Es ist ein kalter Donnerstagabend in Obertilliach, dichte Wolken hängen im Tal. Unter den Bauern herrscht eine bedrückende Stimmung. Am Pfingstwochenende wurden der Behörde insgesamt sieben tote Schafe auf Almen in Osttirol gemeldet. Zahlreiche weitere Tiere werden noch vermisst. Es besteht der konkrete Verdacht auf ein Großraubtier. Ein oder mehrere Wölfe haben vor wenigen Tagen auch im Gratalgraben bei Steinfeld mindestens 16 Schafe und ein Kalb gerissen.
Rund 400 der 1.300 Landwirtschaftsbetriebe in Osttirol halten Schafe. In kaum einer anderen Region Österreichs weiden so viele wollige Multitalente. Pro Betrieb werden hier im Schnitt 37,8 Schafe gehalten – österreichweit liegt der Wert bei 16,4 Schafen. Diese großen Herden gehören geschützt, da sind sich die Beteiligten einig. Bei der Frage nach der Lösung scheiden sich jedoch die Geister.
Die Bauern sind unruhig und wütend. An diesem Donnerstagabend marschieren sie in Scharen in das Biathlonzentrum Obertilliach. Die Gemeinden Kartitsch, Lesachtal sowie Ober- und Untertilliach stellen bei einer Podiumsdiskussion die Gretchenfrage. Den Anfang macht Reinhard Huber von der Abteilung Schafe und Ziegen der HBFLA Raumberg-Gumpenstein.
Huber stellt vor dem Saal Weidezäune auf, zeigt verschiedenste Materialien und klärt über hundert anwesende Bauern über die Möglichkeiten im Herdenschutz auf. Doch diese lassen die Landwirte bei frischen Temperaturen wortwörtlich kalt. „Normal dürften wir uns das gar nicht anhören“, murmelt ein Bauer. Mit ernster Miene beäugt er Huber und seine Zäune. Wir schenken dem Experten vor dem Wechsel in den Saal unsere Aufmerksamkeit und bitten ihm zum Audiointerview:
Der nächste, der in die Bauernrunde spricht, ist Albin Blaschka, Geschäftsführer des Österreichzentrums „Bär, Wolf und Luchs“. Er wirft aktuelle Zahlen zur Wolfspopulation an die Wand, zeigt Möglichkeiten auf und plädiert anschließend für ein konstruktives Miteinander. Oberstes Ziel des Österreichzentrums ist eine konfliktarme Koexistenz. „Wir haben in unserer Kulturlandschaft Regeln, die sich ohne den Wolf entwickelt haben. Damit müssen wir umgehen“, so Blaschka, der für Hirten, Herdenhunde und Pferche wirbt.
Ein Leben mit dem Wolf will sich im Saal aber kaum jemand vorstellen, das wird spätestens während der Podiumsdiskussion klar. TVBO-Obmann Franz Theurl, Konrad Kreuzer von der Bezirkslandwirtschaftskammer und der Osttiroler Jägermeister Hans Winkler treten vor und blasen ins selbe Horn – sehr zur Freude der Anwesenden. Kreuzer zweifelt an Maßnahmen wie dem Einsatz von Hirten: „Wenn der Arbeitsaufwand zu groß wird, hört die Schafwirtschaft auf.“ Das müsse man „denen in der Stadt“ erklären.
„Dieses Problem ist ganz einfach zu lösen und wir alle wissen das.“
Matthias Scherer über den Umgang mit dem Wolf
Blaschka und Huber schlagen vor, dass die öffentliche Hand für Maßnahmen, wie die Behirtung oder den Einsatz von Hunden und Zäunen aufkommen soll: „Dann können wir das angehen und anschließend schauen, was es bringt. Natürlich wird es auch ein Management brauchen.“ Doch Franz Theurl will den Schafbauern keine Herdenschutzmaßnahmen zumuten: „Es braucht ein temporäres Abschussfenster, damit Ruhe einkehrt.“ Der Saal bebt, solche Ansagen will man hören. Davon lässt sich auch Obertilliachs Bürgermeister Matthias Scherer inspirieren: „Dieses Problem ist ganz einfach zu lösen und wir alle wissen das. Ich sehe nicht ein, warum wir unnötig öffentliche Gelder verschwenden sollten.“
Der Funke ist übergesprungen, die Landwirte stehen auf und reden sich den Frust von der Seele. Einhelliger Tenor: Der Wolf muss weg. Nur noch die EU-weite FFH-Richtlinie hält die Bauern- und Jägerschaft davon ab, die Jagd auf Meister Isegrim zu eröffnen. Doch darauf verlassen sollte sich das Tier angesichts einiger Parolen der Anwesenden nicht. Manche spielen offen mit dem Gedanken an einen Gesetzesbruch. „Worauf warten wir? Bis das Gesetz geändert wird, vergeht zu viel Zeit. Wir sollten sofort schießen“, ruft ein junger Mann aus den hinteren Reihen und der Saal schreit auf.
Andere sorgen sich nicht nur um die Schafe: „Wer schützt unsere Kinder, wenn sie im Wald spielen?“ Ein älterer Herr steht auf, er ruft und gestikuliert wild: „Für mich ist jeder Wolf ein Problem. Was ist, wenn er einmal einen von uns frisst?“ Applaus. „Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug. Erst wenn die Freizeitnutzer dran sind, wird sich etwas ändern“, meint ein anderer Herr. „Der Wolf ist ein Brandbeschleuniger für das Bauernsterben“, tönt es aus den vorderen Reihen.
Jägermeister Hans Winkler schwört die Anwesenden ein: „Wenn ihr uns braucht, werden wir da sein und unsere Pflicht erfüllen.“ Die Bauern sollen stark bleiben: „Vielleicht sollten wir in Innsbruck aufmarschieren und zwei Tage lang nicht weggehen. Der Grund gehört euch und nicht den NGOs.“
Konrad Kreuzer spürt offenbar, in welche Richtung sich der Abend entwickelt und steigt auf die Emotionsbremse: „Ich verstehe eure Sorgen. Wir leben aber immer noch in einem Rechtsstaat, die Gesetze sind zu respektieren. Ihr könnt euch aber sicher sein, dass auf politischer Ebene alle Hebel in Bewegung gesetzt werden.“
Die Landwirte besänftigt das nicht, sie wollen den Wolf tot sehen. Lieber heute als morgen. Moderatorin Helene Brunner bricht die Diskussion zu später Stunde ab. An der Theke wird weiter debattiert, die von Blaschka aufgelegten Heftchen über „technischen Herdenschutz“ sind an diesem Abend ein Ladenhüter.
19 Postings
ich möchte meinen Kommentar kurz halten, denn bei so viel Schwachsinn der hier geschrieben wird ist mir die Zeit zu schade zu diskutieren. Eine Frage an alle: Warum seid ihr nicht bei solchen Veranstaltungen dabei und diskutiert mit. Anonym zu schreiben noch dazu ohne Hintergrundwissen ist feige und primitiv. Detail am Rande - Ich bin Bergbäuerin
Sie schreiben ja selber anonym.
ein 3 fach hoch auf dein statement !!
Univ.-Prof. Prim. Dr. Reinhard Haller zur Wolfsthematik: „Die oft vorgebrachte Forderung nach Entemotionalisierung der Diskussion klingt für einen Psychotherapeuten angesichts der massakrierten Schafe, der traumatisierten Herden und der schwer frustrierten Hirten wie eine gefährliche Drohung. Soll das Mitleiden mit hilflosen Tieren, nur weil sie Schafe sind, unterdrückt und das Verständnis für die immer weniger werdenden Schäfer abgewürgt werden?“ Er spricht von einer klassischen Täter-Opfer-Umkehr und empfiehlt allen doch mal mit den Älplern zu reden. PS.: Auch für mich ist klar, der Wolf hat bei uns keinen geeigneten Lebensraum!
Es gibt in dieser Sache aber keinen Täter, zumindest keinen menschlichen, sondern einen tierischen, der seiner Natur folgt. Dass es nicht emotionslos geht, ist auch klar, aber halbwegs gesittet und auf Basis eines Rechtsstaates schon! Und nein, bei aller Wertschätzung für Dr. Haller, muss zumindest ich nicht blind all seinen Ausführungen zustimmen und kann mir meine Meinung dazu bilden.
Gruselige Veranstaltung.
Trotz mehrmaligen Lesens des Berichts drängen sich mir ob der zitierten Aussagen bei der Veranstaltung mehrere Fragen auf:
1) Wie groß ist die Schafherde des Herrn TVB-Obmanns Theurl? 2) Für wen genau soll denn das geforderte "Abschussfenster" geöffnet werden? 3) Hat Herr Scherer nicht schon mehrfach als Bürgermeister einen Eid auf die Gesetze der Republik Österreich abgelegt?
Kann mich @manchmalgottseidankexilosttiroler nur anschließen: den Protagonsiten des Titelbildes Gabeln und Sensen in die Hand drücken (oder zeitgemäß vielleicht Rifles oder Pumpguns) - und das letzte Aufgebot ist pefekt re-inszeniert!
Bei allem Verständnis für die (geschädigten) Bauern sollte wieder auf sachlicher Ebene und weniger emotionsgeladen diskutiert werden, insbesondere sollen auch die Kommunalpolitiker und Verantworrtungstraeger diesbezüglich mit gutem Beispiel vorangehen. Für unerträglich halte ich eine Dämonisierung des Wolfes als menschenfressende Bestie, Tiere folgen lediglich ihrer Natur.
Wenn Schafherden in alle Richtungen versprengt werden und einige immerwieder getötet und verletzt werden ist wohl keine Almwirtschaft mehr möglich. Herdenschutz ist im Alpinen Gelände auch nicht möglich. Ohne Emotionen und ganz Sachlich muss man feststellen: Wolf oder Almwirtschaft. Und nein ich bin kein Schafbauer.
Der Herdenschutz ist eine kostenintensive Maßnahme, die in der Theorie funktionieren kann, in der Praxis aber viele Schwachstellen hat. Dazu kommt noch der große Arbeitsaufwand, der für die kleinstrukturierte, extensive Landwirtschaft mit großem Tierwohl nicht bewältigbar ist. Wölfe sind nun mal Raubtiere und das Konfliktpotenzial ist bei uns einfach zu groß, daher wird es zwangsläufig zu eine Regulierung der Wolfsbestände kommen.
Gratuliere zum Titelfoto,genial! Bin leider eine künstlerische Niete, aber in meinem Kopf sehe ich eine Neufassung des kürzlich hier besprochenen Egger-Lienz Klassikers "Das Kreuz". Mit Franz Theurl als Anführer des Schafbauernmobs mit schwarzem Hut, grimmigen Gesicht und Sense in der Hand. Es lebe der TVBO! Der Verband, der alles kann.
Am Weg zum Helenenkirchl prangt jetzt die rote Tafel "Achtung Wolfsgebiet". Es wird spannend.
Da gehört die Zusatztafel : " Achtung Menschgebiet" . Der Mensch ist wohl die größte Bestie auf dem Planeten, wie schon oft ausgeführt.
... „Für mich ist jeder Wolf ein Problem. Was ist, wenn er einmal einen von uns frisst?“ - Applaus!!? - wie geil ist das denn? Die Mär vom Bösen Wolf, jaja... und die Kinder nicht mehr im Wald spielen lassen.. ja unbedingt und unbedingt all die Staaten informieren, die schon seit Jahren wieder mit dem Wolf leben müssen und bei denen ständig Menschen gefressen werden. „Der Wolf ist ein Brandbeschleuniger für das Bauernsterben" - ja klar. Braucht ja keiner EU-Mittel, den neuen Traktor zahlt man ja easy durch den Verkauf der Lämmer, äh Zuchtschafen oder nein, richtig Kohle macht ja man mit Milch... Na ja, jetzt nur nicht ablenken - Fokus auf den Wolf, der ist ja das Problem! Für mich macht es den Anschein dass solche Veranstaltungen wenig konstruktiv sind. Es sollte darum gehen eine Lösung zu finden, die aus meiner Sicht mehr kann als jeden Wolf in Osttirol zu töten.
der grösste wolf steht ganz vorne ... der mit dem mikrofon ...
Nur weil kein Mensch, der vom Wolf angefallen wurde, uns noch sagen kann, dass er vom Wolf angefallen wurde, können wir nicht sagen, dass noch kein Mensch vom Wolf angefallen wurde. Und wenn der Wolf jetzt auch Bauern frisst, hat die Befürchtung des Bauernsterbens schon ihre Berechtigung.
Eine Veranstaltung wo viel aufgestauter Dampf abgelassen wurde. Ist auch verständlich. Nur die Situation ändert sich durch solche Veranstaltungen nicht. Was ist das Ergebnis dieser Veranstaltungen? Na ja man weiß jetzt dass die Bauernschaft von Herdenschutzmaßnahmen nichts hält und möglicherweise zur Selbstjustiz bereit ist. Das ist aber schon länger bekannt.
Mir stellt sich die Frage ob die Organisatoren dieser Veranstaltung auch unsere lokalen Vertreter im Landtag eingeladen haben? Ob diese irgendwie in der Lage sind oder ob sie überhaupt gewillt sind Druck an die gesetzgebenenden Institutionen auszuüben? Anwesend war laut den Bilder keiner?
Letzlich habe ich das Gefühl dass die Fronten ziemlich verhärtet sind und weder Gegner noch Befürworter einen Millimeter von ihrem Standpunkt abweichen werden. Ein wenig Bewegung und guter Wille von beiden Seiten würde die Lage sicher sehr schnell entspannen. Und bitte das Thema nicht zuviel aufpauschen - wir haben im Moment in Europa und auf der Welt sehr viel größere Probleme die es zu lösen gilt und die uns alle viel mehr beschäftigen sollten.
Mein Vorschlag: Ein Opferwidder, sauberst gewaschen und gekampelt mit Fönwelle (Auch Föhnwelle - siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Haartrockner), so wie in Obermauern, wird unter beschwörenden Gelöbnisformeln durch Osttirol getrieben, anschließend auf einem Altar geopfert, oder wie immer man das macht. Vielleicht lässt sich damit der Zorn Gottes oder der Wölfe besänftigen. Hat ja offensichtlich, wenn man den Berichten glauben kann, in Pestzeiten, naja eigentlich in der ganzen biblischen Menschheitsgeschichte funktioniert. Da spart man sich die Herdenschutzmaßnahmen, hat zusätzlich ein Volksfest, spart sich die staatlichen Rissvergütungen und hat sein Gewissen über oft unmenschliche - oder sollte besser heißen untierliche - Massentierhaltung beruhigt. Einen Haken hat die Sache allerdings. Unsere Jäger kommen um den Abschuss - weil den Opferwidder kann man schlecht auf offener Straße oder am Opferaltar erschießen. Der muß schon "sachgerecht" erstochen werden.
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