„Luftschlösser“-Streit in der Koalition geht weiter
Darf Mückstein dem Kanzler widersprechen? Jetzt rückt VP-Klubobmann Wöginger aus.
Der Koalitionsstreit um den Öffnungskurs in der Coronakrise hat sich am Sonntag ungebremst fortgesetzt. Für die ÖVP rückte Klubobmann August Wöginger aus, um Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) wegen dessen Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu tadeln. Die Replik kam vom Grünen Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner, der der Volkspartei Fahrlässigkeit attestierte. Die FPÖ sah sich an einen Zank unter "Kerkermeistern" erinnert.
Anlass der Unstimmigkeiten ist der straffe Öffnungskurs, den der Kanzler während der vergangenen Tage fuhr. Zunächst kündigte er für die kommende Woche eine Entscheidung über eine weitere Lockerung der Maskenpflicht an, am Freitag legte er dann nur zwei Tage nach den großen Öffnungsschritten bei einem Auftritt in Tirol mit der definitiven Ankündigung nach, bei Abstandsregeln, Quadratmeter-Beschränkungen und Sperrstunden Erleichterungen vornehmen zu wollen.
Mückstein missfiel das, ähnlich etwa dem Vorarlberger Experten Armin Fidler, der als Regisseur der Testregion in seinem Bundesland gilt und in der Corona-Kommission sitzt. In den "VN" meinte er am Samstag in Richtung Kurz, wenn dessen Experten gute Experten seien, würden sie den Bundeskanzler vor vorschnellen Entschlüssen warnen: "Ich würde bis 1. Juli gar nichts ändern. Bis dahin sehen wir, was in Österreich mit der Öffnung passiert."
Mückstein formulierte weniger freundlich und meint, mit ihm würden keine Luftschlösser gebaut, er entscheide auf Basis von Daten und Fakten. Gleichzeitig dämpfte er die Euphorie, indem er im Gespräch mit der Tageszeitung "Österreich" ankündigte, dass die Maske bis Winter in jenen Bereichen zum Einsatz kommt, wo die 3G-Regel (getestet, geimpft, genesen) nicht angewendet wird, also etwa im Handel. "Bald überlegen" will er, von der FFP2-Maske auf normalen Mund-Nasen-Schutz umzusteigen. Im Freien werde man von Masken "weitgehend abrücken" können, so Mückstein.
VP-Klubchef August Wöginger hielt dem Minister gegenüber der APA vor, dass dieser Menschen im Sommer eine Maske im Freien tragen lassen wolle. Zu diesem Kurs sage die Volkspartei ein klares Nein. Zahlen alleine zählten nicht: "Man braucht auch ein Gespür für die Menschen und Hausverstand." Dass die Grund- und Freiheitsrechte niemals Luftschlösser sein dürften, sollte jedem klar sein, "insbesondere all jenen, die einen Eid auf die österreichische Verfassung geschworen haben", richtete er Mückstein aus.
Schallmeiner warf der ÖVP im Gegenzug vor, den bereits akkordierten weiteren Weg aus der Pandemie-Bekämpfung fahrlässig zu verlassen. "Wenn die Menschen etwas brauchen, dann ist es Sicherheit. Was sie nicht brauchen, sind Luftschlösser und Ankündigungen, die nicht halten." Auch die letzten Meter der Pandemie-Bekämpfung müssten von Vernunft geleitet sein. Er gehe aber davon aus, dass sich die Spitzenrepräsentanten der Volkspartei von der Expertise Mücksteins überzeugen ließen.
Kurz selbst nahm sich aus den Zwistigkeiten heraus und ließ am Sonntag nur eine Aussendung verschicken, in der er sich über die Entwicklung der Pandemie freute: "Während Inzidenz und Ansteckungszahlen stetig sinken, steigt die Zahl der Geimpften schneller als erwartet." Als Bundesregierung handle man stets unter dem Grundsatz "So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie notwendig". Diese Strategie in Kombination mit den regionalen Maßnahmen und dem massiven Testen habe sich bewährt.
13 Postings
@leli.....gefällt mir, Ihr Post....nur Ihrer Meinung zur Impfung möchte ich noch etwas hinzufügen :..... nachdem die jetzige Impfung laut TV-Berichten nicht geben die Britische Mutante schützt und alle, lt Ärztekammerpresident, spätestens im Herbst ein 3.x geimpft werden müssen was spricht dagegen, dass sich Menschen die noch nicht geimpft sind, die Freiheit nehmen bis zum Herbst zu warten? Im Moment ist eine äußerst positive Entwicklung der Zahlen zu beobachten. Hr Anschober war ja auch ein ganz ansehnlicher Gesundheitsministerium und sagte :.... "jetzt wird es warm und das mag das Virus gar nicht." Wenn man an die letzte warme Saison denkt hatte er recht. Also, denke ich kann man so respektvoll anderen Meinungen gegenüber sein und diese auch akzeptieren. .....und auch wenn die Meinung/Entscheidung heißt :" Ich warte mit der Impfung noch" Sehr geehrte Frau/Herr leli..... Vieles liegt im Auge des Betrachters
@doelsach : Biontech und AZ wirken sogar gut bis sehr gut gegen die neue indische Variante und gegen die britische sowieso .
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/vakzine-coronamutante-101.html
Darf ich das alles mal herunterbrechen auf die eigentlich zwei wichtigen Zielrichtungen? Die da wären: BundesKanzler > Ich muss alles tun, damit meine Umfragewerte passen, deshalb scheiß ich auf die Wissenschaft (von der ich eh nix versteh) und geb Vollgas bei eventuellen Öffnungen. GesundheitsMinister > Ich habe Medizin studiert, das Studium mit Erfolg abgeschlossen und bin nun Arzt. Als Arzt weiß ich, was eine Pandemie ist - daher Vorsicht und vorausschauend handeln.
So weit, so klar?
Interessante Ansicht, spitzeFeder. Sehe ich auch so, volle Zustimmung!
Will Kurz etwa gar schon durch seine Lockerungsversprechen für seine noch heuer stattfindende Wiederwahl werben ?? Für ihn ist es ja nichts Neues bestehende Regierungen zu Fall zu bringen ! Meines Erachtens ist er ein PR-Typ und kein Staatsmann. Diesen Eindruck habe ich von ihm erst in letzter Zeit gewonnen.
Im letzten Absatz ist eigentlich alles gesagt. "So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie notwendig“. Wieso viele - auch, oder sogar besonders die Medien - aus unterschiedlichen Meinungen in der Koalition gleich einen "Streit" konstruieren (und diesen mit verschiedensten Meldungen über Tage hin befeuern), ist mir nicht klar! Geht es wirklich um Steigerung der Leser- und Hörerzahlen, geht es um die Negativschlagzeilen über "die da oben" (über die Regierung) oder geht es gar um (auch kleinste Bausteine im Ansinnen) "Kurz muss weg"? Was wären das für Lebens-, Geschäfts- und Regierungspartnerschaften, wo man immer über alle Themen einer Meinung ist? Und ist das, wenn man es (in der Ehe, in der Geschäftsführung, in der Koalition) ausdiskutiert, dann immer gleich ein Streit, ein Zank, ein ....-problem?
Es ist unfassbar: WANN endlich werden wir eine Koalition haben, die NICHT ständig streitet, die an EINEM Strang zieht und nur EIN Wohl im Sinne hat- nämlich das des Volkes. Es ist unfassbar enttäuschend, frustrierend und fördert das Vertrauen in die Politik nicht.
Die allgemeine Wahlverdrossenheit ist verständlich, aber leider nicht sinnvoll.
Natürlich wäre es angenehm, wenn unsere Regierung harmonisch agieren würde. Bei diesen unterschiedlichen Positionen der Parteien ist das allerdings nicht wirklich zu erwarten und an sich noch kein Problem.
Aber wie kommunizieren sie das? Grundsätzlich finde ich, gibt es einen großen Unterschied zwischen untergriffigem Anpatzen und Klarstellen auf fachlicher Basis. Wenn die Rücknahme der Maßnahmen nicht mit Minister Mückstein abgesprochen war, ist das ersteres. Der kleine Koaltionspartner sollte eigentlich viel häufiger die "Vorgangsweise" der schwer PR-gesteuerten türkisen Partei laut beim Namen nennen, sachlich und eindeutig.
@iseline: Sie haben völlig Recht. Danke für den Zusatz/Korrektur.
Echt traurig das schon das kleinste Wort vom Gesundheitsminister von der VP als Kritik wahrgenommen wird!!
Man merkt auch das eine andere Meinung als die der VP nicht relevant ist - - erst recht als erst vor ein paar Tagen unser Herr BP "mahnende Worte" sprach?!?
Ich hoffe das Herr Mückstein viele Eislaufschuhe hat - - er wird sie alle brauchen auf dem "glatten politischen Bankett"
Es ist die Aufgabe des "Gesundheitsministers" die "Gesundheit" in den Vordergrund zu stellen und es ist auch seine Verantwortung. Es ist aber auch Aufgabe des Bundeskanzlers, der Wirtschaft wieder Perspektiven zu geben. Bei beiden Politikern fehlen mir jedoch Aussagen zu "Massnahmen" um die Bevölkerung zum Impfen zu "bringen". (Ich befürchte, bei den vielen Skeptikern wird "Aufklärung" leider zu wenig sein - da müssen schwerere "Geschütze" aufgefahren werden) Die Probleme kommen in einigen Wochen, wenn zu viel Impfstoff da ist und viele aufgrund möglicherweise sinkender Insidenzen die Impfung nicht mehr für wichtig erachten! Da könnte der "Schuss" im Herbst leider wieder nach hinten los gehen.....ich habe jedenfalls keine Lust, im Herbst wegen 30 bis 40 % "Unbelehrbare" wieder in einen "Lockdown" zu gehen....
Euphorie ist gut und Recht! Wer bitte will nicht, dass die Pandemie Einschränkungen sukzessive abgebaut werden.
Eines ist aber noch schlimmer: Wieder einmal "Luftschlösser bauen", wie BK Kurz sich gerne in den Medien im teuren Zwirn, geschminkt und gestriegelt, sich selbst huldigt.
Ich finde es wichtig und verantwortungsvoll, wenn Gesundheits-minister Mückstein klare Worte findet und dafür plädiert, rein auf der Basis von Fakten zu entscheiden. Populismus hat in der Gesundheitspolitik nichts verloren! Ein unlogisches Hin und Her, Auf und Zu hatten wir jetzt lange genug! Und genau das ist ein wichtiger Grund dafür, dass es immer geringere Akzeptanz für viele Maßnahmen gibt.
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