Das aktuelle Unglück an der Marmolata, bei dem mehrere Menschen durch einen Gletscherbruch getötet wurden, bestätigt in eindrücklicher Weise, was offensichtlich ist: Die alpinen Gefahren beim Bergsteigen nehmen mit fortschreitender Erderwärmung zu. Das gilt unter Bergexpert:innen mittlerweile als gesicherte Tatsache. Mit dem Abschmelzen des Permafrosteises löst sich der ‚Kitt der Alpen‘ in hohen Lagen langsam auf, doch laut Alpenverein sind auch niedrigere Regionen betroffen. Studien gehen davon aus, dass bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts die Frequenz sogenannter extremer Jahrhundertereignisse um zehn bis zwanzig Prozent steigen wird. Das bedeutet für die Praxis mehr Steinschläge, mehr Vermurungen und damit mehr Schäden an der alpinen Infrastruktur.
Wir haben mit Peter Ladstätter, dem Obmann der Osttiroler Bergrettung darüber gesprochen, was das für den Bergsport und das Wandern im Bezirk bedeutet.
Die Klimakrise zieht bereits zahlreiche Folgen nach sich, inwiefern merkt man das bei uns in Osttirol? Haben die alpinen Gefahren zugenommen?
Ich denke schon, dass gerade heuer die alpinen Gefahren zugenommen haben, einmal geschuldet dem milden Winter, mit verhältnismäßig wenig Schnee im Hochgebirge, der zudem durch starke Windverfrachtung von unseren Gletschern geblasen wurde. Dazu kam der Saharastaub, der das Schmelzen der Neuschneedecke und der Gletscher beschleunigt. Die Zahl an Unfällen, verursacht durch Steinschläge, Erdrutsche, Lawinen auf Osttirols Bergen hat sich aber vorläufig noch nicht erhöht.
Der Alpenverein warnt vor hinabstürzenden Fels- und Eismassen, erhöhter Absturz- und Spaltensturzgefahr, Vermurungen usw. Was heißt das jetzt für die Alpinisten?
Die überaus warmen Temperaturen und das stetige Steigen der Nullgradgrenze, die inzwischen schon teilweise über 4.000 Metern Seehöhe liegt, lassen den felsigen Grund auch bis in hohe Lagen auftauen. Dadurch können Geröll aber auch größere Felsen abbrechen und zu Tal stürzen. Regnet es bis in hohe Lagen – statt zu schneien – sammelt sich Wasser in Gletscher- und Felsspalten und kann Gletschereis bzw. Felsmassen explosionsartig lösen. Erhöhte Gefahr besteht jeweils nach massiven Niederschlägen in Form von Regen – in diesem Falle sollte man auf Hochtouren in besonders exponierten und bekannt gefährlichen Gebieten verzichten und die nächste stabile Schönwetterlage abwarten. Eine gewisse Restgefahr bleibt leider immer bestehn.
Die Gletscher schmelzen, das hat kürzlich auch Klimaforscher Georg Kaser unmissverständlich bestätigt. Sind Touren auf die Osttiroler Gletscherberge noch ratsam?
Das Abschmelzen der Schnee und Eisdecke auf unseren Gletschern steigert die Gefahr von Spaltenstürzen massiv, da viele Schnee- und Eisbrücken sehr dünn geworden und für den Bergsteiger schwer einschätzbar geworden sind. Trotzdem besteht meiner Meinung nach kein Grund zur Panik bzw. Panikmache. Grundvoraussetzung für eine sichere Hochtour ist eine akribische Tourenplanung unter Berücksichtigung aller Basics: Eigenes körperliches Leistungsvermögen bzw. das der Gruppe, richtige technische Ausrüstung inkl. Erste Hilfe und Notfallset. Achtung: Gletscher werden nur angeseilt betreten! Wer auf Nummer sicher gehen möchte, nimmt sich einen Bergführer. Unsere Bergführer sind mit den alpinen Gefahren vertraut und kennen die tagesaktuellen Verhältnisse der jeweiligen Hochtour.
In welchem Ausmaß sind die Wanderwege und Wandersteige auf unsere Berge betroffen? Wurden Wege verlegt oder sind Gebiete oft komplett unzugänglich?
Aktuell werden immer wieder Wegabschnitte oder gewisse Gebiete aus sicherheitstechnischen Gründen vorübergehend gesperrt – das war aber immer schon so. Unser Wegenetz wird in erster Linie vom Wegetrupp des Alpenvereins und des Tourismusverbandes bestens betreut und gewartet. Hier appelliere ich um Verständnis, dass nicht alle Wege zugleich gleich gut betreut werden können. Alpenverein und Tourismusverband versuchen vorausschauend auf mögliche Gefahren hinzuweisen – dafür sei auch einmal Danke gesagt.
Wie bereitet sich die Bergrettung auf die Herausforderungen in der Zukunft vor?
Wir schärfen unsere Aus- und Fortbildung ständig nach, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Unter Berücksichtigung der eigenen Sicherheit werden Rettungs- und Bergetechniken laufend an die Verhältnisse angepasst. Ich sehe der Zukunft sehr gelassen entgegen, im Wissen, dass wir mit allen Blaulichtorganisationen im Bezirk gut aufgestellt sind und möchte mich auf diesem Wege bei allen noch einmal dafür bedanken, da ich es als nicht selbstverständlich erachte. Allen Lesern, Einheimischen und Gästen wünschen wir von der Bergrettung Tirol viele schöne Wanderungen und Touren. Möchtet ihr stets wieder gesund nach Hause kommen!
Danke für das Gespräch.
Ein Posting
....wie viele Spaltenstürze gab es jetzt im heurigen Jahr? Hat die Prognose von L. gestimmt?
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