Am 9. Februar findet alljährlich der „Safer Internet Day“ statt. Ziel ist es, das Bewusstsein für eine sichere und bessere Internetnutzung zu schärfen. Insbesondere stehen dabei Kinder und Jugendliche im Fokus, immerhin wachsen diese heute mit dem Internet von klein auf auf. Die Vorteile für sie sind zahllos: Keine Generation vor ihnen hatte die Möglichkeit, ständig mit anderen Menschen in Kontakt zu bleiben, neue Menschen und Standpunkte kennenzulernen, sich über Neuigkeiten aus der ganzen Welt zu informieren oder selbst im Internet kreativ zu werden. Gleichzeitig weist das Internet auch seine Tücken auf – und viele Kinder und Jugendliche werden mit ihren Ängsten und Sorgen alleingelassen.
Problematisch ist dabei vor allem, dass die Bezugspersonen der Kinder und Jugendlichen nicht wissen, wie sie beispielsweise mit dem Thema Gewalt im Netz umgehen sollen und ihre Kinder schützen können. „Wir sehen große Wissenslücken bei den Menschen, die eigentlich unterstützen sollten, etwa Eltern oder Polizei: Nicht selten wird Opfern suggeriert, sie seien selbst schuld an ihrer Situation. Viel zu oft wird ihnen geraten, sich von der jeweiligen sozialen Online-Plattform zurückzuziehen, statt Anzeige zu erstatten“, erklärt Katrin Grabner, Kinderrechtsexpertin des SOS-Kinderdorfs. „Mit dem Gesetzespaket zu Hass im Netz hat die Politik letztes Jahr einen wichtigen ersten Schritt gesetzt. Doch Gesetze bieten nur wirklich Schutz, wenn sie auch in der Praxis Anwendung finden. Hier braucht es eine breite Informationsoffensive, damit die Gesetze wirksam werden können, und Weiterbildungsmaßnahmen für Polizei und Gerichte“, so die Expertin.
Sexuelle Gewalt im Netz
Speziell im Bereich der sexuellen Belästigung von Kindern gäbe es noch viel zu tun. „Bereits 2018 hat eine von SOS-Kinderdorf beauftragte Studie gezeigt, dass fast 30 Prozent aller Kinder und Jugendlichen von sexueller Gewalt im Internet betroffen sind. Häufig wissen Kinder und Jugendliche aber gar nicht, welches Verhalten strafbar ist. Und nur acht Prozent der Betroffenen von sexueller Belästigung und Gewalt im Netz erstatten Anzeige“, so Grabner.
Während der Lockdowns haben sich Liebe und Sexualität stark ins Netz verlagert. Dabei werden oft Grenzen überschritten – zwischen Jugendlichen selbst, aber auch etwa durch sexuelle Annäherung von Erwachsenen an Kinder und Jugendliche. „In diesem Jahr möchte ich den Fokus auf Sexting und Revenge Porn legen, Phänomene, mit denen sich mein Büro leider immer häufiger beschäftigen muss“, weist auch Südtirols Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller auf diese Problematik hin.
„Sexting“ bezeichnet den vor allem unter Jugendlichen verbreiteten Austausch von sexuell eindeutigen Nachrichten, Bildern oder Videos, insbesondere über das Smartphone. „Revenge Porn“ ist eine mögliche Folge von Sexting: Dabei werden intime Texte, Fotos oder Videos ohne die Zustimmung der abgebildeten Person öffentlich geteilt. Zu Rachepornos kommt es in der Regel, wenn eine Beziehung endet und die Person, die verlassen wurde, beschließt sich zu rächen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Bilder zunächst mit dem Einverständnis des Opfers oder ohne dessen Wissen aufgenommen wurden: Wenn die abgebildete Person nicht mit der Veröffentlichung der Fotos oder Videos einverstanden ist, ist der Tatbestand des Rachepornos erfüllt, erklärt Höller.
Wenn es um Kinder und Jugendliche geht, kommen auch andere Tatbestände ins Spiel, wie zum Beispiel Kinderpornografie und Besitz kinderpornografischer Schriften. „Eine wichtige Information für junge Menschen: Der Artikel über den Besitz kinderpornografischer Schriften besagt eindeutig, dass sich jeder, der im Besitz von sexuell eindeutigen Fotos oder Videos ist, auf denen Minderjährige abgebildet sind, dieser strafbaren Handlung schuldig macht. Das bedeutet, dass auch bei einer Liebesbeziehung das Speichern von intimen Bildern des minderjährigen Freundes oder der minderjährigen Freundin auf dem Smartphone oder Computer den Straftatbestand von Besitz kinderpornografischer Schriften erfüllt“, so Höller. Selbe Gesetzeslage gilt auch in Österreich.
Wenn sich Erwachsene das Vertrauen von Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel der sexuellen Belästigung bis hin zu sexuellem Missbrauch erschleichen, wird dies als „Grooming“ bezeichnet. Die Strategien der Täter gestalten sich hier sehr unterschiedlich, manchmal geben sie sich als gleichaltrig aus, manchmal verbergen sie gar nicht, dass sie bereits erwachsen sind. Wenn Jugendliche versuchen, den Kontakt abzubrechen, reagieren die Täter oft mit Erpressungen. Seit 2012 ist Grooming strafbar.
Offen über Gefahren im Netz sprechen
Der beste Schutz gegen Gefahren im Internet sind offene Gespräche. Eltern sollten die rechtliche Situation erklären, anstatt aus Sorge Verbote und Bewertungen auszusprechen. Kinder und Jugendliche sollten bestärkt werden, sich Hilfe zu holen, wenn sie sich unwohl fühlen oder bedrängt werden. „Je normaler dieser Austausch ist, desto höher ist die Chance, dass sich Kinder bei Problemen an Eltern oder andere Bezugspersonen wenden. Ist das Internet in erster Linie mit Verboten belegt, bleiben junge Menschen oft aus Scham mit ihren negativen Erlebnissen allein“, sagt Katrin Grabner. Es brauche daher dringend mehr Maßnahmen im Bereich der Elternbildung. Längst überfällig seien auch Gewaltschutzkonzepte für Schulen, mit Leitlinien etwa zum Umgang mit Cybermobbing. In Deutschland oder Luxemburg würden diese längst zum Standard gehören.
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