch in der Diskussion mit Wissenschafter:innen, welche zum Teil sehr massiv angegangen, beleidigt oder bedroht wurden. Das sah man auch bei uns: Frau Von Laer ging eine Zeit lang nur mehr mit Perücke und Sonnenbrille durch die Stadt.
Das verändert auch die Kommunikation von Wissenschaft. Viele Wissenschafter:innen überlegen sich jetzt genau, ob sie was sagen, oder einfach ihre Forschungsarbeit betreiben und sich nicht so in die mediale Auslage stellen.
Schon vor der Pandemie hatte die Wissenschaft das Problem, nicht alle Menschen zu erreichen. Warum schwindet das Vertrauen in die Wissenschaft? Sind die Sozialen Medien der einzige Grund dafür?
Das Medium ist im Grunde genommen nur ein Vehikel. Früher musste man Briefe an Fernsehen, Radio oder Zeitungen schreiben, wenn man sich über etwas beschweren wollte. Das dauerte eine Zeit und es stand immer eine Person dahinter. Heute kann man auf sozialen Medien viel schneller und vor allem anonym auf etwas reagieren, was einem nicht passt.
Und, man kann sich auf sozialen Medien abschotten. Man ist dann in diesen Blasen, wo man sich nur noch mit Gleichgesinnten austauscht und diverse Ideen befeuert werden. So entstehen Phänomene der völligen Absurdität mit allen möglichen Klischees, die aber alle schon da waren, bevor es soziale Netzwerke gab: Antisemitismus, eine spezielle Form des Antikapitalismus, die sich meist gegen „die da oben“ richtet, eine allgemeine Unzufriedenheit, die die Pandemie noch verschärft hat. Das hat in diesem Fall alles zusammengewirkt. Soziale Medien ermöglichen mehr, aber sie sind nicht schuld.
Wissenschaft wäre hier eine gute Basis, an die Vernunft der Menschen zu appellieren. Die Kommunikation bildet die Brücke zwischen der Wissenschaft und der Bevölkerung. Gibt es da Möglichkeiten dem Misstrauen gegenzusteuern?
Ich glaube, bei all jenen, die sich in solchen Blasen bewegen und für kein Argument mehr zugänglich sind, ist es schwierig. Die Frage ist, wie man Wissenschaftskommunikation insgesamt begreift und was man grundsätzlich ändern kann. Ich bin der Meinung, dass es oft zu wenig vom Dialogischen gibt, da sind auch wir gerade in der Öffentlichkeitsarbeit dabei, mehr in diese Richtung zu machen. Es ist viel besser, wenn die Wissenschafter:innen direkt mit den Menschen in Kontakt treten, ihnen etwas erklären, Fragen beantworten und ins Gespräch kommen – wie etwa bei der "langen Nacht der Forschung“.
Man muss in der Wissenschaft nicht immer alles akzeptieren, auch Wissenschaft ist kritisch hinterfragbar.
Uwe Steger, Öffentlichkeitsarbeit Uni Innsbruck
Der Dialog ist letztlich das Wesen von Demokratie, aus unterschiedlichen Meinungen kommt man zum Kompromiss, oder zumindest zum gegenseitigen Verständnis. Man muss in der Wissenschaft nicht immer alles akzeptieren, auch Wissenschaft ist kritisch hinterfragbar. Es kann ja immer das eine als auch das andere sein. Also Gut und Böse, je nachdem wie man das Wissen anwendet und darum muss man über diese Risiken auch offen reden.
Gibt es konkrete Ideen für dialogische Konzepte, die in nächster Zeit entstehen sollen?
Zum einen liegt österreichweit derzeit ein Fokus auf den „Citizen-Science“-Projekten, wir treten außerdem mit Jugendlichen in den Dialog und sprechen über die Klimaveränderung, die gesellschaftliche Veränderung durch die Inflation usw. Auch versuchen wir verstärkt raus aus den Ballungsräumen zu gehen, rein in die Täler. Da geben wir den Gemeinden in Tirol die Möglichkeit, zu Themen, die für den Ort oder die Region relevant sind, Wissenschafter:innen einzuladen und mit diesen zu dem Thema zu diskutieren. So kann man die Wissenschaft zur Meinungsbildung heranziehen.
Welchen Einsatz bräuchte es von Seiten der Politik, um das Vertrauen in Forschung und Wissenschaft wieder zu stärken?
Es geht darum, Bildung nicht nur in Sonntagsreden zu predigen, sondern wirklich von Anfang an als Wert zu begreifen. Das beginnt nicht in der Uni, das beginnt im Kindergarten. Es muss klar sein, dass ein Kindergarten keine „Rabeneltern-Geschichte“ ist, wie es in manchen Gemeinden noch konnotiert ist, sondern der Start in den Bildungsweg. Kinder sind von sich aus neugierig. Es geht dann in der Volksschule weiter, nirgendwo anders wird Bildung so stark vererbt wie in Österreich und Deutschland. Auch die Wertschätzung der Lehrpersonen spielt hier eine wichtige Rolle: Sie müssen unterstützt und vernünftig finanziert werden.
Es geht darum, Bildung nicht nur in Sonntagsreden zu predigen, sondern wirklich von Anfang an als Wert zu begreifen.
Uwe Steger, Öffentlichkeitsarbeit Uni Innsbruck
Wenn Wissen in der Gesellschaft immer einen wichtigen Stellenwert einnimmt, ein Teil des Staatsgefühls ist - und das nicht nur, wenn gerade ein Österreicher einen Nobelpreis gewinnt - dann würde sich auch mittelfristig was ändern.
Dann kann man immer noch kritisch gegenüber manchen Wissenschafter:innen sein, es gehört dazu, dass man kritisch hinterfragt und nicht alles hinnimmt. Aber um kritisch hinterfragen zu können, braucht man einen Dialog und mündige Bürger:innen.
Ein Posting
Sehr weise Worte! Man sollte allerdings bedenken, dass mündige Menschen schwerer "von oben steuerbar" sind und es daher - man sieht es ja an unserem verstaubten Bildungssystem - von politischer Seite wenig erwünscht ist, (junge) Menschen hin zu mündigen Lebenskonzepten zu führen.
Zum Thema Wissenschaft möchte ich noch einen Denkanstoß geben: Die Tendenz, dass man als wissenschaftlich arbeitender Mensch immer mehr über immer weniger herausfinden möchte (bis man schließlich ALLES über NICHTS weiß), birgt die große Gefahr der Überspezialisierung und des wissenschaftlichen Tunnelblicks. Die C-Jahre haben es uns deutlich gezeigt, dass wir dringend denkende und forschende Menschen mit Überblick brauchen, die die Spezialergebnisse zu sortieren und den Blick vom Detail in Richtung großes Ganzes zu lenken vermögen. Vielmehr gab und gibt es diese "Gelehrten" ja schon, nur fehlt(e) die Bereitschaft ihnen zuzuhören.
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