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Theater: Franz von Defregger – vom Bauernsohn zum Ritter

Die Dölsacher Theaterwerkstatt erzählt das Leben des Malers in szenischen Bildern. Mit Video!

Gleich zwei Theaterstücke holen in diesen Tagen einen künstlerischen Säulenheiligen Osttirols auf die Bühne: Franz von Defregger. An diesem Wochenende trug das Landesmuseum in Innsbruck dem 1921 verstorbenen Bauernsohn, der aus Dölsach auswanderte und ein gefragter Maler wurde, in einem Stück mit dem Titel „Vorhang auf. Inside Franz!“ dramaturgisch Rechnung. Das Zwei-Personen-Stück kam pandemiebedingt verspätet zur Aufführung und wurde kaum beworben, doch Theaterfreunde kommen in Sachen Defregger auch in Osttirol auf ihre Rechnung. Dafür sorgt die engagierte Theaterwerkstatt aus Defreggers Heimat Dölsach. „Franz von Defregger – Vom Bauernsohn zum Ritter“ heißt das von Erna Inwinkl erarbeitete Stück, das unter der Regie von Arete Riedl mit mehr als 20 Akteur:innen im Kultursaal der Gemeinde im Tirolerhof aufgeführt wird. Premiere ist am 25. September. Alle Spieltermine finden sich im Dolomitenstadt-Veranstaltungskalender. Wir haben der engagierten Schauspieltruppe bei den Proben über die Schulter geschaut: Gerade erst widmete das Innsbrucker Landesmuseum Ferdinandeum dem Maler eine bemerkenswerte Ausstellung, die viel Widerhall hervorrief, auch im Feuilleton großer Medien, darunter Die Zeit und die FAZ. Das Interesse kommt nicht von ungefähr. „Konservative verehrten ihn, die Avantgarde lehnte ihn ab, Hitler sammelte seine Werke – Franz von Defreggers Schaffen polarisiert bis heute. Als einer der erfolgreichsten Künstler um 1900 war er vor allem für seine bäuerlichen Motive und Szenen aus dem Tiroler Freiheitskampf bekannt“, so machte das Landesmuseum neugierig auf die Schau. In Osttirol gibt es von Defregger – wie auch von Egger-Lienz – einen stark regional geprägten Blickwinkel, der auch in das Stück der Theaterwerkstatt einfließt. Angelika Irgens-Defregger, Kunsthistorikerin, freie Journalistin und Mit-Kuratorin der Sonderausstellung „Defregger – Mythos – Missbrauch – Moderne“ im Ferdinandeum Innsbruck, schreibt in einem Begleittext zu diesem Theaterstück: „Seit die Eisenbahn Defreggers Heimat erschlossen hat, ist sein Name eine Tourismusmarke in Osttirol. Für viele Sommerfrischler, die im 19. Jahrhundert am Bahnhof Dölsach ausstiegen, waren das Geburtshaus des Malers Defregger, der Ederhof in Stronach, wie auch seine spätere Sommerhütte am Ederplan ein beliebtes Ausflugsziel. Um der immer größer werdenden Fangemeinde zu entgehen, schenkte Defregger sein Sommerrefugium, das nach seiner Frau benannte Anna-Schutzhaus, 1887 dem Österreichischen Touristen-Club, der bereits 1869 zur Förderung des Bergsports gegründet worden war. Im Dölsacher Wirtshaus Putzenbacher gegenüber der Dorfkirche konnten die vom Reiten oder Wandern ermüdeten Touristen regenerieren und auch übernachten. Ihren Lieben nach Hause schickten sie Bildpostkarten mit Motiven von Defreggers Geburtsort und seiner frühen Gemälde. Dieses damals modernste Medium der Kommunikation wurde im Verlag J. Putzenbacher hergestellt und im gleichnamigen Gasthaus verkauft, das neben Defreggers Gemäldereproduktionen des Münchner Kunstverlegers Franz Hanfstaengl auch einen echten Defregger zeigen konnte. Auf diese Weise wurde der längst schon in München lebende und an der Kunstakademie lehrende Maler zum Werbeträger und Multiplikator weit über die Landesgrenzen hinaus. Defregger war ein Superstar und Influencer in einer Zeit, als diese Begriffe noch gar nicht erfunden waren. Seine Gemälde mit Darstellungen des bäuerlichen Lebens an arbeitsfreien Sonntagen waren beim Gründerzeitpublikum so gefragt, dass der Erfolgsmaler mit dem Produzieren vom feschen Dirndl und kernigen Bauerntypen kaum mehr nachkam. Defregger war stilprägend für eine Vielzahl seiner Schüler. Vielfach reproduziert und kopiert, gehörten seine Werke zum Kanon der deutschen Kunst genauso, wie zum Inhalt von deutschen Schul- und Geschichtsbüchern. Als lebende Bilder wurden seine Meisterwerke auf der Bühne oder bei Kostüm- und Maskenbällen nachgestellt. Volksschriftsteller, wie Peter Rosegger und Karl Stieler oder der Berliner Lustspielautor Gustav von Moser wurden auf Defregger aufmerksam und ließen sich von seinen Bildern zu eigenen Werken, wie Kurzgeschichten, Gedichten und dem Theaterstück „Der Salon-Tyroler“ inspirieren. Wenn jetzt Defreggers Leben auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, zur Aufführung kommt, schließt sich ein Kreis. Hundert Jahre nach seinem Tod wird in einem Theaterstück für Aug und Ohr der Mensch Defregger hinter der Ikone der Populärkultur lebendig.“
Franz v. Defregger – vom Bauernsohn zum Ritter Kultursaal Tirolerhof Dölsach Premiere 25. September 2021, 20.00 Uhr Alle Spieltermine und Infos zum Kartenvorverkauf
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

3 Postings

Lienz4ever
vor 3 Jahren

Herzliche Gratulation an die Theaterwerkstatt Dölsach. Es ist immer wieder bemerkenswert was hier auf die Beine gestellt wird und wie toll bzw. professionell in Dölsach gearbeitet wird. Ich freu mich schon auf die Aufführungen. Ebenfalls ein großes Lob an Dolomitenstadt für den schönen Bericht ;-)

 
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Senf
vor 3 Jahren

staunenswert wie das die dölsacher mit ihrer theaterwerkstatt hingekriegt haben und es bleibt eigentlich nur der wunsch, dass sie damit gebührenden erfolg ernten.

ein toller bericht in der dolo, es wird sicher eine packende aufführung über den heimischen künstler und seine zeit!

 
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Elisabeth
vor 3 Jahren

Zur Verwandtschaftsgeschichte von Franz v. Defregger. Seine Schwester Helene heiratete 1854 Andreas Plankensteiner in Dölsach. Dessen Bruder Josef starb 1859 in der schrecklichen Schlacht von Solferino in Oberitalien mit nur 21 Jahren. Sie war der Auslöser, dass Henry Dunant dann das Rote Kreuz gegründet hat.

 
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