Der sonst eher unscheinbare Bischof-Reinhold-Stecher Platz in Innsbruck zieht derzeit mit belebtem Geschehen Aufmerksamkeit auf sich. „Ich bin da“ lautet der Titel einer Installation, die am 2. Juni vom „20er“ – der Tiroler Straßenzeitung – gemeinsam mit dem „Institut für Gestaltung. Studio 2“ der Universität Innsbruck eröffnet wurde. Zwischen den alten Bäumen vor der Universitätskirche stechen leuchtend rote Holzelemente hervor – Sitzmöbel, Liegeinseln und Bühnenelemente, die darauf warten, von der Bevölkerung angeeignet zu werden.
Das Design der Installation wurde von Architekturstudierenden entwickelt. Angelehnt an Faltkartons, die Menschen ohne Heim oft für ihre Schlafplätze verwenden, bezieht sich „Ich bin da“ auf die Sichtbarkeit von Obdachlosen, die mehr und mehr aus der Wahrnehmung unserer Gesellschaft verschwinden. Dennoch leben in der EU rund 700.000 Menschen auf der Straße.
„Straßenzeitungen haben sich aus dem Thema der Obdachlosigkeit heraus entwickelt, indem man Betroffenen die Möglichkeit geben wollte, durch den Verkauf von Zeitungen wieder Teil der Gesellschaft zu werden“, sagt Birgit Schmoltner, Vorstandsmitglied des 20er. Nach wie vor ist Obdachlosigkeit ein relevantes gesellschaftliches Thema, doch in Hinblick auf das Konzept der Straßenzeitung hat sich einiges verändert: „Wir haben kaum mehr Obdachlose, die Zeitungen verkaufen, weil sie durch die Sozialhilfe nichts dazuverdienen dürfen“. So gehe ein wesentlicher Aspekt der Straßenzeitung verloren – nämlich Menschen, die auf der Straße leben, ins öffentliche Bewusstsein zu holen und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern.
Der 20er hat mit seinem Relaunch vor zwei Jahren nicht nur sein visuelles Erscheinungsbild verändert, sondern geht nun auch konzeptuell neue Wege. Mit dem initiierten Projekt „Ich bin da“ wird nun auch das Stadtgeschehen mitgestaltet und der öffentliche Raum mit seinen Gestaltungsmöglichkeiten sichtbar gemacht. So hat die Installation neben dem Terminal Marktplatz an einem sehr zentralen Ort, der sonst von der Stadtbevölkerung kaum wahrgenommen wird, ihren Platz gefunden. „Für mich war dieser Platz schon immer ein Phänomen. Es wäre eigentlich eine wunderschöne Ruhezone mitten im Stadtzentrum, wo allerdings nie Menschen sitzen“, so Schmoltner, die das Potenzial dieses Ortes erkannt hat und dessen Geschichte nun mitverändern möchte.
Bis Mitte August wird „Ich bin da“ begehbar sein. Währenddessen sind dort auch kleinere Veranstaltungen geplant. Unter anderem findet am 15. Juni ein Gespräch mit der Berliner Künstlerin Jana Sophia Nolle statt, deren Fotoausstellung „LIVING ROOM“ an den Stehwänden der Installation angebracht ist. Die Bilder zeigen nachgebaute Wohnräume von Obdachlosen, die in Apartments von San Francisco bis Berlin platziert wurden und somit auf einen Blick die große Diskrepanz zwischen unterschiedlichsten Lebensrealitäten veranschaulichen. Die Ausstellung ist rund um die Uhr frei zugänglich.
„Alle Menschen sind gleichermaßen eingeladen, diesen Raum zu nutzen“, finden die Initiator:innen, die auch Einzelpersonen und Kollektive dazu einladen, das Programm vor Ort mitzugestalten und für die Sauberkeit des Platzes zu sorgen, der immerhin einladend bleiben soll. „Wir glauben, dass die Gesellschaft aktuell sehr auseinanderdividiert ist. Es wird Zeit, dass wir alle wieder mehr zusammenrutschen“, so Schmoltner, die darauf hinweist, dass die Signalfarbe Rot nicht nur auf den Missstand der Obdachlosigkeit hinweist, sondern symbolisch auch für Wärme und Liebe steht.
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