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Mehrere Firmen im Lienzer Becken verfügen über einen Bahnanschluss. Fotos: Dolomitenstadt/Wagner

Mehrere Firmen im Lienzer Becken verfügen über einen Bahnanschluss. Fotos: Dolomitenstadt/Wagner

Güterverkehr in Osttirol: Freie Fahrt aufs Abstellgleis

Güterzüge verschwinden, der Straßentransport floriert. Die Verlagerung auf die Schiene droht zu scheitern.

Auf Österreichs Straßen sind immer mehr Lkw unterwegs. Sie verschmutzen die Umwelt und sorgen auf den Autobahnen für Stau. Auch durch Osttirol zwängen sich Tag um Tag hunderte tonnenschwere Kolosse, die Bevölkerung stöhnt unter der Verkehrsbelastung. Dabei gibt es eine Alternative: Die Bahn. Für den Güterverkehr ist sie aber unattraktiv.

Dass der Trend weiter in die falsche Richtung geht, bestätigen einerseits die Zahlen zum Verkehrsaufkommen und andererseits Gespräche mit Osttiroler Unternehmen. Eine aktuelle Erhebung der Statistik Austria zeigt, dass der Güterverkehr auf der Schiene mit angezogener Handbremse rollt. 102,2 Millionen Tonnen Fracht wurden in Österreich im Vorjahr mit der Bahn transportiert. Das hört sich zwar beeindruckend an, entspricht jedoch nicht einmal einem Drittel der beförderten Güter.

Viele Speditionen steigen wegen den niedrigeren Kosten lieber in den Lkw, als in den Zug. Auch deshalb lag der Anteil des Güterverkehrs auf der Straße 2021 über Vorkrisenniveau. Die auf der Straße beförderte Tonnage erhöhte sich im Vorjahr um 7,4 Prozent auf 403,5 Millionen Tonnen. Dieser Wert sank auf der Schiene von 2017 bis 2020 kontinuierlich.

Die vielfach beschworene Verlagerung auf die Schiene gerät ins Stocken. Auch in Osttirol wurden die Weichen für nachhaltigen Transport Richtung Abstellgleis gestellt. Im Lienzer Becken hängen die Firmen Liebherr, Rossbacher, Austrian Power Grid, Oberdrautaler Transporte und das Mischfutterwerk der Raiffeisengenossenschaft (RGO) am Bahnnetz. Von regem Güterverkehr ist dort keine Rede. „Wir nutzen unser Gleis“, erklärt RGO-Geschäftsführer Thomas Diemling und schränkt ein: „Als ich vor rund 30 Jahren angefangen habe, wurde mehr als die Hälfte der Ware mit der Bahn angeliefert und abgeholt. Heute liegen wir unter 20 Prozent.“

Trotz Klimawandel und Energiekrise hat die Schiene bei den Genossen nicht an Bedeutung gewonnen. Bei einem Lokalaugenschein in den Morgenstunden ist es am RGO-Gleis ruhig. Um die Ecke reihen sich mehrere Lastwägen mit Kennzeichen aus Ländern wie Litauen, Rumänien und Deutschland ein. Sie warten darauf, be- oder entladen zu werden. „Auch die Partner müssen einen Bahnanschluss haben, damit es über die Schiene läuft. Die Effizienz ist kleiner als man sich das vorstellt und ‚just in time‘ kaum möglich“, so Diemling. Der Rohstoff für das Düngemittel der RGO ist eine der wenigen Waren, die noch auf der Schiene nach Lienz kommen.

Liebherr wollte und will sein Nebengleis nie stilllegen, ist aber vor allem auf die Zulieferer und Kunden angewiesen. „Die Kunden bezahlen den Transport, also entscheiden sie auch, wie dieser erfolgt“, erklärt Geschäftsführer Holger König. Auch er räumt ein, dass auf dem Werksgleis in der Peggetz nicht allzu viel los ist. Gewisse Rohmaterialien kommen mit der Bahn an. Weniger Kilometer entfernt hat auch die Austrian Power Grid ein eigenes Gleis, über das im September 2019 der neue Riesentransformator in das Umspannwerk gefahren wurde.

Gegenüber verarbeitet die Firma Rossbacher die Abfälle der gesamten Region. Grundstoffe, wie Holz, Glas und Karton verlassen das weitläufige Areal in Containerwaggons. Im Oberland nutzt die Firma Theurl die Bahn als Transportmittel. Im Vergleich zum Lkw-Verkehr des „Holzriesen“ dürfte der Anteil des Schienenverkehrs deutlich hinterherhinken, Firmenchef Hannes Theurl beteuert jedoch: „Wir lasten die Kapazitäten der ÖBB für die Rundholztransporte derzeit voll aus.“ Konkrete Zahlen will er jedoch nicht nennen.

Hannes Theurl sieht die Zukunft der Schiene unter den gegebenen Umständen skeptisch.

Obwohl es wortwörtlich höchste Eisenbahn ist, dass die nachhaltige Verlagerung auf die Schiene forciert wird, rückt dieses Ziel nicht nur in Osttirol in weite Ferne. 2020 rollten 6.375 Züge durch Österreich – davon waren 1.052 im Güterverkehr unterwegs. Der Schienenanteil am Gesamtgüterverkehr soll sich bis 2025 von bisher 28,2 (2020) auf 40 Prozent steigern. Die Zweifel daran, an dieser Marke zu kratzen sind groß und das, obwohl die Fakten erdrückend sind: Im Vergleich zum Güterverkehr auf der Straße ist der Transport auf der Schiene umweltfreundlicher, platzsparender und effizienter. So stößt ein Lkw 40 Mal so viel CO2 aus und braucht die dreifache Verkehrsfläche eines Zuges.

Nach einem Paradebeispiel für die Verlagerung auf die Schiene muss man nicht lange suchen. In der Schweiz ist alles auf Schiene. Auch die Eidgenossen kämpfen mit gewaltigem Transitverkehr, haben jedoch die Zeichen der Zeit erkannt und investieren gezielt in die Bahn. Mit Erfolg: Schon 2018 lag der Anteil der Schiene an Gütertransporten durch die Schweiz bei 70 Prozent.

In Österreich haben hingegen die Lastwagen die Züge abgehängt. Die Verkehrsleistungen mit Bahn und Bus ersparen dem Klima laut ÖBB pro Jahr rund 4,2 Millionen Tonnen CO2. Damit Österreich die zugesicherten Klimaschutzziele erreichen kann, müssen bis zum Jahr 2030 weitere acht Millionen Tonnen CO2 im Verkehrssektor eingespart werden. Ohne zusätzliche Verlagerungen auf die Schiene wird das nicht zu schaffen sein.

„Die Bedeutung unseres Gleises hat nicht zugenommen“, sagt RGO-Geschäftsführer Thomas Diemling. Foto: Brunner Images

„Ich bin sehr pessimistisch. Da wird sich nichts ändern.“

Thomas Diemling

Thomas Diemling von der RGO zweifelt an einer Trendwende: „Ich bin da sehr pessimistisch. In den nächsten Jahren wird sich da nichts ändern.“ Mehrere Osttiroler Firmen mit Bahnanschluss schieben der ÖBB den „schwarzen Peter“ zu, weil die Bahn wenig flexibel sei und sich nicht ernsthaft mit einem Ausbau der Güterschiene befasse. „Es werden ja beispielsweise immer mehr kleine Anschlüsse einfach aufgelassen. Uns ist das in Sillian beim Bahnhofsumbau passiert“, so Diemling. Eine Stellungnahme der ÖBB, die sich als „größtes Klimaschutzunternehmen des Landes“ sehen, wurde uns zwar versprochen, aber nicht zugestellt.

Geht es nach Hannes Theurl, ist der Zug schon abgefahren: „Wegen der derzeitigen Struktur der Bahn und der mangelnden Flexibilität kann das nicht funktionieren. Deswegen hat die Schiene für uns nicht oberste Priorität.“ Auch die Post hat sich mit ihrem neuen Verteilerzentrum in Nußdorf-Debant in Bahnnähe angesiedelt. Diesen Vorteil will das Unternehmen aber nicht nutzen, Briefe und Pakete kommen auch in Zukunft mit dem Lkw nach Osttirol. „Ein Gleisanschluss in Nußdorf-Debant ist für die Post kein Thema. Wir haben sehr strenge Vorgaben für Laufzeiten von Postsendungen und das geht sich mit der Bahn leider nicht aus“, teilt uns die Post auf Anfrage mit.

Franz Rossbacher weiß: „ Der Abfalltransport wird sich auf der Schiene abspielen.“ Foto: Dolomitenstadt/Wagner

Liebherr hätte nichts dagegen, wenn künftig mehr Waggons auf das Werksgelände rollen. „Es braucht aber alle Player, damit das zukunftsfähig ist“, so König. Anders sieht die Lage in der Müllentsorgung aus. Eine Novellierung des Abfallwirtschaftsgesetzes soll die Abfälle nachhaltig ins Rollen bringen. Mülltransporte ab zehn Tonnen müssen, wenn sie mindestens 300 Kilometer bewegt werden, ab kommendem Jahr verpflichtend per Bahn durchgeführt werden.

Ab 2026 wird die Schwelle auf 100 Kilometer herabgesetzt. „Der Abfalltransport wird sich auf der Schiene abspielen“, so Rossbacher. Für ihn müssen aber noch wichtige Rahmenbedingungen geklärt werden, denn der derzeitige Workflow ist vor allem auf den Lkw-Transport zugeschnitten.

5 Postings

chiller336
vor 3 Jahren

die öbb sind ja nit mal in der lage zu den reisewochenenden genug waggons anzuhängen, um dann leute ohne sitzplatzreservierung einfach rauszuschmeissen ...

 
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so ist es vielleicht
vor 3 Jahren

Wo ein Wille, da ein Weg! Muss halt von der Politik erzwungen werden, aber solange eine Wirtschaftspartei nur an die Gewinnmaximierung "ihrer" Klientel denkt, kann sich da nichts ändern. Dass es geht, weiß man ja aus der Vergangenheit. Es müssten sich halt alle mal zusammen setzen. Aber wenn man der RGO, der Post und anderen so zuhört, ist diese Umstellung absolut nicht mehr gewünscht, da es sich ja sonst "terminlich" alles nicht mehr ausgeht. Blödsinn, der Mensch würde eh längst schon wieder eine Entschleunigung brauchen, dass er merkt, dass man auch mal warten kann und man wird trotzdem normal "überleben" können. Aber die Natur wird unser umweltschädliches Verhalten sowieso bestrafen, dann kommt immer erst die Einsicht, aber dann ist es halt zu spät und es ist egal, ob die Bahn oder der LKW noch fahren, dann haben wir andere Probleme, die wir nicht mehr so einfach lösen können.

 
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steuerzahler
vor 3 Jahren

Die Bahn wird auch etwas bieten müssen. Im Beitrag werden die Probleme angesprochen. Ohne Ausbau des Schienennetzes und Kundenorientierung wird das nichts. Unsere Verantwortlichen haben das Vorbild Schweiz vor der Nase. Man muß nur mal was dazulernen, nicht nur auf die Unterstützung durch die Steuerzahler warten. Gleichzeitig muß der LKW-Transit jedes Jahr gekürzt werden.

 
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neutral
vor 3 Jahren

Warum so pessimistisch gegenüber der Bahn? Ein paar legistische Stellschrauben zu Lasten des LKW-Transports gedreht - siehe Altstoffentsorgung - und Schritt für Schritt dreht sich das Transportgeschehen wieder mehr Richtung Bahn. Und für die letzten Meter gibt's auch einen Waggon-Huckepacktransport ...

 
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    Senf
    vor 3 Jahren

    neutral: pessimismus gegen die bahn wird absichtlich erzeugt - durch schlechtreden (diemling oben).

    leider sind die manager der agrarwirtschaft und der grundversorgung trotz der heutigen kommunikationsmittel nicht mehr in der lage, die alljährlichen routinelieferungen im warenaustausch rechtzeitig und passend zu koordinieren bzw. zu disponieren. es ist ihnen vermutlich auch zu lästig, wahrscheinlich fehlt ihnen auch der gesamtüberblick zur motivation, zukunftsfeste verantwortung zu übernehmen.

    selbstverständlich ist eine bahnfracht logistisch etwas komplizierter und zeitaufwändiger. aber es ist machbar, wie man aus anderen ländern hört, denn dort koordinieren sich wirtschaftstreibende.

    in osttirol verlässt man sich wahrscheinlich - wie eh und jeh - auf die politisch agierenden kammern. aber die scheinen nicht auf den zug aufspringen zu wollen.

    warum wohl?

    @so ist es vielleicht: ja es ist so, wie du oben schreibst!

     
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