Der Richtsaal: Tribunal im Café für einen toten Dichter
FrauenART bringt im August eine Hommage an Gerold Foidl auf die Theaterbühne. Video!
Die Theatergruppe FrauenArt bringt – falls es die Pandemie erlaubt – im August 2021 mit dem Stück „Der Richtsaal“ eine Hommage an den Osttiroler Literaten Gerold Foidl auf die Bühne. Autorin Silvia Ebner verfasste ein Stück, das Foidls gleichnamigen autobiografischen Roman nicht nachstellt, sondern bewusst aus der Distanz reflektiert.
Drei Frauen – in fiktiv angelegten Rollen – erinnern sich am Todestag des Literaten in dessen Salzburger Lieblingscafé an Foidl. Der zunächst verehrende Rückblick wird plötzlich zum Tribunal, als die Großmutter – zentrale Figur in Foidls Roman – den Raum betritt. Nun wird das Café zum titelgebenden Richtsaal. Foidl ist nicht anwesend, aber die Jacke des eben Verstorbenen hängt in der Garderobe, die Frauen schlüpfen abwechselnd hinein und steigern so ihre Identifikation mit der Position des Anklägers, der mit Originaltexten zu Wort kommt. Die Stimme gibt ihm Fredi Fast.
Dolomitenstadt-Videoreporter Peter Werlberger beobachtete im Kulturhaus Sinnron in Dölsach – wo das Stück uraufgeführt werden wird – die durch Conora eingeschränkten Proben mit der Kamera und holte neben Drehbuch-Autorin Silvia Ebner auch die Hauptdarstellerinnen Eva Meissl, Regina Mayr, Martha Klocker und Irmgard Semrajc vor sein Mikrophon.
Im April 2021 wäre Gerold Foidl 83 Jahre alt geworden. Der 1938 in Lienz geborene Schriftsteller durchlebte eine schwierige Kindheit und Jugend, wurde psychiatriert, arbeitete in Zollämtern in ganz Österreich, scheiterte beruflich immer wieder, trank, wurde mit fünfunddreißig Jahren aus Krankheitsgründen frühpensioniert und lebte danach als freier Autor in Salzburg. Mit 44 Jahren starb Foidl an Lungenkrebs.
Nur vier Jahre zuvor, 1978, war sein erstes Buch erschienen, „Der Richtsaal“, eine schonungslose Abrechnung mit seinem Aufwachsen in einer Familie, die gnadenlos versuchte, den bürgerlichen Schein aufrechtzuerhalten. Bis heute ist Foidls literarische Aufarbeitung seiner tristen Biographie Teil von Spekulationen und auch Legendenbildung rund um seine Person.
Foidls zweiter Roman, „Scheinbare Nähe“, wurde posthum veröffentlicht. Peter Handke verarbeitete die unabgeschlossenen Manuskripte zu jener Ausgabe, die 1985 bei Suhrkamp publiziert wurde, als Roman über die aussichtslose Lage angesichts der unheilbaren Krankheit des Protagonisten. Darüber hinaus verfasste Gerold Foidl Prosatexte, die unter dem Titel „Standhalten“ erschienen.
Im Nachwort zu seinen gesammelten Werken, die im Haymon-Verlag erschienen sind, verweist Dorothea Macheiner, Wegbegleiterin und Nachlassverwalterin Foidls, auf die wahre Tragik im Leben eines Literaten, der erst kurz vor seinem Tod überhaupt den Weg zum Leben fand. In ihrem Text „Das letzte Bild“ betont Macheiner, dass Gerold Foidl „bis zuletzt hoffte, den Krebs zu besiegen. Er wusste auch, dass seine Krankheit psychosomatisch bedingt war. Es war das von Kind an abgeschnürte ‚freie Atmen‘, das ihn zuerst zum Stotterer, dann zum Epileptiker, zum Kettenraucher und schließlich zum Lungenkrebs-Kranken werden ließ. Dazwischen wie ein roter Faden das Schreiben – der sublimierte Schrei.“
Der Künstler selbst formuliert es so: „Es gab Zeiten, wo ich überzeugt war, dass ich nur schreibend existieren könne. Es hatte Vorrang vor allem, was sonst in mein Leben eindringen hätte können. Sollte ich einmal nicht mehr schreiben können, würde es für mich bedeuten, dass ich tot bin.“
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