Dass das Ausstellen nicht getrennt von den Räumen betrachtet werden kann, in denen es sich vollzieht, ist ein Ansatz, der für viele KünstlerInnen seit den 1970er-Jahren an Bedeutung gewinnt. In diesem Sinne arbeitet auch die Innsbrucker Malerin Julia Brennacher daran, die „Sphäre“ eines Gemäldes durch das Zusammenspiel mehrerer Arbeiten und deren Platzierung im Raum zu erweitern. Das RLB-Atelier in Lienz erweist sich dabei als ideal geeigneter räumlicher Rahmen.
Der Titel ihrer aktuellen Ausstellung in Lienz greift eine Redewendung aus dem Englischen auf: „Painting a bigger picture“. Frei übersetzt bedeutet das, sich ein größeres Bild von etwas zu machen oder auch den jeweiligen Kontext zu berücksichtigen. „Das ist insofern treffend, als die Arbeiten für diese Ausstellung und der Raum – die Gliederung der Wände durch die farblichen Setzungen – als Gesamtinstallation zu verstehen sind“, so die Künstlerin. Wenn man den Titel wörtlich nimmt, wird aber auch eine Prise Humor erkennbar: „Es war eine bewusste Entscheidung, diesmal ausschließlich mit dem kleinen Bildformat zu arbeiten.“ Die Bildlösungen in der Ausstellung wirken auf den ersten Blick heterogen, werden aber durch das Konzept des Ausstellungsdisplays zusammengebunden. „In meiner Arbeit beschäftige ich mich ja grundlegend mit dem Verhältnis sowohl der Einzelwerke zueinander als auch von Bild- und Realraum“, so Julia Brennacher.
Die 1983 in Innsbruck geborene und dort lebende Künstlerin arbeitet mit Rohleinwänden, auf denen sie Öl-, Acryl- oder Sprayfarbe pastos oder luzid in mehreren Schichten aufträgt. Abstrakt oder geometrisch verlaufen und schlängeln sich breite oder dünne Pinselstriche über den Malgrund und erzeugen eine organische Lebendigkeit, die mittels einer malerischen Recherche die Möglichkeiten des Mediums auslotet.
„Brennacher vermeidet bewusst Komplexität im Bildaufbau wie in der Motivwahl“, schreibt die Kunsthistorikerin Georgia Holz in ihrem Katalogbeitrag. „Es geht um Reduktion, die den malerischen Akt selbst ausstellt und nachvollziehbar macht, um Malerei – auf die Unmittelbarkeit ihrer Elemente heruntergebrochen.“ Sie sieht „die Bildlösungen bewusst heterogen angelegt, von präzisen, streng durchdeklinierten Kompositionen bis hin zu intuitiv-spielerischen Zugängen“.
So unverwechselbar wie eigenwillig ist vor allem die Farbpalette der Künstlerin: „Ich verwende kühl leuchtende Pastellfarben ebenso wie Neontöne mit starkem Signalcharakter oder auch die spezielle Qualität der Sprayfarbe mit ihrem Street-Art-Charakter.“ Auf diese Weise entsteht ein ungewöhnlicher Mix aus Farbtönen und Malmaterialien. „Farben haben ja auch assoziativen Charakter und können, ähnlich wie Klänge oder Düfte, an Erinnerungen oder Empfindungen geknüpft sein“, so Brennacher. Durch dieses „unkonventionelle Farbspektrum“ gelinge es der Künstlerin, „populärkulturelle Einflüsse aus Design, Mode oder Architektur als atmosphärische Elemente einzuführen, ohne sie motivisch zu zitieren“, schreibt Georgia Holz.
In Abstimmung mit der für die Ausstellung realisierten fünfzigteiligen Serie hat Julia Brennacher auch erstmals alle Wände der Galerie in unterschiedliche Farben getaucht: Mintgrün, helles Lila, gedämpftes Gelb und zartes Lindgrün. Im Zusammenspiel mit den kleinen Bildformaten entsteht so ein lustvoller malerischer „Bildraum“.
Die Ausstellung im RLB Atelier Lienz ist bis 27. August 2021 zu sehen.
Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.15 Uhr und von 14.00 bis 16.30 Uhr
Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein 64-seitiger gleichnamiger Katalog mit einem Beitrag von Georgia Holz und einem Interview mit Julia Brennacher, geführt von Silvia Höller. Für AusstellungsbesucherInnen ist dieser vor Ort kostenlos erhältlich.
RLB Atelier Lienz als sinnliches Gesamtkunstwerk
Julia Brennacher verwebt den Raum und ihre Gemälde zu einer atmosphärischen Installation.
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