Fast jede zwanzigste Kassenarzt-Stelle unbesetzt
Rechnungshof kritisiert Datenlage und uneinheitliche Maßnahmen der ÖGK.
In Österreich waren Stand Ende 2019 rund 4,6 Prozent aller Planstellen für Kassenärzte unbesetzt, insgesamt 327 von 7.142. 185 davon waren Allgemeinmedizin-Stellen. Das geht aus einem am Freitag veröffentlichten Bericht des Rechnungshofs (RH) hervor. Kritik übte er an der Datenlage. Vermisst wurde zudem eine systematische Erhebung der Bedürfnisse der Patienten, und bei der Umsetzung der Primärversorgungseinrichtungen hapert es laut RH ebenso.
Kritik übt der Rechnungshof daran, dass der Österreichische Strukturplan Gesundheit zwar für die 35 Versorgungsregionen einen Richtwert zur Ärzteversorgung festlegt. Die Treffgenauigkeit sei jedoch gering gewesen, "weil sie regional nicht ausreichend differenziert waren, eine große Bandbreite von +/-30 Prozent aufwiesen und auf dem zuletzt verfügbaren Ist-Stand und nicht auf Versorgungszielen basierten".
Die Planung ließ nach Ansicht der Prüfer auch offen, ob zusätzliche Planstellen nötig waren oder eine höhere Auslastung ausreichte. Der fünfjährige, rollierende Planungszeitraum habe keine Soll-Ist-Vergleiche ermöglicht, die Planung auf Ebene der Versorgungsregionen sei für die Allgemeinmedizin zu unspezifisch gewesen. Verbindliche Versorgungsaufträge seien nicht festgelegt gewesen.
Geprüft wurden die Jahre 2013 bis 2019, und zwar unter schwierigen Voraussetzungen. "Der Rechnungshof beurteilt die Daten - von Gesundheitsministerium, Krankenversicherungsträgern, Dachverband und Österreichischer Ärztekammer - als nicht geeignet, um das Angebot der ärztlichen Leistung im niedergelassenen Bereich valide zu erfassen", heißt es in der Presseaussendung zum Bericht.
Weil ärztliche Kooperationen, das Ausmaß der Tätigkeit und die Öffnungszeiten nicht brauchbar erfasst waren, erhob der RH zusammen mit der ÖGK die Daten schließlich selbst. Ergebnis waren - gerundet auf ganze Zahlen - 138 freigehaltene und 189 nicht besetzte Planstellen. Zum Vergleich: Die Ärztekammer hatte im März 2019 viel mehr verlangt, nämlich 1.300 zusätzliche Planstellen.
Der RH erkannte an, dass die Gebietskrankenkassen und nun die ÖGK Maßnahmen setzten, um die Stellen attraktiver zu machen, diese seien aber uneinheitlich. "Der Rechnungshof empfiehlt daher der ÖGK, eine Strategie zur Besetzung von Planstellen zu entwickeln, dazu gezielte Maßnahmen (wie die Flexibilisierung von Rahmenbedingungen) vorzusehen und diese nach regionalen Bedürfnissen anzuwenden", heißt es.
Als Herausforderung beschreibt der Rechnungshof das starke Anwachsen von Wahlarzt-Praxen. Der Anstieg von 2009 bis 2019 bei Allgemeinmedizinern betrug 42 Prozent, bei Fachärzten 38 Prozent. Bei Frauenheilkunde und Geburtshilfe lag ihr Anteil schon bei 16 Prozent, über alle Gruppen hinweg jedoch noch bei vergleichsweise niedrigen 5,5 Prozent.
Weiterer Kritikpunkt des RH: Es gebe kein Monitoring der Öffnungszeiten der Kassenpraxen, das alle Anforderungen des Sozialversicherungs-Dachverbands erfüllt. Diese sollte sektorenübergreifend und bundesweit eingeführt werden, und zwar auch für Spitalsambulanzen.
Nicht eingehalten wird laut Rechnungshof wohl das Ziel, bis Ende 2021 österreichweit zumindest 75 Primärversorgungseinheiten zu realisieren, waren bis Dezember 2019 nur 16 umgesetzt. In Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg gab es da noch keine einzige.
Für die Opposition ist der Bericht Anlass zur Kritik. Seitens der SPÖ meinte Gesundheitssprecher Philip Kucher, der Mangel an Hausärzten mit Kassenvertrag in vielen ländlichen Regionen sei für die Menschen, die dort leben, ein drängendes Problem. Die Regierung dürfe das nicht länger ignorieren. Die FPÖ forderte in Person ihres Gesundheitssprechers Gerhard Kaniak eine Attraktivierung des Berufsbilds Arzt. Das beginne beim leichteren Zugang zum Studium, einer Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin, einem liberaleren Zugang zu Kassenverträgen bis hin zu Lehrpraxen und ausreichenden Ausbildungsplätzen. NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker konstatierte, dass die Politik den niedergelassenen Sektor ausbluten habe lassen. Zudem müsse der antiquierte Stellenplan überarbeitet werden und müsse Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) beim Ausbau der Primärversorgungszentren aktiv werden.
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