Auf alternative Fakten folgen „alternative Medikamente“. FPÖ-Chef Herbert Kickl schwört seit geraumer Zeit neben Vitaminen auf die positive Wirkung von Ivermectin – mit gefährlichen Folgen. Zuletzt landeten mehrere Menschen in den ohnehin stark gebeutelten Krankenhäusern, weil sie sich selbst mit Ivermectin gegen Corona behandelten. Ivermectin ist ein Wirkstoff, der zur Wurmbehandlung bei Tieren eingesetzt wird.
Das „alternative Medikament“ (Zitat Kickl) war in Oberösterreichs Apotheken zeitweilig ausverkauft. Die Nachfrage steigt laut einem Bericht des „Standard“ seit Beginn der Woche rapide an. Eine Österreicherin lag wegen einer Ivermectin-Vergiftung auf der Intensivstation. Doch nicht nur Kickl spielt in dieser Misere eine zentrale Rolle, auch die Ärzt:innen tragen Verantwortung. Das Mittel ist rezeptpflichtig und muss verschrieben werden.
Von den Warnungen der Wissenschafter zeigen sich die Blauen unbeeindruckt. Im Gegenteil: Die Freiheitlichen legten im Nationalrat nach. Mit einem bizarren Auftritt lässt FPÖ-Mandatar Gerald Hauser keine Zweifel daran, dass auch er der Wissenschaft abgeschworen hat. Bewaffnet mit Tafeln, farbigen Weltkarten und einer Medikamentenpackung marschierte der einzige Osttiroler Abgeordnete im Parlament zum Rednerpult.
Unter dem Gelächter der anderen Fraktionen warb Hauser für den Einsatz von Ivermectin bei Covid-19. Hauser hielt den Beipackzettel hoch und stürzte sich auf einen Absatz, der die Dosierung für Menschen vorgibt. Für den Osttiroler der ultimative Beweis, dass das Mittel für Menschen ungefährlich ist: „Ivermectin hilft Menschen!“ Stimmt. Allerdings nur bei Krätze und nur darauf bezieht sich die Dosierung für Menschen. Vor einer Einnahme bei Covid-19 warnt mittlerweile sogar der Ivermectin-Hersteller selbst. Um sich aus der Verantwortung zu stehlen, schiebt auch Hauser die Ärzt:innen vor. Diese müssten das Mittel immerhin verschreiben.
Die ÖVP-Abgeordneten lachten. Hauser entgegnete: „Das ist eines Parlamentes vollkommen unwürdig. Man bringt hier wissenschaftliche Argumente und der ÖVP-Sektor lacht.“ Er selbst habe das Medikament auf Rezept gekauft. Ob er es eingenommen hat, ließ Hauser offen. Auch die Gerüchte um erste Todesfälle wegen Ivermectin spielte der Freiheitliche herunter: „Alles bedauerlich. Aber wenn ich eine Schachtel Schlaftabletten zu mir nehme, werde ich möglicherweise auch nicht mehr aufwachen.“ Hauser tauschte den Zettel gegen seine Weltkarte. Die ÖVP solle aufhören „Fake News“ zu verbreiten und zur Kenntnis nehmen, „dass 28 Prozent der Weltbevölkerung dieses Mittel erfolgreich gegen Covid-19 einnimmt.“ Hausers Rede kann man online auf dem Parlamentskanal ansehen. Hier die akustische Variante:
Anfragen auch in Osttirol
Auch in Osttirol versuchen Menschen, der gefährlichen Empfehlung der Freiheitlichen zu folgen und sich Entwurmungsmittel zu beschaffen. Wie Philipp Wirnsperger von der Dolomitenapotheke in Nußdorf-Debant erklärt, hätten sich einige Leute bei ihm und in der Bahnhofsapotheke Lienz nach dem Mittel erkundigt. „Tatsächlich gab es einige Anrufe. Wir wurden gefragt, ob man bei uns Ivermectin bekommt“, so Wirnsperger. Über die Theke sei das Mittel aber nie gegangen: „Ich habe den Leuten gesagt, dass sie das Mittel bekommen. Sie brauchen dafür nur ein Pferd und ein Rezept.“ Der Lienzer Tierarzt Bernd Hradecky spürte zuletzt keine erhöhte Nachfrage.
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