Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass bestimmte Pflanzenarten aufgrund des Klimawandels immer weiter nach oben wandern. Doch wie die Pflanzen physiologisch darauf reagieren, ist bisher noch wenig erforscht: So wurde beispielsweise noch nie eingehend untersucht, wie der Luftdruck, der mit zunehmender Höhe sinkt, und die Anpassungsmechanismen der Pflanzen an die Höhe zusammenhängen.
„Es ist äußerst komplex, den Einfluss einzelner Umweltfaktoren, beispielsweise des Luftdrucks, im freien Gelände zu untersuchen“, erklärt Matteo Dainese, Ökologe am Institut für Alpine Umwelt von Eurac Research. „Wenn wir Organismen in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten, sind bestimmte Umweltbedingungen – beispielsweise Luftdruck und Temperatur – eng miteinander verbunden. Sie getrennt voneinander zu untersuchen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.“
Aus diesem Grund hat das Forscherteam von Eurac Research und Universität Innsbruck einen speziellen Test entwickelt, der in diesen Wochen im Extremklimasimulator terraXcube von Eurac Research in Bozen durchgeführt wird: In vier Klimakammern stellen die Forscher unterschiedliche – für den Alpenraum typische – Umweltbedingungen nach, und zwar unabhängig voneinander. Dabei werden Pflanzenarten aus dem Südtiroler Matschertal auf Knopfdruck in unterschiedliche Höhenlagen gebracht. Gleichzeitig bleiben Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichtverhältnisse unverändert.
Mikroorganismen als Aufstiegshilfe für Pflanzen
Neben Pflanzen beobachtet ein Forschungsteam um den Mikrobiologe Paul Illmer von der Universität Innsbruck im terraXcube auch die Mikroorganismen im Boden: Einige Forschungsergebnisse deuten nämlich darauf hin, dass sie Pflanzen dabei unterstützen können, sich neuen Lebensräumen anzupassen. Ein Teil der Pflanzen wird in sterilisiertem Boden ohne Mikroorganismen gezüchtet, andere Pflanzen im Boden des Matschertals, mit den dort vorkommenden Mikroorganismen. Außerdem testet das Forscherteam die physiologische Reaktion verschiedener mikrobieller Reinkulturen, sowohl Pilze als auch Bakterien.
„Wir wollen durch diese Tests verstehen, welche Mikroorganismen sich höheren Lagen am besten anpassen, wie sich ihre Leistungen im System Boden verändern und welche Organismen imstande sind, die negativen Auswirkungen auf die Pflanzen zu reduzieren, die sich direkt oder indirekt durch die Höhe ergeben“, erklärt Paul Illmer, der unter anderem die Arbeitsgruppe Mikrobiologie und Klimawandel an der Universität Innsbruck leitet.
Bis zu 4.000 Meter Seehöhe
Bei einem der simulierten Szenarien bringt das Forscherteam die Pflanzen und Organismen in 2.500 Meter Höhe. „Das ist wohl eines der wahrscheinlichen Szenarien, die wir laut Klimamodellen um das Jahr 2100 haben könnten. Sollten die weltweiten Emissionen nicht eingedämmt werden, sehen diese Modelle bis zum Ende des Jahrhunderts einen Temperaturanstieg zwischen 4 °C und 7 °C vorher. Das bedeutet, dass Pflanzenarten etwa 600 bis 1.000 Meter weiter nach oben wandern könnten”, erklärt Matteo Dainese.
In einer anderen Klimakammer werden 4.000 Höhenmeter simuliert: Diese extremen Bedingungen sind zwar nicht realistisch, sie erlauben dem Forscherteam jedoch, genauer zu beobachten, wie Pflanzen auf geringen Luftdruck reagieren. Während der Tests untersucht das Team außerdem, wie sich die Photosynthese und die Transpiration der Pflanzen in der Höhe verändern, um zu verstehen, welche Arten sich höheren Lagen gut anpassen.
Diese ersten Tests werden im Rahmen des dreijährigen Projekts UPSHIFT durchgeführt. „Bei den nächsten Experimenten werden wir untersuchen, wie sich Mikroorganismen und Pflanzen verhalten, die aus anderen Lebensräumen und Höhenlagen stammen und analysieren, wie sie als neues Ökosystem miteinander interagieren“, so Dainese abschließend.
In Zukunft werden sich Ökosysteme nämlich aus neuen Arten sowie neuen Kombinationen von Pflanzen, Insekten und Bodenorganismen aus unterschiedlichen Höhenlagen zusammensetzen. Im terraXcube können die Forscherinnen und Forscher jetzt schon – mit einem Vorsprung von einigen Jahrzehnten – beobachten, wie diese Ökosysteme in Zukunft aussehen könnten.
Das Projekt wird vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Autonomen Provinz Bozen finanziert.
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