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Männer sterben eher an der vom Coronavirus verursachten Krankheit, von den indirekten Folgen sind eher Frauen betroffen, so eine Studie der WU Wien. Foto: Unsplash/Akyurt

Männer sterben eher an der vom Coronavirus verursachten Krankheit, von den indirekten Folgen sind eher Frauen betroffen, so eine Studie der WU Wien. Foto: Unsplash/Akyurt

Corona-Krise verschärft die Mehrfachbelastung von Frauen

Ungleichheiten tief verwurzelt. Unbezahlte Arbeit wirkt sich drastisch auf Pensionen aus.

Männer sterben zwar eher an der vom Coronavirus verursachten Krankheit Covid-19, von den indirekten Auswirkungen sind allerdings Frauen stärker betroffen. Das belegt eine Studie zum Thema „Mehrfachbelastung unter COVID-19“ der Wirtschaftsuniversität Wien. Frauen haben sich demnach während des Lockdowns noch mehr als zuvor der Familienarbeit gewidmet und im Schnitt um 2,5 Stunden pro Tag mehr unbezahlte Arbeit geleistet als Männer. Der Ausfall von Kinderbetreuungsmöglichkeiten hat ihre beruflichen Möglichkeiten mehr denn je eingeschränkt und anders als im Jahr 2008, als vorwiegend männerdominierte Branchen von der Wirtschaftskrise betroffen waren, traf es während des Lockdowns mit dem Handel und dem Tourismus vor allem Bereiche, in denen Frauen tätig sind. Gleichzeitig sind es auch in erster Linie Frauen, die in den systemrelevanten Berufen Versorgungs- und Pflegearbeit geleistet haben – in den Lebensmittelgeschäften und im Gesundheitsbereich. Trotzdem scheint außer einer lobenden Erwähnung und einer Einmalzahlung für die SystemerhalterInnen für Frauen nicht viel übrig zu bleiben. Aus diesem Grund lud das Frauenberufszentrum in Lienz (FBZ) zu einer Medieninformation in die Büroräumlichkeiten in der Beda-Weber-Gasse ein. „Die Corona-Krise verschärft die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern“, so die Leiterin des FBZ, Itta Tenschert. Vor allem die viele unbezahlt geleistete Arbeit sei problematisch. Schon vor der Krise hätten sich zu zwei Dritteln Frauen um Haushalt, Kinderbetreuung, Pflegearbeit und ähnliches gekümmert. Durch den hohen Aufwand in den eigenen vier Wänden würden sich viele Frauen damit begnügen, nur geringfügig oder in Teilzeit zu arbeiten. Daraus resultieren eine mangelhafte eigenständige Existenzsicherung, Armutsgefährdung trotz Erwerbsarbeit sowie starke gesundheitliche Belastungen. Wenn Frauen überhaupt Anspruch auf eine Pension haben, dann erhalten sie im Schnitt um 40% weniger als Männer. Damit sei die Pensions-Lücke im Vergleich mit anderen Ländern überdurchschnittlich hoch, so Tenschert.
„Die Corona-Krise verschärft die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern“, so die Leiterin des FBZ Lienz, Itta Tenschert. Foto: Dolomitenstadt/Huber
Um die Situation grundlegend und nachhaltig zu verändern, müsste ein großes Umdenken stattfinden – nicht nur in der Politik. Bereits im Kindergarten sollten Jungen und Mädchen gleichermaßen gefördert und alte Geschlechterrollen aufgebrochen werden. Zukunft sieht Tenschert in den sogenannten „Green Jobs“ – Arbeitsplätzen im Umweltsektor. Doch auch hier liegt ein Hauptaugenmerk auf dem technischen Bereich – eine Hemmschwelle für viele Frauen, wie die Leiterin des FBZ weiß. Auch wenn Ausbildungen begonnen und vielleicht sogar erfolgreich abgeschlossen werden, sei es als Frau nicht leicht, in der männerdominierten Branche ernstgenommen zu werden. Des Weiteren sieht Tenschert die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Erwachsene gerade in einer peripheren Region wie Osttirol schwierig: „Wir haben viele Frauen, die sich für einen Beruf im Handel interessieren. Haben sie jedoch zwei, drei Kinder, können wir sie nicht nach Innsbruck in die Berufsschule schicken.“ Sie würde sich ein Bildungszentrum wünschen, in dem Erwachsene unkompliziert Bildungsabschlüsse nachholen können. Das FBZ Lienz würde zwar immer wieder Kurse in Osttirol organisieren, jedoch seien dann meist die Anmeldungen so gering, dass der Kurs dann doch nicht zustande kommt. Problematisch findet sie auch die unflexiblen Arbeitszeiten: „Man kann einer Frau nicht zumuten, um 6:30 Uhr im Betrieb zu sein, wenn die Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen erst um sieben Uhr oder um halb acht aufsperren.“ Das Frauenberufszentrum berät Frauen, die beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos vorgemerkt sind. Im ersten Halbjahr 2020 hat das FBZ trotz steigender Arbeitslosenzahlen weniger Beratungsgespräche durchgeführt als im selben Zeitraum im Jahr zuvor. Allerdings habe es mehr Kontakt zu „alten“ Klientinnen gegeben. „Dabei ging es auch um psychosoziale Unterstützung. Manche Frauen haben sich aus Verunsicherung überhaupt nicht mehr vor die Haustüre getraut. Auch Einsamkeit war ein großes Thema“, erzählt Tenschert. Neben Beratungsgesprächen bietet das FBZ auch immer wieder Info-Cafés an (derzeit coronabedingt nur eingeschränkt) und veranstaltet verschiedene Kurse. Im Herbst liegt der Schwerpunkt auf der Digitalisierung und dem Umgang mit dem Smartphone. „Wir haben gerade während der Krise bemerkt, wie wichtig es ist, dass Frauen mit neuen Medien umgehen können. Durch Online-Bewerbungssysteme und ähnlichem bleiben sie sonst auf der Strecke“, so Tenschert. Außerdem wird vom 28. September bis zum 23. Oktober 2020 wieder die Perspektivenwerkstatt des FBZ stattfinden. Dieses Angebot richtet sich ebenfalls in erster Linie an für beim AMS als arbeitssuchend vorgemerkte Frauen und soll den (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben erleichtern. Das Angebot ist kostenlos, ebenso kann während der Workshops (immer vormittags) eine kostenlose Kinderbetreuung in Anspruch genommen werden.  
Anna Maria Huber schreibt als freie Autorin nicht nur für dolomitenstadt.at sondern auch für die Straßenzeitung 20er. Annas Stärken sind penible Recherchen und die Fähigkeit, komplexe Inhalte in klare und verständliche Artikel zu verwandeln.

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