Rene Riedweg-Rohrer aus Entlebuch im Kanton Luzern züchtet Lamas und sammelt bereits seit acht Jahren Erfahrungen mit deren Einsatz als Beschützer von Schafherden. Warum sich die Methode bewährt hat, aber noch nicht überall anerkannt ist, erklärt er im Interview mit Valentin Huber, Jungreporter der Straßenzeitung 20er.
Seit 2012 setzen Schafbauern in Ihrer Umgebung Lamas als Herdenschutzmaßnahme ein. Hat sich das bewährt?
Wir haben jetzt mehr als 20 Schafherden, die früher von Wolfsrissen betroffen waren und die wir mit Lamas betreuen. Von diesem Moment an hatten wir keine Risse mehr, bis jetzt. Das war ein sehr erfreulicher Verlauf und ein großer Erfolg.
Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, Lamas als Wolfsabwehr zu verwenden?
Das Lama ist extrem neugierig. Diese Neugier verunsichert die Raubtiere. Lamas gehen auf Angreifer zu, nur deshalb funktioniert diese Methode. Der Wolf oder Luchs ist nämlich erst „scharf“ auf das Tier, wenn es wegrennt. Schafe erschrecken und rennen weg, das ist das Problem. So lösen sie beim Wolf den Beutereflex aus.
Also läuft das Lama nicht in Gefahr, selbst zur Beute zu werden?
Da habe ich keine großen Bedenken. Wir haben schon Versuche mit Polizeihunden gemacht, die den Auftrag hatten, das Lama zu fassen, aber das funktionierte nicht, weil das Lama auf den Hund losging. Das gleiche beobachten wir auch bei fremden Hunden: Lamas vertreiben sie, sobald sie in die Herde eindringen.
Sind Lamas in der Haltung aufwändiger als Hirtenhunde? Welche Kosten entstehen dabei?
Im Gegenteil, sie sind viel weniger aufwändig. Es kostet zwar vielleicht gleich viel wie ein Herdenschutzhund. Bei einem Lama reden wir von rund 2000 bis 2500 Schweizer Franken. Aber es frisst das Gleiche wie das Schaf und braucht nur Wasser, Gras und Heu. Ein ganz wichtiger Faktor ist auch: kein Kotproblem. Bei einem Hund hat man das Problem, dass er auf der ganzen Weide seinen Kot hinterlässt. Und füttern muss man ihn auch noch.
Wie viele Lamas sind für wie viele Schafe ungefähr im Einsatz?
Bei uns sind die Schafsherdegrößen, vor allem auf der Alm, meistens bei circa 100 bis 250 Stück. Mehr als zwei Lamas sind nirgendwo dabei. Wir integrieren immer zwei Lamas, da sich sonst eine eigene Gruppe bildet.
Braucht es mit Lamas in der Herde noch eine zusätzliche Betreuung durch Hirten?
Nein, eigentlich nicht. Aber wie bei herkömmlichen Schafsherden auch, wird vielleicht ein bis zwei Mal in der Woche nach dem Rechten auf der Alm gesehen. Aber Tiere auf einer Alm sind immer ein Risiko. Man kann am gleichen Tag noch alle Schafe zählen, dann geht man runter von der Alm und eine Stunde später ist etwas passiert. Grundsätzlich geht es schon ohne Hirte. Das Wichtigste ist die Integration des Lamas. Es braucht Zeit, die Lamas an die Schafe und die Schafe an die Lamas zu gewöhnen. Die Integration muss im Winter passieren, das ist etwas vom Wichtigsten. Am besten in einer kleinen, engen Gruppe, in der sie möglichst nahe beieinander sind.
Die Lamas werden also trainiert für ihre Aufgabe?
Ja, die Tiere müssen sich gegenseitig kennen. Es würde nicht funktionieren, wenn ich morgen mit zwei Lamas nach Tirol komme.
Wird diese Maßnahme auch gefördert?
Ein wenig. Es gibt bei uns Kantone, die es zum Teil unterstützen. Bundesmäßig ist es noch nicht anerkannt, weil wir immer noch zu wenig Beweismaterial haben, dass diese Methode sehr wohl funktioniert. Hunde sind akzeptiert, Lamas noch nicht. Da sind wir aber nach wie vor dran.
Glauben Sie, dass Lamas auch in Tirol einsetzbar wären?
Davon bin ich überzeugt. Ich habe heuer in Salzburg bei einer internationalen Fachtagung zum Herdenschutz über diese Schutzmaßnahme referiert. Das Echo war sehr groß. Ein weiterer Vorteil der Lamas ist ja, dass wir in Tourismusgebieten kein Problem mit Wanderwegen haben. Da können Hunde problematischer sein.
Was gibt es sonst noch für Herdenschutzmaßnahmen, die in der Schweiz anerkannt sind – und funktionieren sie auch?
Hauptsächlich werden Hunde verwendet. Einzäunen ist eine sehr gute Lösung, die allerdings auch Grenzen hat. Wenn der Wolf wirklich will, dann springt er über den Zaun oder er geht unten durch. Bei uns gab es auch schon Risse, obwohl Hunde im Einsatz waren. Da kommt es immer ganz auf den Wolf an. Trotzdem haben wir festgestellt, dass der Wolf sich immer den kleinsten Widerstand sucht. Bei einer betroffenen Alm haben wir im darauffolgenden Sommer Lamas integriert. Der Wolf war immer noch im Gebiet, vergriff sich danach aber nur noch an der ungeschützten Herde auf der benachbarten Alm.
Dolomitenstadt.at kooperiert mit der Tiroler Straßenzeitung 20er, deren aktuelle Ausgabe es derzeit vor einigen Supermärkten und im Weltladen auch in Lienz zu kaufen gibt. Die Reportage „Risse im Tal“ und dieses Interview dürfen wir mit Erlaubnis der 20er-Redaktion in voller Länge publizieren. Herzlichen Dank!
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