Es ist kein Wunder, dass es am Nußdorferweg – korrekt an der J.A. Rohracher-Straße – immer wieder zu einer Verwechslung kommt. Dort stehen sich nämlich zwei alte Eschen gegenüber, von denen nicht die größere und ältere als Naturdenkmal ausgewiesen und damit geschützt ist, sondern der kleinere, ebenfalls sehr imposante Baum auf der anderen Straßenseite. Gekennzeichnet ist allerdings auch dieser Baum nicht.
Die große, wohl mehr als 300 Jahre alte Esche mit 6,30 Metern Stammumfang hat ihren Schutzstatus verloren, das Schild wurde abmontiert mit der Begründung, der Baum gefährde die Verkehrssicherheit. Ich widme mich dennoch vorwiegend dem alten Riesen, obwohl auch der jüngere Baum mit einem Umfang von 4,40 Metern und einem Alter von rund 220 Jahren alles andere als ein Jüngling ist und möglicherweise schon den Tiroler Freiheitskampf miterlebt hat.
Beide Eschen sind in ihrer Vitalität sehr geschwächt, haben jedenfalls Jahrhunderte überstanden und werden nun – wie alle ihre pflanzlichen Artgenossen – von einem eher unscheinbaren aber tödlichen Gegner bedroht: Ein Pilz verursacht das gefürchtete Eschentriebsterben.
Bei dieser Nebenfruchtform des Falschen Weißen Stängelbecherchens, Chalara fraxinea, handelt es sich um einen nicht heimischen Pilz, der vermutlich aus Nordostasien eingeschleppt wurde und in Europa schon seit 1992 auftritt. Der Pilz gehört zu den Ascomyceten und ist mit den heimischen Morcheln verwandt, im Gegensatz zu diesen aber kein beliebter Speisepilz, sondern unter Naturschützern und Förstern gefürchtet. Der Pilz tritt meist über die Blätter des Baums ein. Befallene Eschen sind leicht an den zahlreichen abgestorbenen Trieben zu erkennen. Nur wenige Eschen zeigen eine Resistenz gegen diesen Pilz, deshalb scheint eine ökologische Katastrophe nicht mehr abwendbar.
Ein echtes Drama, ist die Esche doch vor allem in der nordischen Mythologie ein heiliger Baum. Sie steht symbolisch für den Weltenbaum, Yggdrasil, der die Unterwelt und den Himmel verbindet. Der wissenschaftliche Artname – excelsior, also herausragend, höher, ... – weist auf den oft sehr hohen Wuchs hin. Eschen können im Bestand, also zum Beispiel in Auwäldern, bis zu 50 Meter hoch werden! Freistehend erreichen sie solche Dimensionen nicht. Das Holz der Esche hat eine enorme Biegefestigkeit und findet daher vielfältige Verwendung, zum Beispiel für Werkzeugstiele aber auch im Instrumentenbau.
Mir hat es vor allem die alte, größere Esche am Nußdorferweg angetan. Auch deshalb, weil sie eine erstaunliche Höhle beherbergt. Solche Baumhöhlen sind ein wichtiger Lebensraum für allerlei Getier, von winzigen Käfern bis zu Spechten und anderen höhlenbewohnenden Vogelarten. In das Innere der gigantischen Esche passen aber selbst menschliche „Höhlenbewohner“, was dem Baum schon einmal fast zum Verhängnis wurde, wie mir ein kundiger Landwirt erzählte. Einst hätten Burschen im Baum campiert und dabei die Kontrolle über ein Feuer verloren. Der Brand konnte zum Glück gelöscht werden, doch auf der Innenseite sind noch immer die verbrannten Holzreste zu sehen und zu riechen!
Simon Legniti studiert Naturschutz und Biodiversitätsmanagement. Er schreibt an einer Masterarbeit über Osttirols Naturdenkmäler und bittet unsere Leserinnen und Leser, sich bei ihm mit Vorschlägen für mögliche Naturdenkmäler zu melden, im Idealfall mit Ortsangabe, kurzer Beschreibung und einem Foto an: simon.legniti@gmail.com.
Denkmal in Gefahr: Die Eschen am Nußdorferweg
Heute haben wir zwei Bäume und einen zerstörerischen Pilz im Fokus.
4 Postings
Herr Legniti, interessanter Artikel! Beachtlicher Umfang und repektables Alter hat die große Esche erreicht. Werde mir diesen imposanten Baum näher anschauen.
Wieder etwas dazugelernt. Ich glaubte bisher, eine J.A. Rohracherstrasse gibt es nur in Lienz. Es handelt sich um eine südl. Nebenstrasse zur Albin-Eggerstrasse.
Aha....sehr interessant. Wie sagte schon die uralte Morla: "Es spielt zwar keine Rolle, aber wir wissen es."
"....und abgesehen davon, ist es uns egal"
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