Ihr erinnert euch an den ersten Teil unseres Reiseberichts aus dem Oman? Da stehen wir also etwas verzweifelt auf der Suche nach einem erholsamen Schlafplatz in einem Park mitten in Maskat, als Erika, Saud und die kleine Nina auf uns treffen. Sie merken uns an, dass wir müde und erschöpft sind und laden uns zu sich nach Hause ein. Mir fällt ein Stein vom Herzen!
Die Drei wohnen in einem Appartement. Erika ist aus Lettland, hat in Dubai studiert und dort auf einem Tanzfestival ihren Mann Saud kennengelernt. Ihre kleine Tochter Nina ist knapp ein Jahr alt. Zum ersten Mal seit vier Monaten schlafen wir wieder in einem richtigen Bett. Ein herrliches Gefühl. Am dritten Tag fühle ich mich immer noch schwach, mein Husten klingt nur langsam ab. Doch wir wollen die Gastfreundschaft nicht überstrapazieren und schlagen vor, am nächsten Tag aufzubrechen. Das gefällt Saud ganz und gar nicht. Wie können wir bloß auf solche Gedanken kommen! Im Oman seien Gäste vierzig Tage willkommen. Er fragt Ferdi, ob er Autofahren kann und zeigt ihm, wo der Schlüssel für seinen Jeep hängt.
Diese Gastfreundschaft und Großzügigkeit begeistert uns immer wieder von neuem. Die zehn Tage, die wir bei unseren Freunden in Maskat bleiben, vergehen wie im Flug. Wir lernen wieder viel Interessantes über die omanische Kultur und die Menschen hier kennen, essen in einem Restaurant traditionell omanisch und zu Hause auch afrikanisch. Sauds Mutter stammt aus Sansibar. Die Insel war einst Teil der großen Seefahrernation Oman und viele Omanis sprechen auch heute noch Suaheli. Saud erzählt uns von seinem Glauben, islamischen Sitten und Bräuchen und von den Dschinn, diesen übersinnlichen Geistwesen, die eine große Rolle im Leben vieler Omanis spielen.
Nachdem es mit dem Iran-Visum beim ersten Versuch nicht so einfach geklappt hat, beantragen wir den benötigten Buchungscode bei einer Reiseagentur. Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran scheint vorerst im Irak ausgetragen zu werden und wir hoffen, problemlos in den Iran zurückreisen zu können. Doch das Visum muss erneut warten. Eine Nachricht schockiert nicht nur die Menschen im Oman: Sultan Qabus ist tot. Noch vor ein paar Tagen haben wir Paraden mit jubelnden Menschen gesehen, die die Genesung des Sultans gefeiert haben und nun ist er knapp vor seinem 50-jährigen Thronjubiläum einer langjährigen Krebserkrankung erlegen. Ein Schock für das Land. Erwachsene Männer brechen in Tränen aus, wenn sie uns von ihm erzählen. War es doch Qabus, der mit Hilfe der Briten seinen Vater, den einstigen Herrscher, gestürzt hat. Dieser hatte das Land jahrzehntelang abgeschottet. Anfang der 70er Jahre gab es nur 30 Kilometer asphaltierte Straßen und drei Schulen. Sonnenbrillen waren verboten, weil sie als zu westlich, als ein Werk des Teufels angesehen wurden.
Mit dem neuen Sultan begann die Öffnung und Modernisierung des Landes. Er finanzierte mit den Einnahmen aus dem Ölgeschäft neue Straßen, investierte in ein neues Gesundheitssystem und ließ sehr viele Schulen errichtet. Trotz der schnellen Modernisierungen ist der Oman seinen Traditionen treu geblieben. Wie schon in den Emiraten sieht man hier zwar fast nur moderne Geländewagen, die Menschen hinterm Steuer tragen aber durchgehend traditionelle Gewänder. Die Dishdasha, ein meist weißes Hemdkleid, ist das Hauptkleidungsstück des Mannes. Als Kopfbedeckung dient die Kummah, eine bestickte Kappe oder bei besonderen Anlässen der Turban. Die Frau trägt eine Abbaya, einen schwarzen Umhang. Dazu ein Kopftuch, ebenfalls schwarz, oder auch einen Gesichtsschleier, den Niqab. Männer sind also meistens weiß, Frauen schwarz gekleidet. Allerdings gibt es auch Frauen, vor allem ausländische, die "westlich" gekleidet unterwegs sind, im Falle von Erika mit langem blonden Haar und einem bunten Sommerkleid. Auch das ist möglich im Oman und zeigt den liberal gelebten Islam.
Das Begräbnis des Sultans wird, wie im Islam üblich, schnell erledigt. Drei Tage Staatstrauer folgen. Wir müssen warten bis die Botschaft wieder öffnet und vertreiben uns die Zeit mit Babysitten, Filmabenden und kleineren Wartungsarbeiten an unserer Ausrüstung. Die kleine Nina ist ganz fasziniert von unseren Rädern und immer zur Stelle, wenn wir irgendwo herumschrauben. Selbstverständlich dürfen wir uns Sauds Jeep ausborgen, um durch die Stadt zu düsen. Lust auf Sightseeing haben wir nicht, es gibt auch nicht viel zu sehen. Durch den Suq - so wird im Arabischen der Basar bezeichnet - von Mutrah schieben uns Kreuzfahrt-TouristInnen, die ein paar Stunden Landgang nutzen, um das kleine Städtchen zu überfluten. Beim zweiten Anlauf in der iranischen Botschaft klappt alles problemlos. Wir halten ein 60-Tage Visum in den Händen und freuen uns bereits auf ein persisches Wiedersehen. Die kurze Zeit in der Botschaft, die persische Sprache, der gespielte Taarof beim Bezahlen des Visums, sie lassen in uns ein Gefühl von "bald fahren wir wieder nach Hause in den Iran" aufkommen.
In den letzten Tagen hat es ungewöhnlich viel geregnet und wir sind doppelt froh eine so tolle Unterkunft zu haben. Die Pause vom Radalltag hat uns gut getan. Ich bin wieder zu Kräften gekommen und bereit für den zweiten Monat in unserem Winterurlaubsland. Wir radeln erneut die Küste entlang, die hier wesentlich abwechslungsreicher ist als im flachen Norden. Frühmorgens baden wir in einem sogenannten Sinkhole, einem tiefen Krater gefüllt mit glasklarem Wasser und kleinen Knabberfischen, die unsere Hornhaut auf den Füßen zum Fressen gern haben.
Zu Mittag lernen wir Martine und Dominique, ein äußerst sympathisches französisches Paar kennen. Sie sind mittlerweile in Pension, aber immer noch fleißig mit dem Fahrrad unterwegs. Abends zelten wir auf einem einsamen Platz direkt an den Klippen, der uns von ihnen empfohlen wurde. Am nächsten Morgen stehe ich extra früh auf, um bei Sonnenaufgang zum Meer hinab zu steigen. Barfuß spaziere ich in der steinigen Bucht, dann am Sand hinein in die Wellen des indischen Ozeans. Fantastisch beleuchtet die Sonne die Felswände. Ständig ändern sich die Farben des Himmels: violett, rot, orange. Das sind Momente, die einem unheimlich viel Kraft geben.
Ein paar Kilometer weiter folgt der nächste Stopp. Das Wadi Schab ist etwas überlaufen von TagesausflüglerInnen aus Maskat. Nach einer halben Stunde Gehzeit über steinige Pfade freuen wir uns auf eine Abkühlung. Die kommt in wunderschönen natürlichen Pools. Wir befinden uns in einer richtigen Oase. Groß gewachsenen Dattelpalmen gedeihen hier prächtig und bieten Schatten für Bananenstauden. Die sandfarbenen Felswände um uns herum spiegeln sich im glasklaren Wasser. Wir schwimmen und klettern von einem Becken zum nächsten. Das Wasser wird tiefer. Im vierten und letzten Becken sind wir plötzlich ganz allein. Das tut richtig gut. Nach dem vielen Staub, der trockenen Luft und Hitze der letzten Tage fühlt sich das Wasser angenehm kühl und erfrischend auf der Haut an.
Wenn man durch die kleinen Dörfer kurvt riecht es sehr oft nach Essen. Hauptsächlich nach indischem Essen mit vielen Gewürzen. Düfte spielen im Oman generell eine sehr große Rolle. Manchmal duftet es nach Weihrauch, manchmal, wenn ein Auto mit offenem Fenster vorbeifährt, nach Parfum. Das benutzt hier jede und jeder in üppigen Mengen. Für besondere Anlässe wird sogar die gesamte Bekleidung mit einer speziellen Weihrauchmischung geräuchert. Der Weihrauchbaum wächst im Gebiet um Salalah, im Süden des Landes. In mühevoller Handarbeit wird das wertvolle Harz geerntet und am Suq feilgeboten.
Die einzigen, die im Oman Fahrrad fahren, sind Gastarbeiter aus Indien, Pakistan und Bangladesch. Omanis brausen gut geschützt in ihren klimatisierten Geländewägen mit getönten Scheiben herum. Die Zweiklassengesellschaft zeigt sich überall. Einheimische verlassen nicht mal zum Einkaufen ihr Auto. Sie halten vorm Supermarkt oder vor einem Lokal und hupen. Ein Inder oder anderer Gastarbeiter kommt gelaufen, nimmt die Bestellung auf, kauft ein, packt alle Einkäufe in unzähligen Plastiksackerln in den Kofferraum und hält das Kartenlesegerät zum Bezahlen ans Fenster. Natürlich ist es verlockend, im Sommer bei 50 Grad im klimatisierten Auto sitzen zu bleiben, trotzdem kommt es mir total herablassend vor.
Die Küstenstraße wird wieder langweiliger. Uns fehlt der Kontakt zu den Menschen. Wir werden zwar oft auf der Straße angesprochen, aber die Kommunikation geht kaum über die Frage der Herkunft hinaus. Umso mehr beeindruckt uns die Natur. Eines Abends sitzen wir im Dunkeln auf den schroffen Klippen überm Meer, als ein Fischerboot nahe an den Felsen vorbeifährt und einen türkis leuchtenden Schweif hinter sich herzieht. Zum ersten Mal in unserem Leben sehen wir fluoreszierendes Plankton im Meer schimmern. Ich kann kaum glauben, wie schön das ist. Ein wirklich magischer Moment. Das steht in keinem Reiseführer, das sind die Dinge die ganz plötzlich passieren.
Vom östlichsten Zipfel des Landes fahren wir noch ein ganzes Stück der Küste entlang Richtung Süden. Nachmittags, wenn die Sonne schon tief steht, sitzen viele Männer auf Teppichen am Straßenrand. Wir werden auf Kaffee und Datteln eingeladen und freuen uns über die Gesellschaft. Die Stimmung in den kleinen Dörfern erinnert Ferdi an Albert Camus wunderschöne Beschreibungen des Lebens am Mittelmeer. Doch für uns ist die Zeit am Arabischen Meer nun vorbei. In einer scharfen Rechtskurve radeln wir zurück ins Landesinnere und nähern uns der Wüste.
Auf unserer Karten-App haben wir einen kleinen Weg in die Wahiba Sands Wüste entdeckt. Laut den spärlichen Infos handelt es sich um eine Schotterstraße, die auch mit Autos ohne Allrad befahren werden kann. Na dann mal los! Wir wagen es und radeln ins Nichts. Tatsächlich ist der Weg gut zu fahren, ein bisschen Wellblechpiste, aber meistens fester Untergrund. An einigen Stellen müssen wir die Räder durch Sandverwehungen schieben, dennoch kommen wir zügig voran. Es wird immer stiller. Vereinzelt stehen Beduinen-Behausungen am Wegesrand. Nach ungefähr sechs Kilometern ist für uns Endstation.
Vor uns und rund um uns herum ist nichts als Sand. Wir laufen ein paar Dünen hoch. Es ist komplett still. Auch von oben sieht man nichts als Wüste. Es ist wieder mal einer dieser äußerst faszinierenden Momente unserer Reise. Wir schlagen unser Nachtlager auf. Wie schon in vorhergehenden Nächten kämpfen wir mit dem Sand, der sich durch kleinste Öffnungen hindurch überall einschleicht. Gerade als ich zu Kochen beginne kommt Wind auf. Unser gesamtes Essen "versandet". Zähneknischend essen wir zu Abend. So ist das mit dem Abenteuer Wüste. Als ich am nächsten Morgen aus dem Zelt steige, überrascht mich die Natur von Neuem. Es ist komplett nebelig und das Zelt so nass wie noch nie. Mit so viel Morgentau haben wir hier wirklich nicht gerechnet. Viele Erfahrungen reicher radeln wir zurück in die Zivilisation.
Wir strampeln gegen den Wind an. Die Gegend ist eintönig. Außer ein paar Dromedaren am Straßenrand ist nicht viel zu sehen. Es ist also wieder einmal an der Zeit, eine kleine Nebenstraße zu nehmen und Neues zu entdecken. Im letzten Dorf vor der Wildnis stoppen wir bei der Moschee um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Ein Mann lädt uns auf Kaffee zu sich nach Hause ein. Gerne nehmen wir an, schließlich ist es die erste und einzige spontane Einladung zu jemandem nach Hause, die wir im Oman erhalten. Kaffee, Datteln und Obst werden aufgetischt. "Aufgetischt" ist hier eigentlich falsch, wir sitzen natürlich am Teppich. Die Söhne unseres Gastgebers kommen, um uns zu begrüßen. Für ihre neun und elf Jahre wirken sie sehr erwachsen. Als ihr Vater kurz weg muss, übernehmen sie die Unterhaltung. Ihre Gesten und ihre Art Gespräche zu führen unterscheiden sich kaum von denen älterer Männer. Ihr Englisch ist hervorragend. In der Privatschule werden alle Fächer außer Religion auf Englisch unterrichtet. Nach dem Kaffee wird uns auch noch ein Mittagessen serviert. Sehr zur Freude Ferdis gibt es Fisch, den er an der Küste schon fast ein bisschen vermisst hat. Ihm schmeckt es ausgezeichnet. Ich bleibe beim Reis.
Ziemlich schnell ist von der Straße kaum noch etwas zu sehen. Extreme Wellblechpiste und tiefer Schotter begleiten uns für die nächsten fünfundzwanzig Kilometer. Ein Wechselspiel aus fahren, schieben, fahren, schieben. Mitten in der Einöde zeigt unser Kilometerzähler die schöne Zahl 10.000. Gelegentlich denke ich daran zurück, wie wir in Österreich losgefahren sind und kann es kaum glauben, dass wir es so weit geschafft haben. Und das alles nur mit unserer eigenen Muskelkraft, jeden einzelnen Meter von Lienz bis in die Wüste Omans. Meine Eltern, ebenfalls passionierte Radler, waren anfangs etwas besorgt, dass wir so ganz ohne Training losfahren. Doch es hat sich gezeigt, dass man, wenn man nur will, es überall hin schaffen kann. Wir kommen an diesem Tag nur mehr ein paar Kilometer weiter und finden ein schönes Plätzchen zum Übernachten. Heute gibt es ein kleines Lagerfeuer mit herrlichem Weihrauchduft. Die Nacht ist ruhig, wie die meisten Nächte im Oman. Normalerweise tue ich mir bei solch widrigen Straßenverhältnissen schwerer als Ferdi und bin etwas langsamer. Doch am nächsten Morgen fahre ich voraus und habe plötzlich so viel mehr Selbstvertrauen, dass Ferdi ganz erstaunt ist und mir fast nicht hinterherkommt. Geschwind geht es über Stein und Sand. Zumindest solange, bis ich wieder mal im lockeren Schotter stecken bleibe. Ferdi meint, dass wir gut gewappnet sind für den Pamir.
Jeden Freitag in der Früh ist in Nizwa ein großer Viehmarkt, bei dem es sehr turbulent zugehen soll. Am Vorabend kreuzen wir durch die unzähligen verwinkelten und engen Gassen der Oasenstadt. Es macht Spaß, mit dem Fahrrad die Stadt zu erkunden. Schon bald werden wir von einer Meute radelnder Kinder begleitet. Wunderbar grün ist es hier. Fast alle Häuser haben einen Garten mit Palmen und Bananenstauden. Kaum aus der Stadt raus befinden wir uns auf einem Friedhof. Zuerst fällt er uns gar nicht so richtig auf, weil es hier keine klassischen Gräber wie bei uns gibt. Einzelne aufrecht stehende oder auch umgefallene Steine weisen auf die Gräber hin. Ein Stück weiter hinten auf einem kleinen Hügel finden wir eine alte, halb verfallene Moschee. Der perfekte Schlafplatz. Beim Abendessen sitzen wir vor dem Gebäude und blicken hinunter über den Friedhof auf die Stadt. Unsere Matten breiten wir auf einem alten Gebetsteppich aus und blicken durch das verfallene Dach in den Nachthimmel.
Vor Sonnenaufgang ertönt aus allen Himmelsrichtungen der Ruf des Muezzin. Am Markt tummeln sich Einheimische und auch jede Menge TouristInnen. Wir lassen unsere Räder stehen. Hier machen wir uns keine Sorgen, dass uns jemand beklauen könnte. Zwischen frischem Gemüse und wohlriechenden Kräutern entdecken wir einige uns unbekannte Früchte. Wir schlängeln uns bis zum legendären Viehmarkt durch. Noch ist nicht viel los, aber immer mehr Leute drängen sich in das Rondell. Zu Ergattern gibt es hauptsächlich Ziegen und Schafe. Ein paar Kühe stehen auch herum. Die Tiere werden im Kreis an den potentiellen KäuferInnen und ZuschauerInnen vorbeigeführt und lauthals angepriesen. Hat man Interesse, wirft man ein Steinchen an die Beine des Verkäufers, um ihn heranzuholen. Das Tier wird schnell begutachtet und der Preis erst mal abgelehnt. Ein paar Runden später wird dann eventuell weiterverhandelt. Ein Spektakel.
In Bahla, dem nächsten Oasenort, haben wir eine Bleibe über "Couchsurfing" gefunden. Mohammed wohnt eigentlich in Maskat und verbringt, wie all seine Geschwister, das Wochenende im Elternhaus in Bahla. Vor der Haustüre türmen sich die Sandalen der Enkelkinder. Angesichts der Größe des Männer-Gästeraums kommen wir uns fast ein bisschen verloren vor. Er ist mit Teppichen ausgelegt, am Rand reihen sich Sofas aneinander. Auf ihnen sitzt man ungewohnt weit voneinander entfernt. Vorm Kaffee isst man Obst und Datteln, die zuerst in Tahin und dann in Sesam getunkt werden. Das Obst wird oft anders geschnitten und geschält, als wir es gewohnt sind. Den wie immer sehr dünnen Kaffee trinkt man aus kleinen Tassen. Der Gastgeber schenkt nach. Zwei bis drei Tassen sollte man trinken. Hat man genug, gibt man die Tasse zurück und schwenkt sie dabei leicht hin und her. Es gibt nur wenige Tassen. Wenn einer fertig ist, wird die Tasse in einer Schüssel Wasser ausgeschwenkt und an den nächsten gereicht.
Das Hausmädchen bringt das Mittagessen. Wie schon öfter werden wir zum Essen alleine gelassen. Es ist äußerst ungewöhnlich für uns, dass der Gastgeber im Haus verschwindet und mit der Familie isst. Doch es wird schnell gegessen, schon nach wenigen Minuten sitzt er wieder bei uns. Früher ist Mohammed viel gereist, jetzt bleibt er lieber daheim. Nemsa, Österreich, kennt hier fast jeder. Die Omanis sind ausgesprochene Waffenfans, Steyr ist beliebt. Und "Selamse", Zell am See. Man muss einfach dort gewesen sein. Wie unsere Hauptstadt heißt, weiß kaum einer.
Gemeinsam mit Mohammed machen wir einen Ausflug zum Schloss Jabrin, das wie eine Festung aussieht. Für uns ist es mit Abstand das schönste Gebäude im Oman. Sein Erbauer, ein in der Gegend herrschender Imam war mehr an Kunst und Kultur als an Macht und Religion interessiert. Im Keller gibt es eine eigene Dattelkammer. Am Boden befinden sich Rinnen. Gepresst durch ihr Eigengewicht gewann man den Sirup der Datteln. Der Sirup wurde nicht nur in der Küche verwendet, sondern im Falle eines Angriffs als kochend heiße Brühe hinab auf die Feinde geleert. Leider müssen wir uns nach dem Wochenende von unserem Gastgeber verabschieden. Mohammed muss zurück nach Maskat.
Wir dürfen aber noch so lange wir wollen in dem kleinen traditionellen Haus am Ortsrand bleiben, das er liebevoll renoviert hat. Wir genießen die Ruhe des Alleinseins und nutzen das Platzangebot, um ein bisschen an unseren Rädern zu werkeln. Nach über 10.000 Kilometern fetten wir die Lager neu und wechseln im Tausend-Kilometer-Rhythmus unsere Ketten. Das war's aber auch schon. Wir sind immer noch total zufrieden mit der Wahl unserer Reiseräder und glücklich, dass wir außer ein paar wenigen Patschen keine Reparaturen vornehmen mussten.
Unser Oman Abenteuer neigt sich dem Ende zu. Wir sind froh, dass wir mit Mohammed zum Schluss noch einmal einen so netten Omani getroffen haben und so hautnah die uns fremde Kultur erleben durften. Die letzten Kilometer bis zur Grenze sind wieder heiß, trocken und unspektakulär. Mit Musik in den Ohren geht es flott dahin und schon bald sind wir zurück in den Emiraten.
Sofort merken wir den Unterschied. Plötzlich herrscht richtig viel Verkehr. Als wir in Al Ain ankommen, bin ich müde und erschöpft vom vielen Autolärm und der schlechten Luft. Es dauert einige Zeit bis wir einen verstecken Schlafplatz finden. Zwischen viel zu großen Villen nächtigen wir auf einer aufgelassenen Baustelle. Weiter geht es auf der Autobahn direkt nach Dubai. Einen ganzen Tag sehen wir nur große Autos und Wüste. Dann erreichen wir die Küste.
Wo es vor einigen Jahrzehnten nichts als Sand gab, durchqueren wir nun auf siebenspurigen Autobahnen Dubai. Ein Höllenritt durch den Großstadtdschungel. Mental ist das für mich unglaublich anstrengend. Auch mitten in der Stadt bläst uns der Wind den Sand um die Ohren. Zum Glück haben wir einen Schlafplatz über "Couchsurfing" gefunden. Ein Inder, der wie viele hier irgendein Business betreibt, hat uns aufgenommen. Vom Balkon des 19. Stockwerkes blicken wir in die Häuserschluchten und auf das Feuerwerk, das alle paar Stunden in die Luft geschossen wird. Feuerwerk-Festival nennt sich das, erklärt uns die Mitbewohnerin, die auch der Meinung ist, dass die Scheichs hier das Wetter machen können. Nichts scheint unmöglich. Ich bin froh, dass wir schon am nächsten Abend die Fähre zurück in den Iran nehmen. Gemeinsam mit Martine und Dominique, die wir hier wieder treffen, geht es zum Hafen und ab auf die Fähre. Zurück nach Persien!
Im Oman herrscht perfektes Klima für einen Fahrradreise-Winterurlaub. Die Berge mit ihren Wadis und die Wüste sind spektakulär und nirgendwo ist es einfacher wild zu campen. Aber so ganz ans Herz gewachsen ist uns das Land in den zwei Monaten trotzdem nicht. Ist alles zu einfach? Ein bisschen zu glatt, zu oberflächlich? Nicht, das die Omanis nicht wunderbar gastfreundlich wären und es spannend war, die arabische Kultur kennenlernen zu dürfen, aber irgendetwas fehlt diesem Land, um mit "unserem" Iran oder auch Armenien mithalten zu können.
Marlen aus Lienz und Ferdi aus Salzburg starteten im Juni 2019 zu einer Weltreise auf dem Fahrrad. In neun Monaten radelten die beiden von Lienz mehr als 11.000 Kilometer durch 14 Länder bis in den Iran. Dann stoppte Covid 19 die beiden Globetrotter. Was sie bis zu ihrer Rückkehr in die Quarantäne erlebten, erzählt uns Marlen Schieder in einer spannenden, mehrteiligen Reisereportage. Viel Spaß!
3 Postings
Ich hatte das Glück, vor ein paar Jahren eine Woche mit einer Gruppe aus Osttirol den Oman zu besuchen, aber längst nur einen Bruchteil des wunderschönen Landes gesehen. Leider waren wir für unseren algerischen Führer die erste Gruppe, die er geführt hat. Er war leider vollkommen überfordert und inkompetent - inschallah! Die gute Freude am prächtigen Land konnte es uns aber nicht nehmen!
...so schöne Reiseberichte, da habt ihr wirklich viel erlebt!
Immer wieder nett zu lesen. Danke Leute!
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