In der Sitzung am 17. November genehmigte der Tiroler Landtag einen Antrag der Landesregierung, der die Zukunft des Campus Technik Lienz regeln soll. Landeshauptmann Günther Platter ging bereits Ende September mit diesem Thema in die Offensive und zeichnete ein Szenario, das einige Fragen offen ließ. Liest man den jetzt genehmigten Regierungsantrag – hier das gesamte Dokument zum Download – dann zeigt sich nach wie vor ein etwas unscharfes Bild, weil bewusst oder unbewusst Aktivitäten an der Uni Innsbruck, der UMIT in Hall und der kleinen Außenstelle in Lienz vermischt werden.
Das gilt auch für eine Finanzierungszusage über insgesamt 4,8 Mio Euro, die sich nicht nur auf den Standort Lienz bezieht, sondern auch die Etablierung eines Elektrotechnik Masterstudiums an der Uni Innsbruck und der UMIT einschließt, das in Lienz entgegen ersten Meldungen nicht angeboten wird. Lienz soll dagegen eine ganze Reihe von universitären „Weiterbildungsangeboten“ bekommen, deren akademische Qualität ebensowenig aus dem Regierungsantrag herauszulesen ist, wie die konkreten Inhalte. Lediglich Themengebiete werden kommuniziert, etwa Katastrophenschutz oder Gesundheit.
Klar ist, wer das Heft für die Weiterentwicklung am Campus Technik Lienz künftig in der Hand haben soll. Es ist die UMIT, die auch schon bisher federführend war und ein „Anschubbudget“ von 185.000 Euro bewilligt bekommt, um neue Perspektiven für den Campus in Lienz zu entwickeln.
Geleitet wird die Tiroler Privatuniversität seit knapp einem Jahr von der deutschen Sportwissenschaftlerin Sandra Ückert. Wir haben die UMIT-Rektorin in Hall besucht um mehr über die Pläne in Lienz herauszufinden.
Frau Professor Ückert, kann die Universität in Lienz überhaupt wiederbelebt werden?
„Der Bachelor Mechatronik war der Wunsch der Region, aber es hat nicht funktioniert. Was aus diesem Bachelorstudium geworden ist, wird kein zweites Mal passieren. Ich bin absolut überzeugt, dass sich Lienz in den nächsten Jahren zu einem attraktiven, lebendigen Universitätsstandort entwickelt.“
Am Campus Lienz werden derzeit keine neuen Studenten mehr aufgenommen. Wie viele Studierende beenden vor Ort noch ihr bereits begonnenes Studium?
„Der Bachelor Mechatronik ist ein Auslaufprogramm. Die wenigen Studenten in Lienz werden aber weiterhin dort studieren, bis sie ihr Abschlusszeugnis in den Händen halten. Momentan studieren zwischen acht und zehn Studierende am Campus Lienz.“
Fadi Dohnal, das wissenschaftliche Gesicht und Gehirn des Campus Technik in Lienz ist nach Vorarlberg abgewandert und arbeitet nicht mehr Vollzeit für die UMIT. Bleibt er der Universität Lienz trotzdem erhalten?
„Ja, Fadi Dohnal ist das hochkarätige akademische Gesicht der UMIT am Technikcampus Lienz. Er bleibt uns in einem Anstellungsverhältnis als Professor erhalten. Somit haben wir, bis wir uns neu aufgestellt haben, Kontinuität. Momentan ist Fadi Dohnal mindestens einmal pro Woche in Lienz. Wir arbeiten daran, wissenschaftliches Personal, vorzüglich aus Osttirol, zu implementieren. Diese Personen sollten die ganze Woche vor Ort sein. Das benötigt aber Zeit.“
Welche akademischen Ausbildner:innen werden in Zukunft am Campus Technik Lienz lehren?
„Es reisen schon derzeit viele Professoren von Innsbruck oder Hall tageweise nach Lienz, um die Studenten dort zu unterrichten. Dies werden wir wie bislang auch bis zur Beendigung des BA-Studiums weiterführen. Wir müssen schauen, welches akademische Angebot sich in Zukunft in Lienz etabliert. Wenn das geklärt ist, stelle ich mir auf jeden Fall feste Dozenten vor Ort vor.“
Wenn der Bachelor Mechatronik ausläuft, ist es nicht mehr möglich, durch ein Studium am Campus in Lienz einen akademischen Abschluss zu erwerben. Würden Sie mir Recht geben, dass eine Universität auf eben solch einem akademischen Abschluss basiert?
„Doch natürlich. Wir bieten dies auch an und werden es künftig weiter anbieten. Wir können nur noch nicht sagen: Jetzt! Denn wir dürfen nicht mehr den gleichen Fehler wie beim Bachelor Mechatronik machen. Erst muss geschaut werden, welche qualifizierten Weiterbildungsangebote der Universität auf entsprechende Nachfrage treffen. Und dann können wir daraus Bachelor- oder Masterstudiengänge formen und anbieten. Dafür ist die aktuelle Übergangsphase notwendig.“
Welche universitäre Ausbildung haben Sie denn für die Zukunft der Universität in Lienz geplant?
„Das Thema Technik ist uns auf Dauer in Lienz zu eng. Wir wollen das Profil mit den Themen Digitalisierung, Gesundheit, Sport und Prävention erweitern. In diesen Themenbereichen haben wir vor Ort schon eine gute Infrastruktur und Vernetzung. Wir werden den engen technischen Fokus weiten und sehen, welches ein attraktives Programm für Lienz wäre. Besonders Studiengänge, die ein Alleinstellungsmerkmal haben, stelle ich mir in Osttirol vor.“
Kann man das etwas konkretisieren?
Derzeit läuft bereits der Universitätskurs „Digital Transformation Expert“ der erneut im Jänner angeboten wird. Auch ein Universitätskurs Krisen-, Katastrophen- und Risikomanagement soll 2022 bereits etabliert werden.
Geplant ist zudem ein – wie auch schon anderorts erfolgreich etabliert – Universitätskurs „Case- und Care Management“ gemeinsam mit der FH Gesundheit und dem Landesinstitut für Integrierte Versorgung Tirol. Die Zusammenarbeit mit der FH Gesundheit ist besonders hervorzuheben. Die UMIT ist auch an der Pflegeausbildung dieser Fachhochschule am Standort Lienz als Partner beteiligt. Das Studium läuft hervorragend und die Zusammenarbeit mit Gesundheits- und Krankenpflegeschule Lienz und dem BKH Lienz ist vorbildlich. Der Universitätskurs „Case und Care Management“ ist also eine ideale Ergänzung und wichtig für den Standort.
Wann wird es an der Universität in Lienz neue Bachelor- oder Masterstudien geben?
„Bis 2024 möchte ich, dass sich zumindest ein Bachelor- oder Masterstudium am Campus in Lienz etabliert. Vielleicht haben wir 2023 schon ein neues Masterstudium in Lienz. Wir können aber nicht versprechen, nahtlos an das jetzige Bachelorstudium anzuknüpfen. Die Universität wird schrittweise so aufgebaut, dass sie in zwei Jahren ganz anders dasteht.“
Was unterscheidet denn das in der Übergangszeit geplante Kursangebot der Universität Lienz von Bildungseinrichtungen wie dem Wifi der Wirtschaftskammer?
„Wenn wir Weiterbildung als Uni anbieten, sind diese Weiterbildungsangebote von der AQ (Anm.: Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria) akkreditiert. Das ist die höchste Qualitätsstufe. Zusätzlich werden nur Weiterbildungsangebote gesetzt, die zum inhaltlichen Profil unserer Bachelor- oder Masterstudien passen. Es gibt also ganz klar keinen akademischen Bauchladen, sondern mit dem Profilbereich der UMIT abgestimmte universitäre Angebote.“
Im kommenden Jahr sind 80.000 Euro und 2023 dann 100.000 Euro für die Weiterentwicklung in Lienz budgetiert. Das ist nicht allzu viel. Was genau soll mit diesem Geld entwickelt werden?
„Wir sind sehr froh um diese Anschubfinanzierung. Dieses Budget steht uns zur Verfügung, um personelle Entwicklungskosten am Campus Lienz zu bezahlen, also vor Ort die Entwicklung in Abstimmung mit der Region voranzutreiben, unabhängig davon, dass die UMIT diese Weiterentwicklung von Hall aus steuert. Weitere Standortkosten (Infrastruktur, Personal etc.) die anfallen, werden von beiden Universitäten übernommen, so wie es im Regierungsbeschluss steht.“
Waren Sie schon einmal am Campus in Lienz?
„Ich war schon fünfmal am Campus Lienz, obwohl ich erst seit zehn Monaten für die UMIT arbeite. Wenn ich den leeren Campus sehe, da blutet mein Herz. So leer soll es dort nicht länger aussehen. Ich bin absolut überzeugt, dass sich in Lienz ein attraktiver lebendiger Universitätsstandort entwickeln kann.“
Wie möchten Sie als Rektorin die Privatuniversität UMIT in den kommenden Jahren weiterentwickeln?
„Die UMIT wird sich als unverzichtbare Spezialuniversität im Gesundheitsbereich etablieren. In diesem Sinne werden wir auch für Lienz exklusive Bachelor- oder Masterprodukte anbieten, um Studierende nach Osttirol zu locken.“
Die habilitierte Sportwissenschaftlerin Prof. Dr. Sandra Ückert, die auch Philosophie und Erziehungswissenschaften studierte, wurde am 1. November 2020 von der Tiroler Landesregierung nach einem Ausschreibungsverfahren als Nachfolgerin von Sabine Schindler mit der Leitung der Tiroler Privatuniversität UMIT betraut.
Ückert studierte und promovierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wechselte dann an die Technische Universität Dortmund, wo sie im Sportinstitut, Arbeitsbereich Leistung und Gesundheit, ihre Habilitation abschloss. Die Wissenschaftlerin übernahm Managementaufgaben beim Deutschen Olympischen Sportbund und beim Roten Kreuz, war Dekanin der Fakultät Sportwissenschaften und Vizepräsidentin für Forschung und Lehre an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport.
Vor der Übersiedlung nach Tirol war Sandra Ückert an der privaten Hochschule für Oekonomie und Management (FOM) in Essen als Professorin für Digitale Bildung und Gesundheitswissenschaft und als Prorektorin für Qualität und Innovation tätig.
5 Postings
Wer studieren will der soll raus aus Lienz. Es wird ihr/ihm guttun.
Stimme vorbehaltlos zu: Dieser Studienlehrgang war von vornhinein eine Fehlgeburt, die man jetzt aus Prestigegründen und mit wiederum viel Geld retten will. Wir machen ja alles immer richtig ! Es könnte ja die Kirche das Gebäude übernehmen und ein Priesterseminar einrichten - Osttirol ist für sowas immer zu haben. Abschluß: Bachelor in Theologie (BoT).
3 Stimmen glauben also dass es nicht gut tut, den Horizont erweitert, einmal das vertraute Nest zu verlassen?
Der Unistandort in Lienz macht doch nur berufbegleitend Sinn.
Das ist zu kurz gedacht, Muehle. Mein stimme nicht zu gilt der Aussage wolfgangs, weil er davon ausgeht, dass eine Uni/FH in Lienz nur ein Angebot für die Osttiroler sein soll. Ziel muss aber ein attraktives und exklusives Studium in Lienz sein welches national und international Studenten anlockt und damit die Stadt und die ganze Region belebt. Dass das auch am Land funktionieren kann beweisen viele FHs in Österreich (Hagenberg, Kuchl, ...). Ähnlich macht es auch die FH Kärnten welche an 4 Standorten verschiedene Themenschwerpunkte anbietet.
Nicht über den Horizont geblickt haben daher nur die regionalen Akteuere und Wirtschaftsbetriebe mit dem gescheiterten Versuch Leute für ihre eigenen Zwecke universitär in Osttirol auszubilden. Da ist dann genau das eingetreten, was sich wolfgangwien für die Jungen wünscht: sie sind nicht zum Schmiedl in Lienz sondern zu Prof. Schmied in Innsbruck.
spannend ist daher die letzte Aussage von Frau Ückert: „Die UMIT wird sich als unverzichtbare Spezialuniversität im Gesundheitsbereich etablieren. In diesem Sinne werden wir auch für Lienz exklusive Bachelor- oder Masterprodukte anbieten, um Studierende nach Osttirol zu locken.“
@le corbusier
Danke für deine ausführliche Antwort. Für die Region wäre ein "attraktives und exklusives Studium" sicher ein Mehrwert keine Frage! Da müsste aber sicher deutlich mehr investiert werden. Auf Studien setzen, die es auch anderswo in ähnlicher Ausführung gibt ist meiner Meinung nach sinnlos. Wer soll von außerhalb nach Osttirol kommen um Mechatronik zu studieren?
Ich sehe es von einem Lehre- und Forschungsstandpunkt. Die Zersplitterung eines Fachgebiets auf viele Standorte ist eine Ressourcenverschwendung. Grundlagenvorlesungen die von mehreren Fachrichtungen geteilt werden müssen mehrmals gehalten werden, die Auswahl an Frei und Wahlfächern reduziert sich, institutsübergreifende Kooperationen in der Forschung werden erschwert, Messgeräte müssen mehrmals angeschafft werden, Gastvortragende müssen in ganz Österreich herumgondeln usw.
Mit dem verstärkten Distance Learning durch die Pandemie relativeren sich natürlich einige Punkte und spezialisierte Pflegeausbildungen würden sicher Studierende anlocken. Für die Qualität des Studiums macht es trotzdem mehr Sinn die Lehrgänge an einem Standort zu bündeln.
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