Lienz: Im Dezember mehr Niederschlag als je zuvor
ZAMG registrierte die extremsten Regen- und Schneefälle seit Beginn der Messungen 1854.
Das Dorf Kornat im Kärntner Lesachtal liegt auf 990 Metern Seehöhe, hat laut Wikipedia 69 Einwohner und darf sich seit einigen Tagen über einen besonderen Rekord freuen: Nirgendwo in Österreich fiel im Dezember mehr Niederschlag, nämlich 527 Millimeter. Auch in der Geschichte des Dorfes ist das einmalig, denn bisher lag der Dezemberrekord – aufgestellt im Jahr 1960 – bei 367 Millimetern.
Kornat ist das extremste Beispiel für ein Wetterphänomen, das Osttirol und Oberkärnten tagelang in die Schlagzeilen brachte: Im Dezember 2020 fielen hier Niederschlagsmengen, wie sie seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie registriert wurden. Das gilt auch für die Bezirkshauptstadt Lienz.
In der Dolomitenstadt fielen im letzten Monat des Jahres unglaubliche 445 Millimeter Niederschlag. Die Wassersäule ist damit doppelt so hoch wie im bisher niederschlagsreichsten Dezember. Der war im Jahr 1916. Damals fielen 227 Millimeter. 445 Millimeter sind aber nicht nur Dezember-Rekord, sondern überhaupt die größte Niederschlagsmenge, die innerhalb eines Monats in Lienz je gemessen wurde. Die Messreihe geht bis ins Jahr 1854 zurück.
An dieser Stelle ein Wort zur Messtechnik: Der Großteil des Niederschlags in Osttirol und Oberkärnten fiel im Dezember ja als Schnee. In Lienz wurden 182 Zentimeter Neuschnee gemessen, in St. Jakob 211 Zentimeter, in Virgen 225 Zentimeter und in Kötschach-Mauthen sogar 245 Zentimeter.
Zur Umrechnung von Schneefall in Liter bzw. in die wasseräquivalente Niederschlagshöhe pro Quadratmeter wird die Dichte des Schnees bestimmt. Sie ist sehr unterschiedlich. Während Pulverschnee nur rund 30 Kilogramm pro Kubikmeter wiegt, kann Nassschnee bis zu 200 Kilogramm auf die Waage bringen und enthält entsprechend mehr Wasser.
Um sich die Millimeterangabe besser vorstellen zu können, ist eine andere Messgröße interessant: Die Niederschlagsmenge von einem Millimeter entspricht nämlich genau einem Liter Wasser in einem oben offenen Gefäß mit einem Quadratmeter Grundfläche. Schüttet man unglaubliche 445 Liter Wasser in eine Tonne mit einem Quadratmeter Grundfläche, dann sieht man, was in Form von Regen und Schnee in nur einem Monat auf Lienz niederging.
Richtig krass wird dieser Messwert – wenn man ihn mit anderen Regionen vergleicht. In Lienz brachte der Dezember acht Mal (+800 Prozent) so viel Niederschlag wie im Mittel. In Windischgarsten, nur 150 Kilometer entfernt, aber nördlich des Alpenhauptkamms, fielen im selben Zeitraum nur 30 Millimeter Niederschlag und damit 70 Prozent weniger als im vieljährigen Durchschnitt. An der Nordseite der Alpen fiel um rund 20 bis 50 Prozent weniger Schnee als in einem durchschnittlichen Dezember.
Und als wären die Rekordwerte nicht schon spektakulär genug, legte die Natur am 2. und 3. Jänner in Osttirol und Oberkärnten mehr als das sprichwörtliche Schäufelchen nach. Für die Dezemberstatistik kam dieser Niederschlag zwar zu spät, auf den Gebäuden der Stadt lastet er gemeinsam mit seinem Vorgänger aber tonnenschwer.
15 Postings
Nur der Vollständigheit halber, +800% sind 9x soviel
Stimmt!
Dazu noch: ich denke den Satz "als je zuvor" geht sicher über 167 Jahren hinaus. Die Erde ist sicher ein bisschen älter.
War im Mellitzgraben, gegenüber vom heutigen Tunnel bzw. vor der Lawinengallerie.
Lt. Aussage meiner Eltern sollten im Jahr 1950/51 (im Dure) noch im Juli durch einen Schneetunnel gefahren, gegangen worden sein, da eine Lawine im Dez. Jan. die Straße verschüttet hatte. Es gibt, gab sogar Bilder davon.
Ergo, muss diese Lawine mehre Meter hoch und auch breit gewesen sein. Auch ist man als Kind vom Balkon gehüpft. Der Vater musste die älteren Geschwister 3 u. 4 Jahre alt ausgraben, da sie von alleine nicht mehr herauskamen.
Interessanter Artikel und gut recherchiert!
Bilder und „G´schichtln“ von den Großeltern aus der damaligen Zeit, 1950/51, wären eine Anregung für einen weiteren Bericht auf „dolomitenstadt“ und zu heute Vergleiche dazu!
@defregger, ich habe davon auch schon gehört, was Sie schreiben. Ist das tatsächlich so gewesen – vorstellen kann ich mir das schon. Da wären Fotos von damals für den oben angeregten Artikel passend.
@Nichtwisser, auch Ihr Posting finde ich sehr aufschlussreich! Kann man diesbezüglich herausfinden, was der Wahrheit und was dem Mythos entspricht? Ich habe weiters gehört, dass beim großen Schnee 1950/51 im Frühjahr von den Obertilliachern und Kartitschern ausgemacht war, die Straßen freizuschaufeln, wohlgemerkt per Hand tw. in 3 Stufen und sich am Tannsattel zu treffen. Beim Freischaufeln und Zusammentreffen soll es zwischen Kartitschern und Obertilliachern zu Raufereien gekommen sein. Und zwar deshalb, weil die Kartitscher das „Straße-Freischaufeln“ nicht so intensiv fortbetrieben und nicht so ernst genommen haben. Weiß jemand, ob an diesem „G´schichtl“ was dran ist? Gibt es dazu Unterlagen/Bilder oder Chroniken?
Zur Information: Scheinbar gab es im Winter 1950/51 in Kartitsch und Obertilliach weitaus mehr Schnee! Die Straße war angeblich 2 Monate gesperrt! Die Versorgung der Bewohner erfolgte mit Pferden: Zuerst von Tassenbach bis Kartitsch und dann übernahmen die Obertilliacher natürlich auch mit Pferden den Lebensmittelweitertransport! Es soll Leute gegeben haben, die von Kartitsch zu Fuß über Hollbruck nach Sillian zur Arbeit (1,5 Stunden!) gegangen sind und am Abend wieder den gleichen Weg zurück. Und heute sind wir duch Corona eine "gekränkte Gesellschaft"! So ändern sich die Zeiten!
Wie haben aber aktuell erst Anfang Jänner und damit noch einen Großteil des Winters vor uns. Der Vergleich hinkt also ein wenig. Übrigens betrug der Monatswert des Dezembers 1950 226mm - der des Dezembers 2020 aber 527mm. Schauen wir also einmal, was die weiteren Monate bringen...
Im Dezember 1950 war die Schneemenge auch noch unterm Durchschnitt. Der große Schnee ist im Jänner-Februar 1951 gekommen. Wenn mans glauben kann insgesamt ca. 10m Neuschnee
Das stimmt lt. Meines Großvaters gab es damals in Kärnten 14 Meter neuschne. Gesamtschneehöhe so hoch wie ein Telefonmast ca. 4 Meter hoch
Mein Urgroßonkel Baron Münchhausen berichtet von Tunnelsystemen zwischen Osttirol und Oberkärnten. Die Leute lebten unterirdisch, wie die Mäuse. Damals war die Schneedecke so hoch, dass er beim Drüberfliegen auf seiner Kanonenkugel keine Anzeichen menschlichen Lebens bemerkt hat!
@MelissaM, lieb wie Sie das schreiben, denn ich mag Ironie!
Aber @Genuatief hat nicht so unrecht! Stündlich gemessene Neuschneemenge summiert über den ganzen Winter! Dann kommt im Winter 1950/51 in etwa diese Menge zusammen – das entspricht ca. 3 Meter Festschnee.
Solche ungewöhnlich stark anhaltenden Großwetterlagen werden wohl in naher Zukunft noch häufiger vorkommen und passen gut in das Bild der von Experten hervorgebrachten Erkenntnis, dass Extremereignise in nächster Zeit durch die Klimaerwärmung häufiger vorkommen werden. Ein Rekord jagt ja in letzter Zeit auch kn Osttirol den nächsten. Auch der viele Schnee ist ja nichts anderes als ein Ausdruck des zu warmen Dezembers über Grönland und dem Atlantik, der uns viel feuchte Luft aus der Region beschert hat.
"Während Pulverschnee nur rund 30 Kilogramm pro Quadratmeter wiegt, kann Nassschnee bis zu 200 Kilogramm auf die Waage bringen und enthält entsprechend mehr Wasser."
Da dürfte Kubikmeter gemeint sein.
Ich hab auch so verstanden was gemeint war !
Höchst informativer Bericht - Danke dafür. Super recherchiert, und noch besser erklärt!
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