Manche Events passen in keine Schublade. Eine Designpreis-Verleihung in Tristach zum Beispiel. Am 22. Juli traf sich aus diesem Anlass eine illustre Schar in der Ehrenburgstraße 2, einem Ort, der sich erst auf den zweiten Blick nicht als Deponie für Metallschrott entpuppt, sondern als kreativer Tatort, an dem Schlossermeister Peter Bruckner ein ganzes Arbeitsleben lang zur Hochform auflief, wann immer jemand mit einer unkonventionellen Aufgabenstellung zu ihm kam. Und das war häufig der Fall.
Bruckner, Jahrgang 1935 und längst im Ruhestand, galt als legendärer Problemlöser weit über sein Schlosserhandwerk hinaus, als Metallbearbeiter und Konstrukteur, Bildhauer und Erfinder, der sich selbst nicht als Designer bezeichnet, auch wenn ihn die nachfolgende Generation zum Namensgeber eines Design-Preises macht.
Dieser Meister seines Faches hat nicht nur ungezählte handwerkliche Objekte hinterlassen, sondern auch eine Werkstätte, die selbst eine Art Denkmal kreativen Schaffens ist. Diese subkulturelle, organisch gewachsene Gegenwelt zur nüchternen Digitalzeit ist ein ebenso archaisch wie schöpferisch anmutender Ort mit einer ganz eigenen Ordnung, eine Fundgrube und zugleich auch ein Display, auf dem sich junge Kreativität in Graffitis entlädt, die mit der gewachsenen Umgebung zu einer erstaunlich urban anmutenden Kulisse verschmelzen.
Verstärkt wurde das Gefühl von Urbanität an diesem Freitagabend in Tristach noch durch die angereisten Studentinnen und Studenten der „New Design University“ St. Pölten, einer Privatuni der Wirtschaftskammer, an der Peter Bruckners Schwiegersohn, der Designer Stefan Moritsch lehrt. Er und Bruckners Tochter Katharina, ebenfalls Designerin, begrüßten das Publikum bei der Preisverleihung, darunter mit Franz und Andreas Kraler zwei Industrielle, deren Familienunternehmen HELLA in Abfaltersbach früher mit dem Schlosser aus Tristach eng zusammenarbeitete und heute immer wieder auf Gestaltungsideen von Designer Stefan Moritsch setzt. HELLA zählt deshalb auch zu den Sponsoren des Preises.
Und so wurde das, was auf den ersten Blick etwas anmaßend schien – einen Designpreis nach einem Tristacher Handwerker zu benennen – plötzlich erstaunlich rund und logisch, auch durch die Ausführungen von Rainald Franz, Museumskurator am MAK in Wien. „Auf der Suche nach dem Stil, zur Hebung des Geschmacks“ übertitelte er sein Gastreferat und spannte den Bogen über 160 Jahre österreichischer Designgeschichte, von den Anfängen in der Monarchie über die legendären Wiener Werkstätten und das Bauhaus bis in eine Gegenwart, die in Osttirol vorwiegend handwerklich, anderswo aber auch architektonisch und künstlerisch eine Brücke zwischen Entwurf und Ausführung schlägt.
Darum ging es nämlich an diesem Abend. „Wie kann man zusammenführen, was in vielen Denkweisen immer noch getrennt ist, nämlich das Entwerferische und das handwerklich Ausführende?“, fragte Rainald Franz und zitierte Goethe: „Das Nützliche fördert sich selbst, denn die Menge bringt es hervor und niemand kann es entbehren. Das Schöne muss befördert werden, denn wenige stellen es dar und viele bedürfen es.“ Erst wenn Entwurf und Ausführung zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen, entsteht Fortschritt, unterstrich der Referent und schritt mit Stefan Moritsch zur Preisverleihung.
22 Einreichungen hatte eine Fachjury ausgewertet. Der erste Peter Bruckner Preis ging an den Designstudenten Martin Koberwein für ein Objekt, das Symbolcharakter hat, eine Vitrine, die nur auf den ersten Blick simpel und beinahe banal erscheint, bei näherer Betrachtung aber geradezu Brucknersche Qualitäten zeigt, enorme Robustheit, technische Raffinesse, sinnvolle Funktionalität und Bescheidenheit im eigenen Auftritt, der sich in den Dienst der Inszenierung von Werken anderer stellt.
Beim anschließenden Smalltalk in der Werkstatt wurde klar, dass hier eventuell etwas angestoßen wurde, ein Prozess, der schon lange in den Köpfen lokaler Wirtschaftsfunktionäre und Vordenker gärt und bislang keine wirklich befriedigende Plattform schaffen konnte, nun aber vielleicht gerade durch den Spiritus Rector dieses Preises und die Kompetenz seiner Nachfolger in die Gänge kommen könnte.
Wenn Stefan Moritsch und Partnerin Katharina Maria Bruckner nicht den Fehler machen, dem Provinziellen den Vorrang vor dem Professionellen zu geben und nicht in romantischer Verklärung des Handwerklichen auf die elementaren Bedingungen guten Designs vergessen, dann könnte Peter Bruckner im hohen Alter zur Symbolfigur für einen Ausbruch der Osttiroler Szene aus der eigenen Exzentrik werden, hinaus in die offene und unendlich weite Landschaft der Designkunst, die das alte Handwerk ehrt, aber nicht mystifiziert und die neuen Zeiten und Strömungen nicht verdammt, sondern als Chance begreift.
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