In einer Situation, die soziale Kontakte und direkte Rede streng untersagt, ist es nicht leicht, an Informationen zu kommen. Seriöse Recherche wird da zur Kunst, für die hat der Herr Pirkner „eine eigene Marke gegründet“. Sofern es sich im Folgenden nicht um direkte Rede handelt, sind die unter Gänsefüßchen gesetzten Passagen Zitate aus einer Laudatio in der Februarausgabe des 20er. Um in der Berichterstattung von dolomitenstadt.at zwischen Dachlawinen, Fliegerbomben- und Corona-Einschlägen die Linie, die einen heil aus dem Unheil herausführt, zu finden, tut es ganz gut, von Zeit zu Zeit die Sekundärliteratur zu bemühen. Nicht, dass es dann heißt, dieser Beitrag sei ein schlecht recherchiertes Plagiat.
In Tirol soll ja das Britenvirus grassieren, Schilehrerlehrlinge hätten das eingeschleppt, wird behauptet. Ich allerdings glaube, dass es schon vorher da war, da kann mir der Platter erzählen, was er will. Der Alaba ist schließlich auch erst durch ihn zum Briten mutiert! Und mit Schifahren hat der gewiss nichts am Hut. Oder was glaubst du, wo der ursprünglich her ist? Aus Südafrika ganz bestimmt nicht! Wir Tiroler sind das einzige Volk auf der Erde, das nicht aus Afrika stammt. Wir haben unsere eigenen Stämme. Und jetzt will die Bundesregierung bei uns die Apartheid einführen. Das Problem mit den Schihütten- und Seilschaftsbetreibern aber bleibt weiter bestehen.
„Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten“, denke ich leise. Laut denkst du das besser nicht, sonst sperren sie dir bei Dolomitenstadt gleich wieder das Forum, und wie sollte ich dann noch an meine Gewehrsleute kommen? An all die Infektiologen, verdeckten Ermittler, Bewegungsprofiler und E-Card-Einsammler? Ja wir sind mittlerweile sehr viele, ein bunter Haufen, wie man so sagt, auch politisch lassen wir uns nicht über denselben Kamm scheren. Schon wegen der Ansteckungsgefahr beim Frisör. Egal, ob Schwarz, Türkis, (Rosa-)Rot, Grün oder Blau, wir halten zu allen eine Äquidistanz von zwei Metern. Wir sind das Wählerpotenzial der Nummer Einhundertdreiunddreißig! Anonym, selbstverständlich.
Neulich habe ich eine Schi-Mail bekommen. Und nein, ich habe bis dato auch nicht gewusst, dass es so etwas überhaupt gibt. Die werben mit verlockenden Bildern in Regenbogenfarben, dazu schöne Frauen, Schauspieler*innen, da läuft dir das Wasser im Munde zusammen. Wie auf der Titelseite eines einschlägigen Magazins. Weiter unten, im Kleingedruckten, kommt dann die ganze Wahrheit ans Licht. Queerdenker, alle mitsammen! Vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. Jetzt wird’s aber Zeit, dass ich endlich gegen diese Schihüttenunternehmer was unternehme. „Ich schnappte mir meine Kamera und stapfte durch meterhohen Schnee hinauf zum Geschehen.“ Ins Oberland.
Die Oberländer Querdenker sind viel schwerer zu fangen als die aus dem Iseltal. Nicht, dass sich die Iseltaler nicht auch manchmal querlegen, aber mit dem Denken haben sie es nicht so. Die Grenze zum Oberland verläuft mitten durch die Brauerei Falkenstein. Deswegen wird dort auch streng kontrolliert. Bei St. Korbinian, oberhalb von Thal, breitet sich ein kleines Plateau aus, da kannst du dir einen ersten Überblick über die Gegend verschaffen. Ich hielt mir die Kamera vor das Auge, und wie ein Adler spähte ich in die Runde. Schon kreuzte eine dünne Rauchfahne mein Gesichtsfeld, die sich zwischen den schneebedeckten Baumwipfeln emporschraubte. Aus dem Häuschen in die Luft, darüber, so erinnerte ich mich dunkel, hatte ich schon einmal etwas gelesen. Die Geschichte war nicht gut ausgegangen: Hussa, hussa, trollolo, Hexe Kniesebein usw.
Ich pirschte mich näher heran und entdeckte zu meinem Erstaunen zwei Männer in weißen Schürzen und mit gewaltigen Bärten, die sich am offenen Feuer emsig an einem riesigen Kupferkessel zu schaffen machten. So habe ich mir immer das Robert-Koch-Institut vorgestellt. Während der eine aus einem in Schweinsleder gebundenen Folianten blasphemische Zaubersprüche vorlas, fing der andere mit einem winzigen Fläschchen die grüne Flüssigkeit auf, die aus dem gläsernen Destillierkolben, der über dem Kessel hing, tropfte. „Meine Herren, was treiben Sie da?“ fragte ich streng, doch mit einer unmissverständlichen Handbewegung gebot man mir, mich noch einen Augenblick zu gedulden. Man stehe mit der Entwicklung eines Impfstoffs aus Latschenkiefern kurz vor dem Durchbruch.
Dann erzählten sie mir, dass sie schon zu Beginn der Coronakrise ein Desinfektionsmittel hergestellt hätten. Als absoluter Exportschlager aber hätte sich ihr Testverfahren erwiesen: unkompliziert und mit einer Trefferquote von 100 Prozent. Dazu hätten sie Marmelade verabreicht, und wem die nicht schmeckte, dem wurde umgehend ein positives Ergebnis bescheinigt. „Dann sputet euch“, rief ich und wäre bei dem Wort „Sputen“ beinahe tot umgefallen vor Lachen, „in Dölsach ist man euch dicht auf den Fersen!“ Die beiden schien das nicht aus der Ruhe zu bringen. „Dabei kann es sich höchstens um eine Schluckimpfung handeln“, erwiderten sie, „da gibt es Schwierigkeiten mit der Dosierung und die Langzeitfolgen sind auch längst bekannt.“ Außerdem seien auch sie Brüder, und das schon seit 1886. Aha, die Gebrüder Grimm, nehme ich an.
Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker, Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt und Autor. Während des Lockdowns im Frühjahr hielt uns sein Corona-Tagebuch bei Laune, doch mittlerweile kritzelt Rudi seine Notizen einfach an den Rand der Ereignisse, also dorthin, wo die offizielle Berichterstattung ein Ende hat. Wir präsentieren in unregelmäßigen Abständen „Rudis Randnotiz“.
3 Postings
Nicht, dass sich die Iseltaler nicht auch manchmal querlegen, aber mit dem Denken haben sie es nicht so. Vielen Dank! Als Iseltaler wieder was dazu gelernt
Und am Ende des Regenbogens findet sich ein Topf voll Gold. Ich kann nur bestätigen, dass ich nur weiß, dass mir nicht erinnerlich ist, wer ihn sich holt.
Neulich bei DisastraZeneca: Um den Kessel dreht euch rund/ werft das Gift in seinen Schlund/ auch der Lästermäuler Lunge/ türkise Nas' und grüne Zunge/ Spart am Werk nicht Fleiß noch Mühe/ Feuer sprühe, Kessel glühe!/ So recht! Ich lobe euer Walten/ Jeder soll auch Lohn erhalten/ Um den Kessel tanzt und springt/ Und den Zaubersegen singt!
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