„Bevor sich das Leben jemals manifestierte, gab es die schöpferische Idee. Ein glänzend, elektrisierender Impuls, welcher die Welt aufkeimen ließ. Gedankensamen fielen auf die Erde wie ein belebender Regen und entfalteten sich zu unzähligen Wesen und ihren Lebensbildern, von Gedanken, welche durch Unachtsamkeit wild geworden waren und an denen sich das ‚Ich‘ fest anklammerte, genauso wie die von solchen, die durch Konzentration gelenkt wurden.“
Der Auszug aus einem Text, den Simina Badea ihrem Bild „Qian – Himmel“ zugrundegelegt hat bringt auch das Motiv und den Stil ihrer Zeichnungen auf den Punkt: bunt und variantenreich und in ihrer minutiösen Ausführung in Feder und farbiger Tusche einer überbordenden Phantasie und erstaunlicher Ausdauer und Präzision in gleichem Maße geschuldet. Kleinteilige Ornamente füllen großzügig konturierte Silhouetten, setzen sie in Beziehung zueinander und zu der Arbeitsfläche, die letztlich keinen unerforschten weißen Fleck duldet. Manchmal verdichten sie sich zu Figuren, in denen man Menschen und Tiere erkennen und zu Trägern einer Bildhandlung, zum Personal von Erzählungen und Gedichten machen möchte.
Die kurvigen und flammenartigen Umrisse erinnern an Arik Brauers Figuren, doch sind sie nicht, wie bei dem Wiener Phantasten, in detailreiche Weltlandschaften nach altniederländischem Vorbild gebettet, sie gehorchen den ornamentalen Gesetzen der Fläche. Die einzelnen Elemente schmiegen sich an die Kontur der Motive, werden nur scheinbar von ihnen überlagert. Das Verhältnis zwischen Figur und Grund verwandelt sich in einander bedingende Äquivalenzen und die Bildränder werden als Voraussetzungen für eine Ordnung bestätigt, die kein Ausschnitt aus einem größeren Ganzen mehr sein will. Das Phantastische lässt sich nicht durch den Realismus disziplinieren.
Berührungen mit dem Werk Gunter Damischs sind da kein Zufall, war dieser doch Badeas Lehrer an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Doch es sei auch daran erinnert, dass dort der Lehrauftrag ihres Ehepartners Michael Hedwig ursprünglich durch den Versuch einer Versöhnung der anscheinend unvereinbaren Positionen grundiert war. Das „beste aus zwei Welten“, des abstrakten Expressionismus und des Phantastischen Realismus, lässt sich für eine jüngere Generation aber nur mehr hinter und unter der Oberfläche der Ikonen einer spezifisch österreichischen Moderne aufspüren. Und es schadet auch nicht, dabei auch über die nationalen und europäischen Grenzen zu blicken.
Die ästhetische Ordnung in Simina Badeas Kompositionen allein ihrem subjektiven Empfinden zuschreiben zu wollen, welches sich dann aus eben dieser Ordnung erschließen soll, hieße nichts anderes, als den Genuss ihrer Bilder einem Zirkelschluss auszusetzen. Die ursprünglichste und allgemeinste Aufgabe, die man dem bildenden Künstler zuschreibt, wird nicht zu Unrecht im Verzieren, Schmücken und Ordnen erkannt. Die alten Griechen fassten all das unter dem Begriff „Kosmos“ zusammen. Zwischen Kosmologie und Kosmetik tut sich ein unendlich weites Tätigkeitsfeld auf, das von allen Kulturen bestellt wird und wurde, und das damit erst definiert, was Kultur ist.
Während die Kosmologie der Vorsokratiker und der klassischen griechischen Philosophie, der das abendländische Vernunftdenken seine Quellen verdankt, heute kaum noch zum aktiven Wortschatz gehören, erfreut sich die Weisheit der alten Chinesen fast allgemeiner Beliebtheit. Das I Ging, das „Buch der Wandlungen“, eine Sammlung von Zeichen und Sprüchen, gibt Antwort auf die Fragen „Welche Energie erwartet mich heute?“ oder „Was ist mein nächster Schritt?“, es dient als Grundlage von Managementseminaren und natürlich der Traditionellen Chinesischen Medizin. Simina Badea hat die Bedeutungsvielfalt und die Magie seiner Orakelzeichen in einer Serie von Zeichnungen und zugeordneten Texten ergründet.
Die acht „Trigramme“ sind spartanisch, geradlinig, streng: ein binärer Strichcode, ein digitales Ausdruckssystem, wenn man so will, und das exakte Gegenteil zu fantasiereichen Bildern, bestehend aus Yin (– –) und Yang (—), weiblich und männlich, die ungeteilte Linie des Schöpferischen und die geteilte Linie des Empfangenden, die, jeweils zu dritt übereinandergestapelt, 2³ unterschiedliche Zeichen ergeben. Sie stehen für Naturelemente, Verwandtschaftsverhältnisse, Charaktereigenschaften, von denen jede jeweils auf alle anderen hin offen ist. Die alten Chinesen waren davon überzeugt, dass sich mit ein paar Zusatzzeichen schließlich sämtliche möglichen Wandlungen der Welt ausdrücken ließen.
Ähnliches gilt aber auch für die Zeichnungen Simina Badeas, deren ästhetisches Spiel in dem stets aufs Neue zu lösenden Spannungsverhältnis zwischen spontan gezogenem Umriss und streng abgegrenzter Fläche die Grenzen der eigenen Regeln berührt. Gleichviel, woher die Phantasie ihre Einflüsterungen bezieht.
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