Hans-Peter Erb, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Hamburg erklärte kürzlich in einem Interview mit dem Magazin „ZEIT Campus“, dass die Pandemie sowohl Kreativitätsbooster als auch Kreativitätskiller sein kann. Auf der einen Seite könne man die Pandemie als Herausforderung sehen und nach dem Motto „Not macht erfinderisch“ Neues schaffen. Auf der anderen Seite würden schlechte Stimmung, Sorgen um Familienmitglieder und Vorschriften Perspektivenwechsel und flüssiges Denken hemmen, so der Psychologe. Melancholie führe bei Menschen eher dazu, konvergent, also lösungsorientiert zu denken und auf Routinen zurückzugreifen, die schon immer geholfen haben. Dadurch werde man weniger kreativ.
Gleichzeitig haben viele berühmte Schriftsteller, Musikerinnen und Künstler aus ihrem seelischen Leid ihre Schaffenskraft bezogen. Auch für die 17-jährige Schülerin der Lienzer Handelsakademie, Isabell Tagger, ist die Pandemie kein Grund ihre Schreibfeder aus der Hand zu legen. Vielmehr hat sie nach ihr gegriffen und die Melancholie, wie sie viele in dieser Zeit verspüren, schriftlich festgehalten – mit einem vorsichtig positiven Blick nach vorn.
Zeitschleife
Ein neuer Tag, und ich frage mich
was soll ich tun, was muss geschehen,
dass heut‘ger Tag nicht seinem Vorgänger entspricht
Dieser Trott, kein Weg zu entfliehen, gefangen,
verloren in einem Spiegelkabinett
Dies ist nun Alltag geworden;
Wir haben ihn aufgenommen wie einen lieben Freund
mit der Hoffnung, er sei nur ein Gast, setzen wir die Reise fort
eine Last auf den Schultern wie die eiserne Rüstung eines edlen Ritters
Schenke mir einen Blick zurück
Zeig mir doch etwas, warum sehe ich nichts
Sind wir blind, weil wir die Augen vor dem Schlechten verschließen
oder sehen wir sonst nur das Gute, das uns nun verborgen bleibt
Finden wir wahrlich nichts, was es zu würdigen scheint?
Erinnere dich
Bleibt nur das Leid, das Unglück,
erinnern wir uns nur an das, was genommen und vorenthalten bleibt?
Der Schmerz sitzt tief, er beißt sich fest in unsren Köpfen
lästig, lass mich frei, lass mir meinen Willen, es war nicht alles schlecht
Sag mir, siehst Du nicht wie stark wir sind geworden?
Wer hätte es gedacht, wir, die alles haben können
müssen lernen zu verzichten, lernen zu verstehen
Auf einmal wacht man auf, auf einmal, du darfst nicht mehr raus
es geht nicht mehr, wie soll ich das verstehn‘
Verhangen in der Zeitschleife und doch verfliegt die Zeit
Ich verschließe meine Augen, wie lange währt mein Schlaf?
Das Jahr, es ist vorbei,
der Kalender fasst kein Blatt
Ein neues Jahr, bitte trage nicht dieselbe Maske, zerbrich dein Spiegelbild
Wir sind ausgelaugt, haben keine Energie, lass uns frei
Gib uns zurück was du genommen, ich sehe doch, du wirst dich bessern
Keine Lust mehr auf Irgendwann, sag uns, die Zeit ist jetzt
Auf dich gerichtet, es ist ein positiver Blick, anders darf nun nicht mehr sein
Durchbrich die Ungewissheit, wir werden siegen
weil Vergangenheit und Zukunft auf unseren Händen liegen
Wir müssen erwachen, unsere Müdigkeit ignorieren
nur so können wir etwas bewirken, Verantwortung adaptieren
Damit wir wieder Oma und Opa umarmen
Damit wir wieder unsere Freuden feiern
Damit wir wieder mit klarem Kopf nach vorne sehn‘
Isabell Tagger
„Verhangen in der Zeitschleife und doch verfliegt die Zeit“
In einem ausdrucksstarken Gedicht verschriftlicht Isabell Tagger ihre Gedanken zur Pandemie.
2 Postings
Wunderbare Gedanken einer jungen Dame! Herzlichen Glückwunsch zu diesen Zeilen.
Da wurde die Zeit sehr kreativ genutzt. Einfach toll diese Jugend!!
So ein wunderschöner Text: Ich bin sehr berührt! Gratulation!
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