Seit gut drei Monaten beschäftigt sich die interakive Ausstellung „Denkmal weiter“ der Tiroler Landesmuseen im Innsbrucker Tirol Panorama mit kollektiver Erinnerungskultur und damit auch mit der Aufarbeitung der Tiroler NS-Vergangenheit. Wir haben darüber berichtet und auch einen Sammelaufruf veröffentlicht. Die Künstlerin und Initiatorin Esther Strauß sucht nach Alltagsgegenständen aus der NS-Zeit als Grundlage für historische Forschungen. Im Interview zieht sie eine Zwischenbilanz und erklärt den künstlerischen Hintergrund der Intervention.
Esther, seit Mitte Mai läuft im Tirol Panorama die Mitmachausstellung „Denkmal weiter“, an der du maßgeblich beteiligt bist. Konkret forderst du zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit auf und hast in Kooperation mit den Tiroler Landesmuseen einen Sammlungsaufruf zu Objekten aus der Zeit des Nationalsozialismus in Tirol gestartet. Wie war denn bisher der Rücklauf?
In den vergangenen Wochen haben wir circa 130 Objekte als Schenkungen bekommen, die alle in die Historische Sammlung aufgenommen werden. Die Objekte sind sehr unterschiedlich. Manche stammen aus dem Krieg, zum Beispiel ein Soldatentagebuch oder ein Bündel Feldpostbriefe. Andere Objekte dienten der nationalsozialistischen Propaganda, etwa eine Schellackplatte von 1932, die unter dem Titel „Die braune Platte“ eine frühe Rede von Adolf Hitler wiedergibt oder ein Sticker-Album, das zur Indoktrinierung von Jugendlichen in großer Auflage hergestellt wurde. Wir haben aber auch eine Kaffeetasse bekommen, an deren Unterseite sich ein SS-Logo befindet. Solche Gegenstände sind ein Hinweis darauf, wie stark die NS-Ideologie in den Alltag eingeflochten war. Andere Objekte sind wiederum sehr persönlich und spiegeln die NS-Geschichte einzelner Familien wieder, wie zum Beispiel ein ausgefüllter Ahnenpass.
Entspricht das deinen Erwartungen? Oder anders gefragt, was sind denn deine Erwartungen? Was soll denn am Ende herauskommen, damit die Aktion erfolgreich ist?
Ich habe diesen Sammlungsaufruf initiiert, weil ich während der Recherche für meinen Ausstellungsbeitrag entdeckt habe, dass es in Tirol noch nie einen Sammlungsaufruf für NS-Objekte gegeben hat. Das ist sehr verwunderlich, vor allem wenn man bedenkt, dass die Historische Sammlung sich wie viele andere Sammlungen auch dazu entschieden hat, keine NS-Objekte anzukaufen, um den illegalen Handel, den es in Österreich mit diesen Objekten gibt, nicht zu unterstützen. Ich begrüße diese Entscheidung natürlich. Es ist aber auch klar, dass Schenkungen dann die einzige Möglichkeit sind, NS-Objekte in die Historische Sammlung aufzunehmen. Dadurch entsteht eine besondere Situation: Wie die Geschichte des Nationalsozialismus in Tirol dokumentiert, erforscht und aufgearbeitet werden kann, hängt in hohem Maß von der Bereitschaft der Bevölkerung ab, Objekte aus ihrem Privatbesitz zur Verfügung zu stellen. Wenn man dann noch weiß, dass sehr viele NS-Objekte, die von Familien in Kellern oder Dachböden entdeckt werden, einfach weggeworfen werden, dass also die Objekte, die in der Bevölkerung vorhanden sind, immer weniger und weniger werden, dann wird glaube ich klar, wie wichtig jede einzelne Schenkung für die Aufarbeitung der Tiroler NS-Geschichte ist. Dass wir bis dato 130 Objekte bekommen haben ist also ein großer Erfolg.
Für mich als Künstlerin ist aber noch ein zweiter Aspekt bedeutsam: Unabhängig davon, wie viele Schenkungen bei uns eingehen, stellt der Sammlungsaufruf Fragen. Was ist während der NS-Zeit in meinem Dorf, in meiner Heimatstadt passiert? Welche Entscheidungen haben meine Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern damals getroffen? Gibt es in meiner Familie noch Objekte, die von dieser Zeit erzählen? Und wenn ja, wie will ich mit ihnen umgehen? Anzuerkennen, dass sich das, was wir heute NS-Geschichte nennen, nicht nur am Wiener Heldenplatz oder im Konzentrationslager Mauthausen zugetragen hat, sondern in jedem Dorf und in jeder Familie, ist ein wichtiger Schritt, vor allem in einem Land, das teilweise auch heute noch versucht, die Verantwortung für diese Zeit von sich zu weisen. Der Erfolg des Sammlungsaufrufs hängt für mich also nicht nur davon ab, wie viele Schenkungen eingehen, sondern auch davon, wie viele Menschen sich auf die Fragen einlassen, die der Aufruf stellt. Dass da viel in Bewegung geraten ist, merke ich daran, dass mir seit Beginn des Sammlungsaufrufs viele Menschen von der NS-Geschichte ihrer Familie erzählen. Diese Gespräche sind ein wichtiger Raum, in dem sich die performative Kraft des Kunstprojekts entfaltet.
Wie kann man denn an Gegenständen des Alltags aus einer bestimmten Epoche eine „Aufarbeitung“ ableiten? Selbst in düstersten Diktaturen sind Alltagsgegenstände ja eher ein Symbol für private Lebensgewohnheiten. Ein Liegestuhl mit Hakenkreuz bleibt primär ein Liegestuhl. Wo setzt denn da die Aufarbeitung an, speziell die wissenschaftliche Aufarbeitung? Was wäre denn da eine Forschungshypothese?
Ich glaube nicht, dass das Private und das Politische während der NS-Zeit zu trennen war. Diktaturen zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie den Handlungsspielraum der Menschen im öffentlichen und privaten Bereich lenken, beschränken und kontrollieren wollen. Der Liegestuhl, von dem du sprichst, hat eine spannende Geschichte. Er wurde 2018 in Gries am Brenner aus dem Sperrmüll gefischt und der Historischen Sammlung als Schenkung übergeben. Sein hölzerner Rahmen ist von seiner Besitzerin oder seinem Besitzer handwerklich grob mit einem Stoff bespannt worden, der von einem Verpflegungs- oder Transportsack der Deutschen Wehrmacht stammt. Auf allen diesen Säcken war der Reichsadler mit Hakenkreuz abgebildet. In diesem speziellen Fall wurde der Stoff aber so in den Holzrahmen eingesetzt, dass der Reichsadler auf dem Kopf steht. Ob der Liegestuhl von einem Nationalsozialisten oder einer Nationalsozialistin bespannt wurde, der oder die sich auch zu Hause mit den entsprechenden Symbolen umgeben wollte, oder von jemandem, der durch diese Geste Kritik an den NationalsozialistInnen üben wollte, lässt sich nicht mehr ermitteln. Fest steht aber, dass eine politische Haltung zum Ausdruck gebracht worden ist.
Ich glaube nicht, dass das Private und das Politische während der NS-Zeit zu trennen war.
Esther Strauß
Der Liegestuhl ist momentan Teil meiner Installation „aus jedem Fenster, in jedem Haus“ in der Dauerausstellung des Museums Tirol Panorama in Innsbruck. Da die Tiroler NS-Geschichte dort - was die Objektauswahl betrifft - ausschließlich von Opfern und Widerstandskämpfer:innen erzählt hatte, habe ich aus der Historischen Sammlung sieben NS-Objekte ausgewählt und in die Dauerausstellung integriert, um so die bisher ausgesparte lokale Täter:innengeschichte sicht-und kontextualisierbar zu machen. Die sieben Objekte, die bisher noch in keiner Ausstellung zu sehen gewesen sind, waren der Sammlung übrigens allesamt zwischen 1995 und 2021 auf Eigeninitiative von Privatpersonen als Schenkungen übergeben worden. Für die Wissenschaft und auch für die Kunst sind Alltagsobjekte, die aus der NS-Zeit stammen, eine wichtige Forschungsgrundlage. Der Liegestuhl ist ein Objekt, das uns ein Rätsel aufgibt, das wir wahrscheinlich nie lösen werden und das gerade deshalb Auseinandersetzung in Gang bringt. Andere Alltagsobjekte sind für die Forschung auf andere Weise wertvoll, zum Beispiel die vielen Bücher und Zeitungsbeilagen, die wir im Rahmen des Sammlungsaufrufs bisher bekommen haben. An ihnen lässt sich einerseits die Struktur der NS-Propaganda ablesen, andererseits enthalten sie auch Hinweise auf politische Ereignisse dieser Zeit.
Es gibt Kritiker an den Ritualen der aktuellen Erinnerungskultur in Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich. Der Publizist Max Czollek nennt das in seinem Bestseller „Desintegriert euch“ ein „Erinnerungstheater“, das nicht im Sinn der Opfer sei, weil wir nur so tun, als wären wir geläutert. In anderen Worten: Während wir die alten Nazis begraben, wählen wir die neuen in unsere Parlamente. Wäre es nicht besser, wachsam in die Gegenwart zu schauen?
Die Kritik von Max Czollek ist berechtigt. Wenn Politiker:innen einmal im Jahr einen Kranz in Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus niederlegen und im Rest des Jahres die Menschenrechte untergraben und demokratische Strukturen abzuschaffen versuchen, dann liegt es auf der Hand, dass das Gedenken an Opfer strategisch missbraucht wird. Da gilt es aufmerksam zu bleiben und sich klar zu positionieren. Ernstzunehmende Erinnerungskultur geht für mich mit Erinnerungsarbeit einher. Und die ist nicht möglich ohne die Verantwortung für die Verbrechen zu übernehmen, die im eigenen Land, der eigenen Stadt, von der eigenen Regierung und der eigenen Familie begangen worden sind.
Was die Aufarbeitung der NS-Zeit betrifft sind wir noch lange nicht am Ende.
Esther Strauß
Was die Aufarbeitung der NS-Zeit betrifft sind wir noch lange nicht am Ende. Ein gutes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass es erst heuer und nach jahrzehntelangen Protesten von Aktivist:innen vom Parlament die Zusage für den Bau eines Gedenkortes für die Opfer des Porajmos gegeben hat – dem nationalsozialistischen Genozid an europaweit etwa 500.000 Menschen, die als Roma, Romnja, Sinti, Sintizze, Jenische und andere als „Zigeuner“ abgewertete Menschen ermordet und verfolgt wurden. Wie sehr die nationalsozialistische Hetze die politische Gegenwart immer noch beeinflusst, zeigt sich auch daran, dass die Jenischen in Österreich nach wie vor nicht als eigene Volksgruppe anerkannt sind. Je mehr man sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt, desto deutlicher werden seine Verbindungslinien in die Gegenwart. Ich glaube nicht, dass die Gegenwart jemals frei von der Geschichte sein kann, die ihr Ursprung ist. Und auch auf familiärer Ebene ist uns diese Geschichte sehr nahe. Die Nationalsozialist:innen waren ja unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Die Frage, wie wir aus dem Erinnerungstheater heraus und in eine echte Auseinandersetzung hinein kommen können, ist also eine wichtige.
Du selbst hast dich ja in den letzten Jahren sehr intensiv und auch aufwühlend mit Fragen der Erinnerungsarbeit und Denkmalpolitik in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. Über dein „Performatives Denkmal“ zu Marie Blum haben wir ausführlich berichtet. Ein Jahr lang hast du ganz offiziell den Namen eines Kindes angenommen, das im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau geboren und drei Tage nach der Geburt ermordet wurde. Wie passt die aktuelle Initiative, die sehr pragmatisch wirkt, in den Kontext eines so emotionalen, direkt berührenden Aktionismus?
Die Arbeit zu Marie Blum und der Sammlungsaufruf sind unterschiedlich konzipiert, gehen aber von derselben Beobachtung aus. Viele Menschen wissen, dass und wie sich der Holocaust zugetragen hat, dieses Wissen wird aber nur selten mit der Geschichte der eigenen Familie verbunden. Das Bedürfnis Familienmitglieder zu schützen, indem man ihre Geschichte als Täter:innen oder Mitläufer:innen ausblendet, zudeckt oder umdeutet, ist nach wie vor groß. Die Nazis sind immer noch die anderen, könnte man zugespitzt sagen. Und letztlich schützen die Lebenden auch sich selbst, mitunter vor dem schmerzhaften Konflikt, der sich auftut, wenn klar wird, dass Menschen, die man liebt oder geliebt hat, Verbrechen begangen, veranlasst, unterstützt, gutgeheißen oder toleriert haben. Ich würde mir mehr Räume wünschen, in denen diese Konflikte thematisiert und begleitet werden. Skulpturale Denkmäler, die der Staat in den öffentlichen Raum setzt, sind wichtig, aber alleine sind sie zu wenig. Die Aufarbeitung der NS-Zeit muss auch im privaten Raum stattfinden. Und wer, wenn nicht wir, soll das tun?
Ich glaube mich zu erinnern, dass auch deine eigene Familiengeschichte Bezüge zum Nationalsozialismus hat. Eigentlich eine blöde Frage, welche Familiengeschichte hat das nicht? Ist genau das der Kern? Haben wir alle einen familiären Bezug und sollten wir danach suchen?
Meine Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte meiner Familie hat als Jugendliche begonnen. Ich habe meine Großeltern gefragt, was sie damals gemacht haben, meine Eltern haben ergänzt, was sie dazu wussten. Mein aktueller Wissensstand ist folgender: Einer meiner Großväter wurde in der Volksschule zur Ausbildung in der NAPOLA ausgewählt und hat so als 11-Jähriger ein Jahr in Wien verbracht, bevor ihn seine Eltern in das Internat Kremsmünster versetzen lassen konnten. Als Jugendlicher hat er sich in den letzten Kriegswochen, ohne seinen Eltern Bescheid zu geben, zum Volkssturm gemeldet. Eine meiner Großmütter hat vermutlich im Büro von Otto Weber gearbeitet, der im Gau Tirol-Vorarlberg für die Hitler Jugend verantwortlich war. Im Rahmen des performativen Denkmals zu Marie Blum habe ich begonnen, in Archiven nach Spuren dieser Familiengeschichte zu suchen und künstlerische Arbeiten zu ihr zu entwickeln. Im Moment warte ich auf die Ergebnisse einer Recherche des Bundesarchivs in Berlin, die zeigen soll, welche meiner Verwandten der NSDAP beigetreten sind. Durch verschiedene Gespräche haben sich in den letzten zwei Jahren Hinweise darauf verdichtet, dass ein Bruder meiner Urgroßmutter Mitglied der SS war – auch das versuche ich über Zeitdokumente bestätigen zu lassen. Darüber hinaus sind mündlich auch Widerstandstätigkeiten von zwei Familienmitgliedern überliefert. Da es aber wohl nie zu Verhaftungen kam, sind diese Erzählungen schwer zu widerlegen und ebenso schwer zu bestätigen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es unter den eigenen Vorfahren Täter:innen gibt, ist hoch.
Esther Strauß
Viele Widerstandsgeschichten wurden ja nach dem Krieg frei erfunden, um die eigene Familie in ein positives Licht zu rücken. All diese Recherchen sind zeitaufwendig und werden mich als Künstlerin noch viele Jahre beschäftigen. Dass die meisten Familien eine NS-Geschichte haben, steht außer Frage, und die Wahrscheinlichkeit, dass es unter den eigenen Vorfahren Täter:innen gibt, ist hoch. Die Entscheidung, wie man mit dieser Tatsache umgeht, muss jede und jeder für sich selbst treffen. Ich kann für mich persönlich sagen, dass ich von dieser Spurensuche viel lerne, obwohl und gerade weil sie die Bereitschaft voraussetzt, familiäre Beziehungen und Bilder zu erschüttern. Wir können uns dieser Geschichte nicht entledigen, aber wir können ihr begegnen. Der Sammlungsaufruf ist insofern auch die Einladung die Spuren dieser Geschichte nicht zu beseitigen, sondern sie Teil einer öffentlichen Auseinandersetzung werden zu lassen.
Kann ich unseren Leserinnen und Lesern von dir noch etwas mitgeben? Was würde dich denn freuen? Ich bin sicher, auch in Osttirol gibt es noch manches verborgene Relikt, das eure Sammlung weiter vervollständigen könnte. Wonach sucht ihr denn ganz besonders intensiv?
Jedes Objekt, das wir bekommen, ist willkommen und wird in die Historische Sammlung aufgenommen. Worüber ich mich persönlich freuen würde wären Objekte, die von der Geschichte der Tiroler Opfer und Widerstandskämpfer:innen erzählen. Diese Objekte fehlen noch und wir dürfen die Geschichte, die mit ihnen verbunden ist, nicht verlieren. Was ich darüber hinaus sehr schätze, ist die Bereitschaft von Schenkenden, mit den Objekten ihre Kontaktdaten zu hinterlegen. So können wir uns nach Ende des Sammlungsaufrufs bei ihnen melden, um die Geschichte der gestifteten Objekte zu dokumentieren. Dabei geht es um einfache Fragen: Wie ist das Objekt in die Familie gekommen? Welchen Umgang hat es dort erfahren? Wie wurde es bis jetzt aufbewahrt und was bedeutet es, es jetzt weiterzugeben? Für die wissenschaftliche Aufarbeitung sind diese Informationen eine wichtige Stütze. Man kann die Objektgeschichte aber auch auf einem Zettel beilegen und anonym abgeben. Auch Objekte, deren Geschichte nicht bekannt ist, können gestiftet werden.
Verrätst du uns noch etwas über deine Zukunftspläne?
Im Moment entwickle ich auf Einladung der Initiative „Orte der Erinnerung“ im Rahmen eines geladenen Wettbewerbs einen Entwurf für ein temporäres Denkmal für die kommunistische Widerstandskämpferin Agnes Primocic. Primocic wurde in Hallein geboren und war dort zwölf Jahre lang sowohl im Austrofaschismus als auch im Nationalsozialismus im Widerstand aktiv. Unter anderem hat sie mehreren KZ-Häftlingen das Leben gerettet. Ich habe sehr großen Respekt vor so viel Mut, Solidarität und Tatkraft! Die Einladung zu diesem Projekt hat mich ganz besonders gefreut, weil die Widerstandstätigkeit von Frauen in der NS-Zeit zwar zunehmend Aufmerksamkeit erfährt, aber in Summe nach wie vor viel zu wenig gewürdigt wird. Auch die Arbeit am performativen Denkmal für Marie Blum geht weiter, verzweigt und vertieft sich. Und dann ist da natürlich noch der Sammlungsaufruf. Läuft er am 3. Oktober aus, beginnt die wissenschaftliche und künstlerische Auseinandersetzung mit den Schenkungen. Alle Objekte in einem Raum versammelt zu sehen und eines nach dem anderen zu untersuchen, wird ein intensiver Prozess, der mehrere Monate, vielleicht auch Jahre dauern wird. Gerade an Alltagsobjekten wird deutlich, wie tief Menschenverachtung und Grausamkeit in das Leben unserer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern eingeschrieben waren. Ich glaube nicht, dass die Schuld für ihre Taten auf uns übergeht. Ich glaube aber, dass wir als ihre Kinder, Enkel und Urenkel die Verantwortung haben, ihre Geschichte aufzuarbeiten – gegenüber den Opfern und gegenüber uns selbst.
Wer einen Beitrag zur Sammlung leisten möchte, kann Gegenstände entweder an der Kassa des Tirol Panoramas abgeben oder in den weißen Sockel am Museumsvorplatz einwerfen. Man kann Gegenstände aber auch per Post nach Innsbruck schicken und zwar an folgende Adresse:
Tirol Panorama mit Kaiserjägermuseum
Stichwort: Wir sammeln, z. H. Dr. Sonia Buchroithner
Bergisel 1-2, 6020 Innsbruck
Kunstaktion und Ausstellung laufen bis zum 3. Oktober 2022. Weitere Infos und FAQs.
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Immer wieder erzählte mir eine ältere Dame von ihren Erinnerungen an die NS-Zeit, von ihrem erzwungenen Beitritt zum BDM und ihren Erfahrungen als Führerin. So gesehen, war ich ein bisschen eingeweiht in das damals propagandistisch verbreitete, zum Glauben erhobene Gedankengut der Machthaber. In vielen Bereichen erleben wir - Beispiele nenne ich bewusst nicht - heute Ähnliches, nur 80 Jahre später. Ich kann nur sagen: Währet den Anfängen! Diese Zeit darf sich bei uns - hoffen wirs inständig - nie mehr wiederholen.
In seiner 1935 veröffentlichten Schrift "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" spricht Walter Benjamin von der "Aura", welche ein originales Einzelstück in der "handlungsentlasteten" Situation des Museums entfaltet.
Bereits ab 1914 hatte der französische Künstler Marcel Duchamp dieser Annahme durch seine Ready-Mades, industriell gefertigte Massenprodukte, zu widersprechen begonnen. Ein Urinal, also ein Keramikbecken, in das Männer öffentlich ihre Notdurft verrichten, signiert und in ein Museum gestellt, entfaltet auch eine Aura.
Nach rund hundertjähriger Gewohnheit längst kein Skandal mehr, kann man heute so gut wie alles als "Kunstwerk" oder "historisches Zeugnis" ausstellen und die Aura aus den damit verbundenen außerkünstlerischen Assoziationen, der sogenannten "Erinnerungskultur", gegen die kein Einwand gerechtfertigt ist, speisen.
Zur Sensation, v. a. aber zur Aufgabe der Kunst wird das erst, wenn sich sonst niemand darum kümmert. Das Interview zeigt recht gut, wie sehr Esther Strauß diese Begrenzungen ahnt.
der Scheiß was vor 40 - 50 - 60 Jahr war interessiert uns Junge nit, wir haben Sorge um unsere Zukunft, der Geldgier der Reichen und die Almosen der Politiker für die einfachen Leute und arbeitende Bevölkerung. 1-2-3
Vor 40-50-60 Jahren
1982 : Falklandkrieg , erster Libanonkrieg von Israel, Olympia mit Carl Lewis oder Fußball WM mit Paolo Rossi bleibt meiner Generation in Erinnerung.
1972: Olympia Terror in München , Bloody Sunday in Nordirland
1962: Kuba Krise , Grenzkrieg zwischen Indien und China .
Nennt man ErinnerungsKULTUR
Interessieren sollte Euch das schon - denn - wehret den Anfängen. Wir können beobachten, dass dieses dunkelbraune Zeugs schon wieder wie ein Pilzmycel in unsere "demokratische" Gesellschaft kriecht.
Nach 1945 haben viele NSDAP-Mitglieder bei der ÖVP Karriere gemacht: z.B. die späteren Landeshauptleute Weißgatterer, Tschiggfrey und Wallnöfer und aus Osttirol (Schlaiten) der nachmalige Bundesratspräsident Anton Brugger.
Sollte jede im Hinterkopf haben, bevor sie in einem Monat bei der Landtagswahl wieder ÖVP wählt (weil die Oma hat das auch immer so gemacht).
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