Das Bild vom Hinterwäldler, der wie alle Ureinwohner seine Weisheit aus dem harten Alltag zieht und fest in der eigenen Scholle wurzelt, hat Osttirol lange begleitet und kulminiert im Villgratental. Selbst für Bewohner des Lienzer Beckens klingt das hinterwäldlerisch, immerhin haben die Villgrater mit ihren Wilderergeschichten und schrägen Werbekampagnen, mit ihrem Idiom und sogar mit ihren kulturellen Botschaftern fest dran gearbeitet.
An einem heißen Sommertag im August 2020 begegnet Maidje Meergans in Innervillgraten zum ersten Mal Corinna, Laura, Katharina und Victoria, vier Mädchen aus dem Gebirgsdorf. Eine Woche werden die fünf zusammen verbringen, und obwohl die vier Jugendlichen aus dem Villgratental zum Zeitpunkt der Aufnahmen erst 14, 15 und 17 Jahre alt sind, wirkt die zierliche Fotografin aus Berlin fast wie eine Schulkollegin, wie ein legitimes Mitglied dieser quirligen Fünferbande.
Meergans, 1991 geboren, studierte zunächst an der Kunsthochschule Weißensee, wollte Textildesignerin werden, spürte aber bald, dass ihre Berufung die visuelle Kommunikation ist, das Erzählen von Bildgeschichten. Und so wechselte die junge Berlinerin an die renommierte Ostkreuzschule. Es ist eine besondere Ausbildungsstätte, wie sie uns erzählt: „Das ist eine private Schule, keine staatliche Uni, da geht es nicht um Studienpunkte, sondern nur um die Fotografie. Die Dozenten sind Profis, die leben vom Fotografieren, da lernt man auch, an sich zu glauben und dem zu vertrauen, was man tut.“
Die Redaktion von dolomitenstadt.at lud im Sommer 2020 sieben Absolvent:innen dieser Schule im Rahmen eines Artist in Residence Projekts nach Osttirol ein, unter ihnen auch Maidje Meergans, deren Fotoreportagen mittlerweile den Sprung vor ein großes Publikum geschafft haben.
Die Redaktionen von Zeit, NZZ, FAZ und Süddeutscher Zeitung erkannten bereits das Talent der Berliner Fotografin, diese spezielle Kunst des bildhaften Erzählens, die auch ihre Fotoserie aus dem Villgratental zu einer herausragenden Reportage macht, die jedes Klischee hinter sich lässt. „Girlhood“ ist der offizielle Titel der Serie. Wir sind nicht länger nur Betrachter, sondern teilnehmende Beobachter, tauchen ein in das Geschehen, schauen nicht von außen zu, sondern sind selbst dabei, wenn dieses Mädelsrudel durch Wiesen und Wälder streunt, scheinbar ziellos und unbeschwert.
Für Rudolf Ingruber, Kunsthistoriker und Kurator der Dolomitenstadt-Artgallery, ist genau das die Qualität der Bildserie aus dem Villgratental: „Es ist der subjektive Blick der Fotografin, der nicht inszeniert, sondern staunend beobachtet. So gibt sie den Bildern nicht nur die besondere Note, sie generiert tatsächlich Neues und Unbekanntes.“
Und was nimmst du als Gefühl aus diesem Sommer in Osttirol mit, Maidje? „Vor allem die Unbeschwertheit des Jungseins. Diesen kurzen Ausschnitt im Leben der Mädchen mitzuerleben und festzuhalten, auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, war wirklich etwas sehr Besonderes. Und da schwebt ja auch diese Vergänglichkeit der Jugend mit, die man erst erkennt, wenn man sie hinter sich gelassen hat. Ich weiß das sehr zu schätzen, dass die vier Mädchen und ihr enges Umfeld mich so nah an sich herangelassen haben.“
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