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Gerlinde Kieberl: „Alleingang des TVBO ist nicht tragbar“

Stellungnahme der Lienzer Gemeinderätin zum Schloßberg-Verbindungsweg am Hochstein.

Vor einigen Tagen übermittelte uns der Pressesprecher der Tiroler Grünen, Sebastian Miller, im Namen von Gerlinde Kieberl ein ausführliches Statement zum Rodelweg-Projekt des TVBO am Schlossberg. Weil das Schreiben sehr detailliert auf einzelne Aspekte und Abläufe der Entscheidungsfindung eingeht, veröffentlichen wir es im Originalwortlaut als offenen Brief. So können sich nicht nur unsere Leserinnen und Leser ein gutes Bild von der Perspektive der Projektgegner machen, sondern Bergbahnen und/oder TVBO erhalten damit auch die Gelegenheit, vorgebrachte Argumente gezielt zu entkräften, falls dies sachlich möglich ist.

Gerlinde Kieberl: „Der TVBO schafft vollendete Tatsachen und fragt erst danach um Zustimmung.“ Foto: Brunner Images

Stellungnahme von Gerlinde Kieberl (Grüne):
Nicht zum ersten Mal verfolgen der TVBO bzw. die Lienzer Bergbahnen AG unter Führung von Franz Theurl die Vorgangsweise, zuerst vollendete Tatsachen zu schaffen um erst danach um Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer oder Anrainer zu fragen bzw. diese zu erzwingen, damit ein Projekt noch schnell durchgeht.

Genauso verhält es sich meiner Meinung nach bei dem geplanten Projekt Verbindungsweg Stadtweg zur Talstation Hochstein, welches am 3. August 2021 von Geschäftsführer Mario Tölderer, Lienzer Bergbahnen AG, bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz eingebracht worden ist. Erst nachträglich, am 29. September, wurde bei der BH Lienz der Antragsteller geändert in Tourismusverband Osttirol. Die Stadtgemeinde Lienz als Grundeigentümerin eines Teils der geplanten Wegstrecke wurde erstmals mit Schreiben vom 6. Oktober 2021 von der Bezirkshauptmannschaft Lienz über das Ermittlungsverfahren und die diversen Gutachten (Naturschutzrechtliches, forstrechtliches Gutachten und sportfachliches Gutachten) zu dem Projekt informiert.

Laut Stadtratsunterlagen erfolgte am 7. Oktober 2021 eine telefonische Rückfrage bei der BH Lienz, wobei sich herausstellte, dass bei der BH Lienz

  • keine Zustimmung zur Benützung der stadteigenen GST 492 KG Patriasdorf 
  • keine Zustimmung zur Teil-Rodung GST 492 KG Patriasdorf 
  • keine Gestattung für die öffentliche Wegparzelle GST 790 KG Patriasdorf nach § 5 Sondergebrauch 

seitens der Stadtgemeinde Lienz vorgelegen sei. Man sei bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz jedoch davon ausgegangen, dass der Tourismusverband Osttirol mit der Stadtgemeinde Lienz diesbezüglich Einvernehmen hergestellt habe. Es gab Zeiten, da wurde derartiges Verhalten als vorauseilender Gehorsam bezeichnet. Laut Stadtratsunterlagen vom 7. Oktober 2021 hat es keine mündliche oder schriftliche Kontaktaufnahme oder Projektinformation der LBB AG oder des TVBO zu dem konkret beantragten Wegprojekt mit dem Bauamt oder der Grundbesitzverwaltung gegeben.

Als Gemeinderätin bin ich nur rein zufällig auf dieses Thema aufmerksam geworden, durch die Stadtratseinladung. Da ich dort nicht vertreten bin, habe ich danach am 8. Oktober 2021 Einsicht in die Unterlagen genommen. Und war doch sehr erstaunt, wie die Dinge so laufen! Schließlich wissen die handelnden Personen, welche Schritte in einem Genehmigungsverfahren nötig wären. Üblicherweise werden solche Projekte in den dafür zuständigen Ausschüssen besprochen. Hier etwa Mobilitätsausschuss und Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft.

Als Obfrau des letztgenannten Ausschusses war es mir nicht möglich, rechtzeitig über das vorliegende Projektansuchen im Ausschuss zu beraten, da die Informationen nicht rechtzeitig vorlagen. Die letzte Sitzung hat am 27. September 2021 stattgefunden, was ausgereicht hätte, wenn der Projektantrag bereits vorgelegen hätte. Zu dem Projekt insgesamt gibt es viele Fragen, besonders die nach der Sinnhaftigkeit:

Im forsttechnischen Gutachten wird dem Waldstück, in dem nun durch den geplanten Wegbau ein Steilhang „angeschnitten“ werden soll, eine sehr hohe Schutzfunktion (Schutzwald und nicht Wirtschaftswald!) ausgewiesen, es befinden sich dort sehr vitale Vorkommen jener Baumarten, die wir für den zukunftsfitten Wald im Sinne des angewandten Klimaschutzes brauchen. Genannt werden Buche, Ahorn, Winterlinde und sogar Eibe. Wir brauchen vor allem am Schloßberg mehr solche ungestörten Waldabschnitte als Rückzugsort und Lebensraum für alle Lebewesen. Unruhe gibt es in der Umgebung schon genug.

Daher habe ich am 27. Oktober 2021 eine negative Stellungnahme zu diesem Projekt an die BH Lienz und das Büro des Landesumweltanwaltes geschickt. Auch der Landesumweltanwalt hat eine negative Stellungnahme zu dem Wegprojekt abgegeben.

Ein sehr wichtiger Aspekt bei dem Projekt ist die geplante Querung der öffentlichen Wegparzelle Gst. Nr. 790: Aus dem verkehrstechnischen Gutachten von Dipl. Ing. Arnold Bodner geht hervor, dass der geplante Verbindungsweg im Kreuzungsbereich mit dem Stadtweg zwar möglich sei, im Hinblick auf „steigende Frequenzen“ in Zukunft die Errichtung einer Unterführung des Gemeindewegs Schloßberg und damit eine kreuzungsfreie Verbindung zwischen dem Verbindungsweg und dem Stadtweg empfohlen werde.

Ebenso heißt es in dem sportfachlichen Gutachten des Landes in einem Hinweis: „Die durch das Projekt entstehende „Querung“ zum Weg Gst. Nr. 790 ist normgerecht herzustellen (Beschilderung, Warnsignale, Einsehbarkeit Rodelbahn bzw. Straße, allenfalls bauliche Maßnahmen...). Lt. Antragsteller ist hier in weiterer Folge eine Unterführung (derzeit noch nicht projektgegenständlich) vorgesehen. Für mich ergibt sich daraus, dass der jetzt beantragte Verbindungsweg nach einiger Zeit aufgrund steigender Frequenzen (Radfahrer, Rodler, Tourenskigeher?) wieder nicht funktionieren wird und dann der Ruf kommt, es müsse aus Sicherheitsgründen eine Unterführung für die Biker gebaut werden.

Ob diese in Aussicht gestellte Unterführung machbar wäre oder nicht (felsiger Untergrund, weitere Sprengungen im sensiblen Wasserspeicher Hochstein, denkmalgeschützte Gebäude in der Umgebung…) und wer dann die Kosten für dieses „Nachtragsprojekt“ tragen soll, ist völlig ungeklärt.

Wie der Verbindungsweg in diesem Steilgelände ohne Verschlechterung des sensiblen Waldgebietes durchführbar sein soll, erschließt sich mir bisher nicht. In Erinnerung an Starkregenereignisse ist es mehr als zweifelhaft, ob eine bloße Aufschüttung von Material in einer solchen Lage wirklich ausreichen wird.

Ich bin der Meinung, dass zuerst genauer analysiert werden muss, welche Möglichkeiten es sonst noch gibt, für welche Verwendungszwecke der Weg gebaut werden soll, wie die Besucherlenkung erfolgen soll, denn für mich ist noch keine eindeutige Strategie erkennbar. Nur die gemeinsame Vorbereitung eines solchen Projektes, egal ob sich die einzelnen Akteure miteinander gut verstehen oder nicht, kann dann ein gutes Ergebnis für alle bringen.

Der Alleingang des TVBO wie bei diesem Projekt ist für mich als Gemeinderätin und Obfrau des Ausschusses für Umwelt, Forst- und Landwirtschaft auf keinen Fall tragbar. Es wird damit nämlich nichts anderes angestrebt als das Schaffen vollendeter Tatsachen. Derartiges ist mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht vereinbar!

Gerlinde Kieberl
Obfrau des Ausschusses für Umwelt, Land- und Forstwirtschaft in der Stadtgemeinde Lienz

3 Postings

Alpenbock
vor 3 Jahren

Genauso wurde es seit Jahrzehnten von den Touristikern/Seilbahnern landauf, landab gehandhabt. Wann werden sie den Paradigmenwechsel erkennen?

Danke Frau Kieberl für die Aufklärung! Endlich zeigt jemand auf, wie es hinter den Kulissen zugeht!

 
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Senf
vor 3 Jahren

nach der massiven öffentlichen schuldzuweisung des TVB OBM an die frau BM hinsichtlich der bauverzögerung für das obige vorhaben tut sich da eine interessante faktenlage auf. demnach traten die LBB unter der führung von FT ursprünglich als projektträger für den verbindungsweg auf und dazu müsste der AR der bergbahnen formal ein genehmigungsreifes projekt mit zugehörige finanzierungsplan und erforderlicher eigenmittelaufbringung beschlossen haben. sämtliche dienstbarkeitsverträge mit den berührten grundeigentümer, der naturschutz- und forstrechtlichen bewilligungsantrag bis hin zu den förderanträgen müssten daher logischerweise auf LBB lauten.

inzwischen wurde das projekt, ebenfalls unter dem federführenden OBM FT an den TVB abgetreten und bei der BH lienz eingereicht, was wahrscheinlich zwangsläufig zum neuaufrollen des behördenverfahrens geführt hat.

höllisch neugierig wäre ich, ob der AR des TVB formal inzwischen ebenfalls die erforderlichen beschlüsse als nunmehriger projektbetreiber mit der notwendigen eigenmittelaufbringung als budgetbelasung beschlossen, ob die förderungsstellen damit befasst wurden und weiters, ob die berührten grundeigentümer den abänderungsverträgen für den neuen betreiber zugestimmt haben.

seiltanzmethode?

 
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Burgi
vor 3 Jahren

Sehr aufschlussreich wie man beim TVBO hinter den Kulissen agiert! Sehr gutes Statement von Frau Kieberl! Es ist wirklich nicht zu viel verlangt, größere Projekte mit allen Beteiligten zu besprechen und auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen! Das Modell "Natur ist nichts wert, außer man verbaut sie" hat in Zeiten des Klimawandels längst ausgedient. Insofern sollte man es sich sehr gut überlegen, ob man es riskiert, einen klimafitten Waldbestand an einem steilen Hang im Nahbereich einer Stadt für ein fragwürdiges Projekt zu zerstören! Die Downhiller haben bereits ihre Routen, wo sie sich austoben können. Den Rest an Natur am Hochstein lasst jetzt bitte in Ruhe! Als Naherholungsgebiet für uns Lienzer*innen (denn nicht alle von uns sind Biker*innen) und als Rückzugsräume für die Tier- und Pflanzenwelt!

 
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