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Vom Gauhaus zum Sitz der Tiroler Landesregierung - das Land arbeitet an der Aufarbeitung der NS-Geschichte des Tiroler Landhauses. Foto: Stadtarchiv Innsbruck, Bestand Richard Müller

Vom Gauhaus zum Sitz der Tiroler Landesregierung - das Land arbeitet an der Aufarbeitung der NS-Geschichte des Tiroler Landhauses. Foto: Stadtarchiv Innsbruck, Bestand Richard Müller

Tiroler Landhaus mit NS-Hintergrund

Eine Künstlerintervention soll die Vergangenheit des Gebäudes beleuchten.

Eine künstlerische Intervention soll sich mit der historischen Nutzung des Neuen Landhauses als Sitz des nationalsozialistischen Macht- und Unterdrückungsapparates kritisch auseinandersetzen und damit zur Reflexion über die Vergangenheit und Gegenwart des Gebäudes anregen. Am 11. März 1938 wurde das Tiroler Landhaus von den Nationalsozialisten in Besitz genommen. Die Erweiterung des Alten Landhauses im Jahr 1939 sollte nicht nur dem erhöhten Platzbedarf des Staats- und Parteiapparats entgegenkommen, sondern auch die nationalsozialistische Idee und Macht nach außen hin verkörpern. Acht Entwürfe wurden für den Erweiterungsbau eingereicht, allesamt von Architekten, die Mitglied der NSDAP waren. Umgesetzt wurden die Pläne der Architekten Walter und Ewald Guth, welche ihren Entwurf als die „Abstraktion eines auffliegenden Adlers“ verstanden. Der Gauleiter Franz Hofer ließ das neue Gebäude in Rekordzeit fertigstellen. Im September 1938 erfolgte der Spatenstich, im Mai 1939 fand die Firstfeier statt. Man arbeitete im Schichtbetrieb rund um die Uhr, zum Zug kamen fast ausschließlich Betriebe, die von Mitgliedern der NSDAP geführt wurden. Auf Grund des Arbeitskräftemangels mussten die Firmen auch auf Arbeiter aus Bayern und Italien zurückgreifen. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter kamen nicht zum Einsatz, was dem Umstand geschuldet war, dass das Bauvorhaben noch vor Kriegsbeginn abgeschlossen wurde. Zur Finanzierung des rund 2,5 Millionen Reichsmark teuren Bauvorhabens bediente sich Gauleiter Hofer der Enteignung kirchlichen Vermögens. So wurde das Collegium Canisianum des Jesuitenordens als „volks- und staatsfeindliches Vermögen“ eingezogen und Anfang 1942 um 1,5 Millionen Reichsmark verkauft, die zur Tilgung des aufgenommenen Kredits verwendet wurden. Der Landhauserweiterungsbau bildete den Regierungssitz von Gauleiter Franz Hofer und damit das Zentrum des NS-Staates im Gau Tirol-Vorarlberg. Hier fielen die Entscheidungen zur Planung und Ausführung der in den Jahren 1938 bis 1945 verübten Verfolgungen und Verbrechen.
Das Landhaus heute: Die adlerartige Architektur ist geblieben, das Befreiungsdenkmal (im Vordergrund) orientiert sich stark am Stil des Landhauses. Foto: Land Tirol
Nach Kriegsende im Mai 1945 richteten sich die amerikanischen Truppen im Landhaus ein, bevor es später an die französische Besatzungsmacht übergeben wurde. Um das Gebäude von seiner belasteten Vergangenheit zu befreien, ließen die Franzosen am Landhausplatz das Befreiungsdenkmal errichten, allerdings kam durch dieses Denkmal die Architektur des Neuen Landhauses erst recht zur Geltung. 1955 wurde das Landhaus von den Dienststellen des Landes Tirol besiedelt, eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erfolgte erst wieder in den Jahren 2008 bis 2010 mit der Neugestaltung des Landhausplatzes. Im Jahr 2019 beauftragte die Tiroler Landesregierung eine Expertenkommission mit der Aufarbeitung der Geschichte des Tiroler Landhauses. Eine Umgestaltung bzw. ein Abriss des bestehenden Neuen Landhauses sei nicht angebracht befand diese, man könne die eigene Geschichte nicht ungeschehen oder unsichtbar machen. Neben pädagogischen, wissensbezogenen und erinnerungspolitischen Maßnahmen soll nun eine künstlerische Intervention die Vergangenheit des Amtsgebäudes aufklärend beleuchten. Dafür schreibt das Land Tirol einen Wettbewerb aus, bei dem internationale und nationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen sind, ihre Ideen einzureichen. Man hoffe insbesondere auf zahlreiche Einreichungen von aus Tirol stammenden oder in Tirol lebenden Kunstschaffenden, so Landesrat Johannes Tratter. Das Siegerprojekt wird von einer Fachjury ermittelt. 100.000 Euro stellt das Land für die Gestaltung und Umsetzung zur Verfügung. Für Interessierte findet am 3. März ein Lokalaugenschein am Landhausplatz statt, bei dem die Wettbewerbsaufgabe erläutert wird.
Anna Maria Huber schreibt als freie Autorin nicht nur für dolomitenstadt.at sondern auch für die Straßenzeitung 20er. Annas Stärken sind penible Recherchen und die Fähigkeit, komplexe Inhalte in klare und verständliche Artikel zu verwandeln.

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